Was bedeutet uns Nähe? Medizinische Nähe? Die geplante Krankenhausreform zwingt uns, darüber nachzudenken – bleibt Versorgung wohnortnah, zuverlässig, vertraut? Gibt es schnelle Hilfe, wenn man sie braucht? Keine Frage, die Krankenhausreform markiert einen erheblichen Wandel in der stationären Versorgung. Und auch wenn Sachsen-Anhalt nach der politischen Wende – anders als die alten Bundesländer – bereits reformiert wurde, so wird die Krankenhausreform auch unser Bundesland verändern.
Eine stärkere Spezialisierung
Im Mittelpunkt steht eine stärkere Spezialisierung von Kliniken, die insbesondere durch eine Konzentration medizinischer Leistungen auf bestimmte Standorte erreicht werden soll. Dieses Strukturziel ist aus versorgungspolitischer und wirtschaftlicher Sicht sicherlich nachvollziehbar. Kosten können gesenkt werden, zugleich wird zur Qualitätssicherung der Versorgung beigetragen. Es gibt jedoch ein Aber, das bislang kaum berücksichtigt wird: Für die ärztliche Weiterbildung birgt diese Entwicklung riesige Herausforderungen, die wir nicht ignorieren dürfen!
Warum? Mit einer Spezialisierung geht zwangsläufig eine Reduktion des Leistungsspektrums in einer Klinik einher. So fallen voraussichtlich etliche Kliniken gerade im ländlichen Raum unter Level 1, heißt Grundversorgung. Auch Level-2-Kliniken, die der Regel- und Schwerpunktversorgung dienen, können zwar Fachabteilungen vorhalten, aber eben nicht alle. Dies bedeutet dann auch: Spezialisierte Krankenhäuser können nicht mehr das vollständige Spektrum an Weiterbildungsinhalten abdecken. Und Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung könnten in Zukunft gezwungen sein, ihre Weiterbildung in verschiedenen Kliniken abzuleisten. Fakt ist: Klassische „Allround“-Kliniken – sogenannte Voll- oder Maximalversorger – in denen bislang viele Ärztinnen und Ärzte den Großteil ihrer Weiterbildung absolvieren konnten, wird es deutlich seltener geben.
Sicherung der Weiterbildung
Damit stellt sich nun für uns als Ärztekammer Sachsen-Anhalt als zuständige Institution die dringende Aufgabe, neue Strukturen zur Sicherung der Weiterbildung zu finden und zu fördern: Weiterbildungsverbünde zwischen spezialisierten Krankenhäusern, die stärkere Einbeziehung des ambulanten Sektors – all das ist nicht nur sinnvoll, sondern notwendig. Gleichzeitig werden Ärztinnen und Ärzte in Weiterbildung künftig häufiger zwischen Einrichtungen rotieren müssen, um die erforderlichen Kompetenzen zu erwerben – sei es im Rahmen der Basisweiterbildung oder in spezifischen Facharztmodulen.
All das bedarf einer sorgfältigen Planung. Es darf nicht sein, die Verantwortung einfach an die Weiterzubildenden selbst zu delegieren und sie damit allein zu lassen. Vielmehr ist ein Verbundsystem erforderlich. Es muss auf regionaler Ebene abgestimmt sein und klare Zuständigkeiten definieren. Als Ärztekammer stehen wir bereit, beratend und strukturierend zu unterstützen. Gleichzeitig sind die Krankenhausbetreiber, die ambulanten Einrichtungen und die politischen Entscheidungsträger in der Verantwortung, solche Verbünde mitzugestalten – und auch zu finanzieren.
Integration des ambulanten Sektors
Anspruchsvoll wird dabei die Integration des ambulanten Sektors. Zwar sieht die (Muster-)Weiterbildungsordnung bereits die Möglichkeit vor, ambulante Abschnitte in die Weiterbildung zu integrieren – in der Realität fehlt es jedoch häufig an Kapazitäten, auch Motivation. Wir müssen daher ambulante Einrichtungen und Praxen systematisch Teil der Weiterbildungskette werden lassen. Dafür braucht es Anreize, klare Rahmenbedingungen und eine verlässliche Koordination.
Der gesetzliche Rahmen bildet diese Anreize aktuell nicht ab. So sieht § 75a SGB V noch eine Beschränkung der Förderung ambulanter Weiterbildung auf sogenannte grundversorgende Fächer vor und begrenzt die Förderung auf nur 2.000 Stellen. Bundesweit wohlgemerkt! Also dringender Handlungsbedarf auch für den Gesetzgeber.
Gerade in ländlichen Regionen wie der Altmark oder auch im Harz sind ambulante Einsätze richtig – und wichtig. Sie bilden dort eine Möglichkeit zur besseren Versorgung. Und eine wichtige Chance: Durch Kennenlernen von Land und Leuten könnten die angehenden Fachärztinnen und -ärzte auch zum späteren Bleiben überzeugt werden.
Fazit
Die Krankenhausreform darf die Weiterbildung nicht zur nachgelagerten Frage machen. Die junge Ärzteschaft braucht Planungssicherheit und Verlässlichkeit, um sich auf die Ausbildung konzentrieren zu können. Schwierig, wenn viele nicht wissen, ob ihre derzeitige Klinik in Zukunft überhaupt noch weiterbilden darf. Wir glauben, die Zukunft der ärztlichen Weiterbildung liegt in der Vernetzung und Kooperation aller Akteure. Die Krankenhausreform will Struktur und Wirtschaftlichkeit – aber wer dabei die medizinische Nähe und die ärztliche Ausbildung opfert, spart womöglich Kosten, aber auch an der Zukunft.
von Prof. Dr. Uwe Ebmeyer, Präsident der Ärztekammer Sachsen-Anhalt