Dr. Holthaus-Hesse
Interview mit Dr. Holthaus-Hesse

„Jeder weitere heiße Tag erhöht das Frühgeburtsrisiko“

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Dr. med. Elisabeth Holthaus-Hesse ist seit 1992 niedergelassene Gynäkologin in Bremen. Sie engagiert sich bei KLUG (Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit), hat den Hitzeaktionsplan von Bremen mitentwickelt und war Podiumsgästin bei der Veröffentlichung des Kommunikationsleitfadens Frauen vor Hitze schützen. Der Leitfaden wurde von ecolo - Agentur für Ökologie und Kommunikation und dem bifg (Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung) unter Beteiligung von KLUG und weiteren Expertinnen entwickelt.

Frau Dr. Holthaus-Hesse: Warum ist Hitze besonders für Frauen ein Gesundheitsrisiko?

Holthaus-Hesse: Frauen sind aufgrund eingeschränkter Anpassungsmöglichkeiten empfindlich für die Folgen von Hitzestress und Flüssigkeitsverlust durch Schwitzen. Die Regulation der Körpertemperatur wird durch hormonelle Schwankungen wie zum Beispiel in der Adoleszenz oder den Wechseljahren nicht unerheblich beeinflusst. Außerdem ist die Fähigkeit zur Akklimatisation durch vermindertes oder späteres Schwitzen und durch den höheren Körperfettanteil bei kleinerer Körperoberfläche regelhaft komplizierter als bei Männern. Hinzu kommen gesellschaftlich bedingte Zusatzbelastungen, da Frauen häufiger von Armut und den damit einhergehenden Belastungen betroffen sind. Studien belegen darüber hinaus, dass es hitzebedingt zu einer höheren Gewaltbereitschaft kommt, von der Frauen besonders betroffen sind.

Welche Auswirkungen kann Hitze während einer Schwangerschaft haben?

Holthaus-Hesse: Sowohl extreme Hitze als auch längere Hitzeperioden erhöhen das relative Risiko einer Frühgeburt. Eine Arbeitsgruppe aus Hamburg hat durch Auswertung von 42.000 Schwangerschaften ermittelt, dass Hitzestress von 30 Grad Celsius zu einer Erhöhung des relativen Frühgeburtsrisikos um 20 Prozent führt. Bei Temperaturen von 35 Grad Celsius stieg das Risiko sogar auf 45 Prozent. Auffällig, so die Autoren der Studie, war dabei, dass Schwangere ein bis zwei Hitzetage gut verkraften, jeder weitere heiße Tag steigerte das Frühgeburtsrisiko. Bei Hitzeeinwirkung in der Frühschwangerschaft kann es vermehrt zu zu Plazentationsstörungen kommen, wodurch es in der späteren Schwangerschaft zu Wachstumsstörungen beim Feten und zur Entwicklung eines Bluthochdrucks bei der Schwangeren kommen kann.

Was kann jeder und jede tun, um ältere Frauen, sei es in der Familie oder in der Nachbarschaft, an Hitzetagen zu unterstützen?

Holthaus-Hesse: Wir sollten aufmerksam sein, gerade wenn in der Nachbarschaft alleinlebende ältere Menschen wohnen. Ältere Menschen haben leider ein reduziertes Flüssigkeitsbedürfnis und trinken zu wenig, was natürlich in Hitzeperioden zu Herz- Kreislaufkomplikationen führen kann. Angebote, den Einkauf und/oder die Gartenpflege zu übernehmen und über die Gefährdung durch Hitze aufzuklären können da sehr helfen.

Sind Städte und Kommunen in Deutschland gut genug auf Hitzeperioden vorbereitet?

Holthaus-Hesse: Leider haben nicht alle Städte Hitzeschutzpläne und dort wo diese existieren wie hier bei uns in Bremen, mangelt es erheblich an der Umsetzung. Neben der Implementierung einer Informationskaskade, die alle Bevölkerungsschichten erreicht, ist es wichtig Räume zu identifizieren, die als Kältezone der Bevölkerung zur Verfügung gestellt werden wie zum Beispiel Kirchen und klimatisierte Kaufhäuser. Außerdem muss dringend die Zahl der öffentlichen Trinkwasserbrunnen erhöht werden. Die Entsiegelung von Flächen und die Schaffung von grünen Oasen sowie die Begrünung von Fassaden und Dächern muss mittelfristig hohe Priorität haben. So entstehen natürliche Klimaanlagen. Außerdem müssen die Städte zu Schwammstädten werden, das heißt die Städte müssen so umgestaltet werden, dass sie Regenwasser wie ein Schwamm aufnehmen, speichern und verzögert wieder abgeben können, anstatt es sofort abzuleiten. Denn mit dem Klimawandel kommen nicht nur Hitzeperioden auf uns zu, sondern leider wird es auch eine Zunahme von Starkregenereignisse geben.

Welche Hitzeschutzvorkehrungen haben Sie in Ihrer Praxis bereits getroffen?

Holthaus-Hesse: Wir haben das Glück, erst am späten Nachmittag direkte Sonneneinstrahlung zu haben. Außerdem haben unsere Sprechzimmer und Behandlungsräume Verschattungssysteme und die innen liegenden Räume Klimaanlagen. Am frühen Morgen wird erst einmal für ein gutes Raumklima gesorgt, indem alle Fenster geöffnet werden. Wir bemühen uns, dass die schwangeren Frauen nicht in der Mittagshitze Termine bekommen. Wenn das aus organisatorischen Gründen nicht klappt, versuchen wir Wartezeiten zu vermeiden, auch bei den älteren Frauen. Außerdem stellen wir natürlich Trinkwasser im Wartebereich zur Verfügung.