Barmer GEK Landesgeschäftsführer Hermann Schmitt
STANDORTinfo für Thüringen

Fachtagung Krankenhausreform Thüringen: Wir machen es wie Dänemark!?

Lesedauer unter 4 Minuten

Es war eine Fortbildungsveranstaltung der besonderen Art: Ende Mai organisierte die Landesvertretung Thüringen in Erfurt einen Erfahrungsaustausch zur Krankenhausreform in Dänemark. Der dänische Botschafter Friis Petersen sowie der Krankenhausexperte Sören Lindgaard informierten über die tiefgreifenden Veränderungen im Kliniksektor ihres Landes. Sowohl Gesundheitsministerin Heike Werner als auch zahlreiche Thüringer Krankenhausmanager lauschten mit gespitzten Ohren. Denn Dänemark könnte Vorbild sein für Thüringen...

Leitartikel: Hermann Schmitt, Landesgeschäftsführer der Barmer GEK in Thüringen

Die Dänen sind die glücklichsten Europäer. Erst auf Platz 16 folgen die Deutschen, heißt es im Weltglücksbericht. Man kann über solche Studien sicher geteilter Meinung sein, doch der Blick nach Norden zeigt in der Tat: Da ist überhaupt nichts faul im Staate Dänemark. Im Gegenteil. Die Dänen bauen sich derzeit das wohl modernste Krankenhaussystem in Europa. Dort wird viel umgesetzt, worüber wir bislang nur reden: ein flächendeckendes System aus Grund– und Notfallversorgung mit Gesundheitszentren, mehr Qualität durch spezialisierte Zentren mit modernster Infrastruktur und erfahrenen Experten, Ausbau der Telemedizin und eine elektronische Patientenakte, die bis 1977 zurückreicht. Um nur Beispiele zu nennen. Wir hoffen, dass sich Ministerin Werner viele Anregungen mitgenommen hat. Dänemark ist ähnlich ländlich strukturiert wie Thüringen. Wir dürfen keine unterdurchschnittlichen Strukturen päppeln, nur weil sie um die Ecke sind. Das oberste Kriterium muss lauten: medizinische Qualität! Dann lösen wir die Dänen vielleicht bald auf Platz eins der Glückstabelle ab.

Blick über den Tellerrand: Dänemark

Im Achtsitzer mit Selbstfahrer machte sich Thüringens Gesundheitsministerin Heike Werner (Linke) Anfang Februar gemeinsam mit ihrem Stab und dem Krankenhausreferat auf den Weg nach Dänemark und Holland. "Also sehr kostengünstig", berichtete Werner mit einem Augenzwinkern bei der Fachveranstaltung "Wir machen es wie Dänemark?!" am 31. Mai in Erfurt. Es war eine heimliche Bildungsreise, denn bis auf einen eingeweihten Kreis wusste niemand von dem ministeriellen Ausflug in die benachbarten Gesundheitssysteme. Werner wollte sich von den tiefgreifenden Krankenhausreformen in beiden Ländern inspirieren lassen, die dort aktuell durchgeführt werden. Denn Thüringen steht selbst vor Reformen. Mit Spannung wird in den nächsten Monaten der Entwurf des 7. Krankenhausplanes erwartet.

Wenn wir nicht mit nach Dänemark fahren, dann holen wir Dänemark eben nach Thüringen - unter diesem Motto hatte die Barmer GEK den dänischen (und Deutsch sprechenden) Gesundheitsexperten Søren Lindgaard nach Erfurt eingeladen, um über die Reformen in Dänemark zu berichten. Lindgaard ist Direktor des Gesundheits-Innovationszentrums Süddänemark. "Ausgangspunkt der Reform ist die Devise, dass es besser ist, wenn die Bürger eine etwas längere Anreise in Kauf nehmen und dafür von einem hoch spezialisierten Arzt behandelt werden", erklärte Lindgaard. Deshalb wurden die Behandlungen in weniger Krankenhäusern als bisher zusammengefasst – in der Region Süddänemark beispielsweise wurde die Zahl von 35 auf 5 Einheiten an 12 Standorten reduziert. "Wegen der dadurch größeren Entfernung zum nächsten Krankenhaus wird gleichzeitig die Bereitschaft mit Notarztwagen und einer neuen Hubschrauberabdeckung in ganz Dänemark ausgebaut. Parallel dazu werden wohnortnah verstärkt Gesundheitshäuser etabliert, in denen niedergelassene Ärzte und Vorbeugungseinrichtungen zusammengefasst werden", so Lindgaard. Auch die Telemedizin werde massiv ausgebaut.

Sören Lindgaard mit Mikrofon in der Hand vor Präsentation am Whiteboard

Der dänische Krankenhausexperte Sören Lindgaard hält einen Impulsvortrag zur Krankenhausreform in Dänemark.


Die größte öffentliche Investition seit dem Kirchenbau

In ganz Dänemark werden derzeit 6,3 Milliarden Euro in 16 Bauprojekte im Krankenhaussektor investiert. "Das ist die größte öffentliche Investition seit dem mittelalterlichen Kirchenbau", betonte Dänemarks Botschafter Friis Arne Petersen. Das Motiv: Qualität und Effizienz auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. "Deshalb sind 20 Prozent des Budgets für IT und Medizintechnik reserviert", so Petersen. Warum Dänemark diese tiefgreifende Reform durchführt? "Das Krankenhaus ist der kostenintensivste Bereich in unserem hochentwickelten Gesundheitswesen. Das oberste Ziel lautet, salopp gesagt, die Patienten vom Krankenhaus fernzuhalten. Die neue Krankenhausstruktur wird 20 Prozent weniger Betten vorhalten und die Verweildauer auf durchschnittlich drei Tage senken." Im Krankenhaus soll nur noch gezielt behandelt werden, der Heilungsprozess erfolge im besten Fall Zuhause. "Wir handeln nach der Devise: Weniger Häuser, mehr Spezialisierung, mehr Qualität."

Patienten vom Krankenhaus fernhalten?

Ein Grundsatz, den Ministerin Werner gut nachvollziehen kann. Doch das zentralisierte Gesundheitssystem Dänemarks sei mit dem föderal organisierten Deutschland kaum zu vergleichen. "Von dem, was wir uns wünschen, etwa 70 Punkte, können wir als Land nur ein Viertel selbst umsetzen", bedauert Werner. Manches sei auch politisch schwer umzusetzen. Einfach die Zahl der Kliniken reduzieren? "Dann wird mir vorgeworfen, wir würden Fördergelder verschleudern, die wir in die Kliniken investiert haben." Trotzdem könne man von Dänemark viel lernen. Beeindruckend sei beispielsweise, dass rund 90 Prozent aller Fälle vom Hausarzt abgeschlossen werden - ohne Einweisung ins Krankenhaus. Man müsse in Thüringen noch mehr tun, damit kein Patient unnötig im Krankenhaus aufschlage. Eine schwierige Diskussion, sagte Dr. Kerstin Haase, Geschäftsführerin der Zentralklinik Bad Berka. Es sei den Patienten schwer zu vermitteln, wann er ins Krankenhaus dürfe und wann nicht. Sie forderte dazu eine ehrliche politische und gesellschaftliche Debatte.

Kontakt für die Presse:

Patrick Krug
Telefon: 0361 78 95 26 01
Mobil: 0160 9045 70451
E-Mailpresse.th@barmer.de
Twitter: twitter.com/BARMER_TH