Krankschreibung
Pressemitteilung aus Thüringen

Rekord-Krankenstand in Thüringen

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Erfurt, 15. Juli 2022 – Entgegen dem bundesweiten Trend ist der Krankenstand in Thüringen im Jahr 2021 weiter angestiegen. Wie aus Vorabdaten zum Gesundheitsreport der Barmer hervorgeht, fehlten Thüringer Beschäftigte im zweiten Pandemiejahr durchschnittlich 22,4 Tage krankheitsbedingt im Beruf. Im ersten Pandemiejahr waren es 21,9 Tage. Bundesweit ist der Schnitt hingegen von 18 auf 17,5 Tage gesunken. „Noch nie war der Krankenstand unter Thüringens Beschäftigten so hoch“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer im Freistaat. Den Auswertungen zufolge fehlten an jedem Arbeitstag im Schnitt mehr als sechs von 100 Berufstätigen. In keinem anderen Bundesland seien die Zahlen so alarmierend hoch. „Seit Jahren führt Thüringen die Statistiken zum Krankenstand an. Dem muss dringend auf den Grund gegangen werden, um Lösungen dafür zu finden. Gesunde Beschäftigte sind die Grundlage für eine erfolgreiche Wirtschaft“, sagt die Barmer-Landeschefin. Angesichts vielfältiger Ursachen und Zusammenhänge sei es wichtig, auch die Thüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer selbst mit einzubinden. Eine Möglichkeit, die Auswirkungen der Arbeitsbedingungen auf die Gesundheit der Beschäftigten zu betrachten, biete der DGB Index „Gute Arbeit“ in Form einer branchenübergreifenden, repräsentativen Befragung.

Veränderte Arbeitswelt durch die Pandemie

Eine solche Analyse ist in Thüringen zuletzt im Jahr 2018 erstellt worden. Aus Sicht der BARMER und des DGB Hessen-Thüringen ist eine Neuauflage dringend angezeigt, auch um die pandemiebedingten Veränderungen der Arbeitswelt einzubeziehen. „Es nützt nichts, über die Gesundheit von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern zu spekulieren, ohne deren Probleme und Sorgen zu kennen“, sagt Renate Sternatz, stellvertretende Vorsitzende des DGB Hessen-Thüringen. Der DGB Index „Gute Arbeit“ biete mit einer breit angelegten Beschäftigtenbefragung ein geeignetes Instrument, um ein repräsentatives und berufsgruppenübergreifendes Bild zu erlangen. Die finanziellen Mittel müsse das Land möglichst dauerhaft bereitstellen, so die Gewerkschafterin.

Fehlende Tarifbindung, Personalmangel, kleinteilige Wirtschaftsstruktur

Als wesentliche Ursachen für den hohen Krankenstand in Thüringen nennt DGB-Vize Renate Sternatz akuten Personalmangel und fehlende Tarifbindung. Personalnotstand in nahezu allen Berufszweigen führe bei vielen Beschäftigten zu dauerhaftem Stress und Überlastung. Zum anderen würden aufgrund der fehlenden Tarifbindung in vielen Thüringer Unternehmen lediglich die gesetzlichen Mindestanforderungen gelten. „Auch fehlen vor allem in den kleineren Thüringer Unternehmen gewählte Betriebsräte, die sich für den betrieblichen Arbeits- und Gesundheitsschutz starkmachen und dessen Einhaltung kontrollieren“, so Renate Sternatz weiter. Die BARMER sieht eine weitere Ursache in der kleinteiligen Wirtschaftsstruktur Thüringens. Fehlende betriebsmedizinische Anbindung und der Mangel an Angeboten zur Gesundheitsförderung in den überwiegend kleinen und mittelständischen Unternehmen spielten eine Rolle. Nicht zuletzt würden die Kassendaten auch einen Zusammenhang zwischen Krankheitslast und Durchschnittseinkommen offenbaren, wenngleich die medizinische Erklärung dafür fehle.

Atemwegsinfekte 57 Prozent über dem Durchschnitt

Vor allem in der Diagnosegruppe der Atemwegserkrankungen sind die Thüringer Werte weit überdurchschnittlich. Im Schnitt 2,8 Tage waren Beschäftigte aus dem Freistaat voriges Jahr mit Atemwegserkrankungen arbeitsunfähig gemeldet. Das ist der Höchstwert aller Bundesländer und liegt rund 57 Prozent über dem bundesweiten Mittelwert von 1,8 Tagen. „Trotz umfangreicher Schutzmaßnahmen gegen Ansteckungen während der Pandemie ist die Zahl der Krankschreibungen wegen Atemwegsinfekten in Thüringen nur um sieben Prozent im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Jahren gesunken. Bundesweit betrug der Rückgang hingegen 25 Prozent“, macht Barmer-Landeschefin Birgit Dziuk aufmerksam. In Pandemiezeiten sei deutlich geworden, dass zum Arbeitsschutz auch der Infektionsschutz gehöre. Weniger Atemwegsinfekte gebe es vor allem da, wo sich Abstands- und Hygieneregeln tendenziell einfacher einhalten lassen oder verstärkt Homeoffice möglich ist. Gemessen an der Beschäftigtenzahl seien das Gesundheitswesen, die Automobil-Zulieferbetriebe und der Einzelhandel die größten Wirtschaftszweige im Land. Die Homeoffice-Quote dürfte dementsprechend in Thüringen niedriger sein als in vielen anderen Bundesländern.

Arbeitsbedingungen verbessern, Gesundheitsangebote verstetigen

„Die besonderen Bedingungen in Thüringen müssen beim Thema Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung berücksichtigt werden“, sind sich Barmer-Chefin Birgit Dziuk und DGB-Vize Renate Sternatz einig. Die Arbeitswelt sei das größte Präventionssetting überhaupt, weshalb auch Arbeitgeber Verantwortung für die Gesundheit ihrer Beschäftigten trügen. Die Barmer wolle deshalb das seit 2017 bestehende Unternehmensnetzwerk für kleinere Betriebe „Gesund arbeiten in Thüringen“ weiter ausbauen und verstetigen. „Gute Arbeitsbedingungen und Gesundheitsangebote sind ein immer wichtiger werdender Faktor im Wettbewerb um Fachkräfte und Nachwuchs“, betont Birgit Dziuk. Um die bestmöglichen Voraussetzungen schaffen zu können und das Netzwerk sinnvoll weiterzuentwickeln, sei eine landesweite Beschäftigtenbefragung mit den Instrumenten des DGB Index „Gute Arbeit“ im Jahr 2023 notwendig. „Die Ergebnisse beschreiben die Arbeitsbedingungen aus Sicht der Beschäftigten und können Grundlage für effektive Maßnahmen sein“, unterstreicht Gewerkschafterin Renate Sternatz. So könnten viele Hebel zielgerichtet bewegt werden.

Alles mit dem Ziel, die Gesundheit der Thüringer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu stärken und den hohen Krankenstand zu bekämpfen.  

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