Pressemitteilungen aus Sachsen

Black-Box Pflege-WG – Mehr Transparenz für Pflegebedürftige und deren Angehörigen

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Leipzig, 29. Januar 2020 –  Auf dem Pflegemarkt ist ein neuer Trend zu beobachten. Es gibt immer häufiger betreutes Wohnen oder Wohngemeinschaften (WG). Etwa jede dritte dieser Anlagen ist in den letzten zehn Jahren entstanden. Aktuell existieren bundesweit laut Barmer Pflegereport bis zu 8.000 betreute Wohnanlagen und 4.000 Pflege-Wohngemeinschaften. Immer öfter werden diese Wohnformen direkt von Pflegeeinrichtungen angeboten. Bundesweit leben etwa 150.000 in betreutem Wohnen und über 30.000 in Pflege-WG. Für die Bewohner scheinen sie attraktiv, allerdings bieten sie in der Qualität der Pflege nicht immer, was sie versprechen. Indizien dafür sind zum Beispiel weniger Arztkontakte und mehr Krankenhausbehandlungen. „Den Wunsch vieler Seniorinnen und Senioren in der eigenen Häuslichkeit versorgt und gepflegt zu werden, unterstützen die Pflegekassen mit vielen verschiedenen Leistungen, beispielsweise Umbaumaßnahmen in der Wohnung, Umzug in eine seniorengerechte Wohnung oder in eine gemeinschaftlich organisierte WG. Auch eine Alltagsunterstützung durch einen Nachbarschaftshelfer ist möglich“, sagt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der Barmer in Sachsen. „Allerdings entbindet uns das nicht von der Pflicht, bei neuen Entwicklungen auf dem Pflegemarkt genau hinzuschauen. Im Sinne der Pflegebedürftigen und ihre Familien ist es an der Zeit, für mehr Transparenz zu sorgen“, so Magerl weiter. Er fordert kassenübergreifende Übersichten über Angebote, deren Qualität und Anbieter.

Genau hinschauen! – Pflege-WGs mit weniger Pflegequalität

Von den über 200.000 sächsischen Pflegebedürftigen wurden 2017 etwa drei Viertel zu Hause betreut. Wer sich für eine WG oder betreutes Wohnen entscheidet, sucht vor allem mehr Lebensqualität im Vergleich zu einem Heim, erwartet aber auch eine entsprechende qualitative Betreuung. Die aktuelle Barmer Studie zeigt etwas Anderes. Im Vergleich zu einem Pflegeheim weisen diese Wohnformen deutlich weniger Pflegequalität auf. Während bundesweit 86,6 Prozent der Pflegeheimbewohner einmal im Monat ihren Hausarzt sehen, ist das in betreutem Wohnen und in WG nur bei rund 80 Prozent der Fall. Auch mussten 3,6 Prozent der Bewohnerinnen und Bewohner des betreuten Wohnens wegen Erkrankungen ins Krankenhaus, die sich eigentlich ambulant sehr gut behandeln ließen. In Pflegeheimen betraf es nur 2,4 Prozent. „Diese Entwicklung erschreckt uns. Es ist wichtig, darauf zu achten, dass die Qualität der Pflege in den neuen Wohnformen nicht auf der Strecke bleibt“, sagt Magerl.

Selbstständigkeit erhalten – Eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Um den Verbleib in der eigenen Häuslichkeit zu fördern, gewährt die Pflegeversicherung Zuschüsse zum Umbau der Wohnung, beispielsweise für den Einbau von Duschen, Treppenliften, Handläufen, Haltegriffen oder WC-Umbauten. Diese und weitere Anpassungen der konkreten Wohnumgebung an die Bedürfnisse des pflegebedürftigen Menschen oder auch der Umzug in eine bedarfsgerechte Wohnung, unterstützen ein selbstbestimmtes Leben trotz Pflegebedürftigkeit. Das erhöht deutlich das Wohlbefinden. „Älteren und pflegebedürftigen Menschen so lange wie möglich ein Leben in der gewohnten und vertrauten Umgebung zu ermöglichen, ist unverändert von hoher gesellschaftlicher Bedeutung“, bestätigt auch Mirjam Luserke, Vorstand des Verbandes Sächsischer Wohnungsgenossenschaften e. V. (VSWG). Der VSWG hat sich die bedarfsgerechte Versorgung der sächsischen Bevölkerung mit entsprechendem Wohnraum zur Aufgabe gemacht. „Die eigene Wohnung und der eigene Haushalt werden von vielen Menschen im Alter als Ausdruck eigener Kompetenz verstanden, und zwar im Sinne einer Beibehaltung von Selbstbestimmung und Selbstständigkeit. Um diese gesamtgesellschaftliche Herausforderung zu bewältigen, müssen Pflegedienstleistungen und Wohnungsangebote der Wohnungsgenossenschaften stets optimal organisiert und vernetzt werden“, so Luserke weiter.

Nachbarschaftshelfer – Hilfe im Alltag

Der Übergang in ein Pflegeheim ist in erheblichem Maße vom häuslichen Umfeld und von dem Ausmaß der Pflegebedürftigkeit abhängig. Lebt eine pflegebedürftige Person allein, erfolgt der Einzug ins Pflegeheim laut Barmer Report, häufig schon bei geringem Pflegebedarf. Leben mehrere Personen mit der pflegebedürftigen Person zusammen, dann erfolgt er häufig erst mit höherem Pflegebedarf. „Die Nachbarschaftshilfe ist im Freistaat Sachsen ein anerkanntes Unterstützungsangebot. Finanzielle Aufwendungen für einen Helfer aus der Nachbarschaft, der beispielsweise mit dem Pflegebedürftigen spazieren, zum Arzt oder für ihn einkaufen geht, können von der Pflegekasse mit bis zu 125 Euro monatlich erstattet werden“, erläutert der Barmer Kassenchef. „Nachbarschaftshelfer betreuen Pflegebedürftige stundenweise. Sie unterstützen die Mobilität, helfen den Tagesablauf zu strukturieren und ermöglichen damit ein längeres Verbleiben in der Häuslichkeit. Auch die Angehörigen können so entlastet werden“, sagt Elke Härtig, Netzwerkkoordinatorin des Pflegenetzwerk Leipzig e.V.. Der Altersdurchschnitt in Sachsen ist hoch. Fast jeder hat inzwischen in der eigenen Familie oder in der Nachbarschaft Berührungspunkte mit hilfe- oder pflegebedürftigen Menschen. „Pflege lebt insbesondere von der Gemeinschaft, auch von Menschen in der Nachbarschaft, die zupacken“, appelliert Härtig und hofft auf noch mehr Engagierte, die anderen helfen möchten. „Jeder kann Nachbarschaftshelfer werden, wenn er eine niedrigschwellige Qualifizierung durchlaufen hat und sich um einen oder mehrere Pflegebedürftige kümmern möchte“, beschreibt sie. Gemeint ist eine eintägige Schulung, in der wichtige Hinweise für den Umgang mit Pflegebedürftigen vermittelt werden, beispielsweise wie bei Stürzen oder anderen Notfällen zu reagieren ist oder welche Besonderheiten bei fortschreitender Demenz zu beachten sind. Auch die Aufgaben des Helfers und versicherungsrechtliche Sachverhalte werden besprochen. Eine Plattform für den regelmäßigen Austausch und die Weiterbildung von Nachbarschaftshelfern wird über die „Kontaktstelle Nachbarschaftshilfe“ des Pflegenetzwerkes Leipzig e.V. angeboten.