Ausschnitt einer Person mit Tabletten in der Hand
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Barmer Arzneimittelreport Thüringen

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Die Barmer Thüringen fordert einen besseren Schutz Ungeborener. Aus dem aktuellen Arzneimittelreport geht hervor, dass Gefahren durch riskante Medikamente und Informationslücken bestehen, die vermeidbar sind.

Erfurt, 10. Dezember 2021 – Mehr als sechs Prozent der Thüringer Frauen im gebärfähigen Alter bekommen Medikamente, die zu Fehlbildungen bei Ungeborenen führen können, sogenannte Teratogene. Laut aktuellem Arzneimittelreport der Barmer betrifft das jährlich mehr als 24.000 Frauen in Thüringen, darunter auch Schwangere. Vor diesem Hintergrund warnt die Krankenkasse vor Informationslücken bei der Verordnung von Medikamenten

Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen. Foto: Michael Reichel

Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Thüringen. Foto: Michael Reichel

„Unsere Analysen zeigen, dass die Arzneimitteltherapie bei jungen Frauen unzureichend dokumentiert wird. Das macht es für Gynäkologinnen und Gynäkologen schwer bis unmöglich, potenziell gefährliche Medikamente rechtzeitig abzusetzen“, sagt Birgit Dziuk, Landesgeschäftsführerin der Barmer Thüringen. Der Schutz Ungeborener müsse bereits vor der Schwangerschaft beginnen, indem alle Frauen im gebärfähigen Alter einen generellen Rechtsanspruch auf den bundeseinheitlichen Medikationsplan erhalten. Aktuell bestehe dieser erst, wenn mindestens drei Medikamente gleichzeitig eingenommen werden.

Ein Medikamenten-Check kommt in der Schwangerschaft zu spät

Laut Barmer Arzneimittelreport nehmen rund 30 Prozent der Frauen vor einer Schwangerschaft regelmäßig Medikamente ein. Allerdings besitzen acht von zehn Frauen mit Arzneimitteltherapie keinen Medikationsplan. Das legt eine vertiefende Umfrage für den Arzneimittelreport nahe. Befragt wurden dabei knapp 1.300 Barmer-Versicherte, die im vergangenen Jahr entbunden haben.

„Die Gesamtmedikation junger Frauen sollte grundsätzlich auf kindsschädigende Risiken geprüft werden. In der Schwangerschaft kommt ein Medikamenten-Check zu spät, um das ungeborene Kind vor Schäden zu schützen“, sagt Thüringens Barmer-Chefin Birgit Dziuk. Eine Schwangerschaft werde in der Regel in der fünften Schwangerschaftswoche bemerkt. Die erste Überprüfung der Unbedenklichkeit von Medikamentenverordnungen erfolge aber meist erst in der siebten Schwangerschaftswoche. In dieser Phase kann eine mögliche Fehlbildung beim Ungeborenen bereits geschehen sein. Obendrein wechsle bei Eintritt einer Schwangerschaft meist der primäre Ansprechpartner für die Medikamententherapie vom Hausarzt hin zum Gynäkologen. Auch an dieser Schnittstelle bestehe die Gefahr, dass Informationslücken entstehen.

Risiken sind vermeidbar

Das Verordnen potenziell kindsgefährdender Medikamente an sich ist nicht weiter problematisch. Vor allem dann nicht, wenn verhütet wird. Allerdings wird etwa ein Drittel der Frauen ungeplant oder unbeabsichtigt schwanger. „Das unterstreicht die Notwendigkeit, Medikamententherapien junger Frauen regelhaft und systematisch zu überprüfen. Mehr als 60 Jahre nach dem Contergan-Skandal kommt es noch immer zu Einzelfällen, in denen auch schwangeren Frauen starke Teratogene verordnet werden“, sagt Birgit Dziuk.

Keine riskanten Medikamente in der Frühschwangerschaft

Aus dem Arzneimittelreport der Barmer geht auch hervor, dass die behandelnden Ärztinnen und Ärzte die Arzneimitteltherapie an die Schwangerschaft zwar sehr wohl anpassen. Das belegen zurückgehende Verordnungszahlen von Teratogenen. Allerdings liegen die Absetzquoten bei den besonders kritischen Präparaten lediglich zwischen 31 und 60 Prozent. Die Barmer bringt ins Gespräch, dass das Verordnen von teratogenen Arzneimitteln mindestens in der Frühschwangerschaft zum sogenannten „never event“ werden kann. Gemeint sind damit Ereignisse, die grundsätzlich vermeidbar sind und solche katastrophalen Konsequenzen haben, dass sie nie auftreten dürfen. Beispielsweise in Großbritannien gibt es diese Regelung bereits.

Barmer erprobt Frühwarnsystem

Die Barmer selbst treibt bereits mehrere Projekte voran, bei denen es unter anderem darum geht, dass riskante Verordnungen bei Schwangeren zu diesen „never events“ werden. In Planung ist beispielsweise ein Projekt, mit dem es künftig möglich werden soll, dass Ärztinnen und Ärzte schon zum Zeitpunkt der Verordnung automatisch Hinweise auf Arzneimittel erhalten, die in der Frühschwangerschaft problematisch sein können. Auch eine patientenfokussierte digitale Anwendung soll bereitgestellt werden, um ergänzend Schwangeren oder Frauen, die eine Schwangerschaft planen, derartige Warnhinweise zu geben.

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Die am häufigsten verschriebenen potenziell kindsgefährdenden Medikamente sind Valproinsäure und Retinoide. Valproinsäure wird angewendet zur Behandlung von Epilepsie und Krampfanfällen sowie zur Stimmungsstabilisierung bei bipolaren Störungen. Retinoide werden in der Dermatologie sowohl zur örtlichen Therapie (Creme oder Salbe) als auch in Tablettenform angewendet. Am häufigsten kommen sie in der Behandlung einer schweren Akne oder Schuppenflechteformen zum Einsatz.

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