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Die Widerspruchsausschüsse des Barmer-Verwaltungsrats: Über 25.000 Mal transparent entschieden

Lesedauer weniger als 4 Min

Redaktion:

Constanze Löffler (Autorin und Ärztin, Nerdpol – Redaktionsbüro für Medizin- und Wissenschaftsjournalismus)

Drei Fakten über die Arbeit der Widerspruchsausschüsse

Blick hinter die Zahlen

Der Transparenzbericht 2024 zeigt: Über 25.000 Widersprüche von Versicherten wurden geprüft – viele führten zu transparenteren, nachvollziehbaren Entscheidungen.

Ausschüsse mit Anliegen

Die 20 Widerspruchsausschüsse der Barmer sorgen dafür, dass jede abgelehnte Leistung, gegen die Versicherte Widerspruch eingelegt haben, noch einmal geprüft wird. 

Stimme der Versicherten

Die Fraktionen des Verwaltungsrats der Barmer entscheiden mit – sie schlagen die ehrenamtlichen Mitglieder der Widerspruchsausschüsse vor und der Verwaltungsrat wählt sie.

25.319 Mal – so oft haben die Widerspruchsausschüsse die Entscheidungen der Barmer überprüft. Immer im Mittelpunkt: Recht und Transparenz. 

In den Widerspruchsausschüssen wachen Menschen im Ehrenamt gemeinsam darüber, dass diese Verfahren nachvollziehbar sind. Wie die Gremien arbeiten und was ihre Arbeit ausmacht.

Viele Leistungen und Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung sind genau festgelegt. Nicht jede Leistung kann und darf bewilligt werden. Und so kommt es, dass Nadja K. zunächst ihre Kur nicht genehmigt bekommt und Wilhelm B. keine Kostenübernahme für seine orthopädischen Schuhe erhält. Doch auch jetzt hilft die Barmer – sie meldet sich bei ihren Versicherten und berät sie zu den nächsten Schritten, etwa der Möglichkeit, Widerspruch einzulegen.

Was Nadja K. und Wilhelm B. vermutlich nicht wissen: Ihre Fälle werden möglicherweise bald von einem von 20 ehrenamtlichen Widerspruchsausschüssen der Barmer geprüft. 

  • Die Ausschüsse tagen einmal im Monat, mal digital, mal vor Ort.
  • Jeder Ausschuss ist mit vier ehrenamtlichen Mitgliedern besetzt, die der Verwaltungsrat wählt.
  • Alle Mitglieder haben einen unterschiedlichen Hintergrund – sowohl persönlich als auch beruflich. Damit spiegeln sie die Vielfalt der Barmer-Versicherten wider.
  • Die Mitglieder lesen sich in die Einzelschicksale ein, prüfen Akten und klären offene Fragen - ehrenamtlich, aber sich der großen Verantwortung bewusst.

Abwägen – im Einzelfall und im System

Ein ehrenamtliches Widerspruchsausschussmitglied ist Dirk Wiethölter, Arbeitgebervertreter. Zugleich ist er ein Mitglied im Verwaltungsrat und Präsidium des Verwaltungsrats. Im Hauptberuf ist er Personalmanager beim DRK-Blutspendedienst West. In der Selbstverwaltung der Barmer engagiert er sich seit über 20 Jahren. 

„Der Widerspruchsausschuss ist keine gesichtslose Instanz. Wir setzen uns mit jedem Fall sorgfältig auseinander – im konkreten Einzelfall und mit Blick auf das große Ganze unserer solidarischen Kranken- und Pflegeversicherung. Ich sehe es als meine Aufgabe, dass Entscheidungen rechtlich fundiert und menschlich nachvollziehbar sind.“ Für Wiethölter sind die Fälle von Nadja K. und Wilhelm B. Beispiele dafür, wie konkret Selbstverwaltung wirken kann: „Wir übernehmen Verantwortung. Wir kontrollieren die Barmer – und machen Entscheidungen besser.“

Gremienarbeit mit Wirkung

Bei den meisten Widersprüchen geht es um Leistungen, die die Barmer abgelehnt hat, zum Beispiel: 

  • Hilfsmittel
  • Reha-Maßnahmen
  • Psychotherapie

Die Verwaltung prüft jeden Widerspruch zunächst intern. Es bleibt bei der Ablehnung, wenn keine Verfahrensfehler festgestellt werden konnten und alle Gesetze bei der Entscheidung richtig angewendet wurden. 

Im Anschluss übernimmt einer der 20 Ausschüsse. Dabei werden die Fälle nach dem Zufallsprinzip verteilt, um die Objektivität zu wahren. Im jeweiligen Ausschuss wird der Widerspruch noch einmal unabhängig und sorgfältig geprüft. Das Verfahren ist für Versicherte kostenlos. 

Wird die Leistung erneut abgelehnt, ist in letzter Instanz eine Klage vor einem Sozialgericht möglich.

Sorgfalt vor Schnelligkeit

Die Mitglieder der Ausschüsse erhalten die Fallakten zwei Wochen vor der Sitzung. Sie bereiten sich eigenständig vor – in ihrer Freizeit. Die Sitzungen selbst folgen einem klaren Ablauf. Und auch wenn es um viele Fälle geht, steht jede Antragstellerin und jeder Antragsteller im Fokus. „Wir sehen die Menschen dahinter. Und wir wissen: Unsere Entscheidung kann den Unterschied machen – zwischen Ja und Nein, zwischen Hilfe und Enttäuschung.“ 

Ein Prozent der zunächst abgelehnten Leistungen wird nach Prüfung doch noch bewilligt – begründet und transparent.

Selbstverwaltung erlebbar machen

Porträt Dirk Wiethölter

Dirk Wiethölter, Mitglied im Präsidium, Freie Liste Wiethölter, Kruck (Gruppe der Arbeitgeber)

Für Dirk Wiethölter zeigt sich darin der Kern der Selbstverwaltung: „Wir sind keine Statisten. Wir gestalten aktiv mit, im Interesse der Versicherten.“ Als Arbeitgebervertreter bringt er dabei eine besondere Perspektive ein: Es gehe nicht nur um Beiträge, sondern um Vertrauen – und das müsse man sich erarbeiten.

Viele Versicherte erfahren erst im Widerspruchsfall von der Existenz des Ausschusses. „Aber genau hier zeigt sich, was Mitbestimmung leisten kann“, sagt Wiethölter. „Wer glaubt, Entscheidungen einer Krankenkasse seien rein verwaltungstechnisch, irrt. Wir sind ganz nah dran an den Anliegen der Menschen.“

Wenn neue Fakten den Ausschlag geben

Auch die Fälle von Nadja K. und Wilhelm B. wurden von den Widerspruchsausschüssen geprüft. Nach Anforderung weiterer Dokumente und Informationen konnte über die Notwendigkeit der Kur und der orthopädischen Schuhe entschieden werden: Die Leistungen für beide Versicherten wurden bewilligt.

Für Dirk Wiethölter sind diese Entscheidungen mehr als nur Aktenzeichen, die abgearbeitet wurden. „Genau dafür engagieren wir uns“, sagt er. „Damit niemand mit seiner Situation allein bleibt, sondern weiß: Da ist jemand, der hinschaut und sich kümmert.“