STANDORTinfo für Schleswig-Holstein

Barmer-Zahnreport 2019: Auch in Schleswig-Holstein weniger Zahnersatz durch bessere Mundgesundheit

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Immer weniger Menschen in Deutschland werden mit neuem Zahnersatz versorgt. In den Jahren 2014 bis 2017 ging der Anteil der Versicherten ab 20 Jahren, die Prothesen, Brücken oder Zahnkronen bekamen, bundesweit um acht Prozent zurück, in Schleswig-Holstein um etwa vier Prozent. Dies belegt der Barmer-Zahnreport 2019. „Die rückläufigen Fallzahlen bei Zahnersatz sind der besseren Mundgesundheit zu verdanken. Unser Report zeigt aber zugleich auch, dass die Inanspruchnahme der Regelversorgung als Referenzversorgung stetig sinkt. Es wäre daher angebracht, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Regelversorgung erneut überprüft und an die Entwicklung der Zahnmedizin anpasst. Der zahnmedizinische Fortschritt muss auch bei den Leistungen für die gesetzlich Versicherten ankommen“, fordert Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer für Schleswig-Holstein. Das würde vor allem den Patientinnen und Patienten helfen, die eine zeitgemäße Grundlage für ihre Wahl zwischen den Versorgungsarten und ihren unterschiedlichen Eigenanteilen bräuchten. Zuletzt hatte es eine zahnmedizinische Überprüfung im Jahr 2013 gegeben.

Neuer Zahnersatz in Schleswig-Holstein häufiger

Seit Jahren erhalten die Schleswig-Holsteiner jedoch häufiger neuen Zahnersatz als im Bundesdurchschnitt. Die Rate der Neueingliederungen von Kronen, Brücken und Prothesen lag im Jahr 2017 bei 8,2 Prozent der Bevölkerung. Im Bundesmittel betrug die Rate 7,4 Prozent. Nur in Berlin (9,0 Prozent) und Hamburg (8,7 Prozent) wurde häufiger neuer Zahnersatz angefertigt als hierzulande. Am Seltensten erhielten die Saarländer neuen Zahnersatz (Inanspruchnahmerate 6,4 Prozent).

Vorsorge-Bonus: Viele Schleswig-Holsteiner erhalten höhere Zuschüsse

Bei der Eingliederung von Kronen, Brücken oder Zahnprothesen konnten knapp 60 Prozent der betroffenen Versicherten der Barmer in Schleswig-Holstein im Jahr 2017 eine regelmäßige Zahnvorsorge nachweisen und erhielten höhere Zuschüsse zum Zahnersatz. Bei gut der Hälfte der Zahnersatzversorgungen haben die schleswig-holsteinischen Versicherten der Barmer eine regelmäßige Zahnvorsorge in den vergangenen zehn Jahren nachgewiesen und sicherten sich damit einen um 30 Prozent höheren Zuschuss. Weitere acht Prozent waren zu regelmäßigen zahnärztlichen Kontrolluntersuchungen in den letzten fünf Jahren, der Zuschuss erhöhte sich dadurch um 20 Prozent. Regelmäßige Vorsorge bedeutet: Für Erwachsene mindestens einmal jährlich, für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre jedes halbe Jahr zur Kontrolle zum Zahnarzt. „Die Vorsorgeuntersuchungen werden vom Zahnarzt im Bonusheft bestätigt. Ein höherer Zuschuss zum Zahnersatz kann aber bereits an simplen Problemen scheitern“, erläutert der Barmer-Landeschef. Wie eine repräsentative Umfrage der Barmer zeigt, muss jeder sechste Besitzer sein Bonusheft zunächst einmal suchen. Zudem habe sich ein Viertel der Befragten nachträglich keinen Stempel abgeholt, wenn sie das Zahnbonusheft beim Zahnarztbesuch vergessen hatten. „Barmer-Versicherte können aber auch ohne Vorlage des herkömmlichen Bonusheftes bei regelmäßiger Zahnvorsorge den erhöhten Zuschuss zum Zahnersatz in Anspruch nehmen. Denn in der Barmer-App kann mit wenigen Klicks ein digitales Bonusheft aktiviert werden“, so Hillebrandt. Dies war Wunsch der Versicherten, denn laut Umfrage befürworteten 59 Prozent der Befragten eine digitale Version des Zahnbonushefts.

Regelversorgung zweitwichtigster Ausgabenblock

Trotz sinkender Inanspruchnahme stiegen laut Barmer-Zahnreport die Ausgaben für Zahnersatz in den drei Versorgungsarten. Bei der Regelversorgung fiel der Zuwachs mit 11,3 Prozent in den Jahren 2012 bis 2017 am geringsten aus. Am stärksten legte mit 16,5 Prozent die gleichartige Versorgung zu, die sich vom Standard der Regelversorgung nur in Feinheiten unterscheidet. Für andersartige Versorgungen mit ihren erheblichen Unterschieden zur Regelversorgung stiegen die Ausgaben allein in den Jahren 2014 bis 2017 um mehr als elf Prozent. Im Durchschnitt lagen die Gesamtkosten je neu versorgtem Versicherten im Jahr 2017 bundesweit bei rund 1.524 Euro. In Schleswig-Holstein waren es mit 1.450 Euro knapp fünf Prozent weniger. Der Kassenanteil betrug davon bundesweit 42,3 Prozent (645 Euro), in Schleswig-Holstein 44,1 Prozent (639 Euro). Die Eigenanteile der Versicherten lagen dementsprechend bundesweit bei durchschnittlich 879 Euro, in Schleswig-Holstein bei 811 Euro und damit um 7,8 Prozent niedriger als im Bundesdurchschnitt.

Regelversorgung überzeugt bei Haltbarkeit

Der Report belegt nach Ansicht seines Chefautoren Prof.  Dr. Michael Walter vom Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden, dass die Regelversorgung vor allem für diejenigen die richtige Wahl ist, die Haltbarkeit in den Vordergrund stellen und die Kosten begrenzen wollen. „Die Regelversorgung bewährt sich bei Zahnkronen und Zahnersatz auch im Vergleich zu gleichartigen und andersartigen Versorgungen gut“, betont Walter. Zahnkronen und festsitzende Brücken sind besonders haltbar. Das Autorenteam hatte untersucht, wie gut die Regelversorgung gegenüber anderen Versorgungsarten abschneidet. Für ein differenziertes Bild der Inanspruchnahme, Ausgaben und Nutzungsdauer von Zahnersatz wurden Daten der vertragszahnärztlichen Versorgung von 7,25 Millionen Barmer-Versicherten analysiert und auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland hochgerechnet. „Die Regelversorgung mit Prothese ohne Implantate weist lediglich in Fällen, in denen nur noch wenige oder gar keine Zähne mehr da sind, eine geringere Haltbarkeit gegenüber der andersartigen Versorgung auf, bei der die Prothese auf Implantaten befestigt wird. In dieser Klasse von Befunden hat noch keine wissenschaftliche Überprüfung der Regelversorgung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss stattgefunden. Dies wäre aber sinnvoll“, unterstützt Walter die Forderung der Barmer. „Ohne dieser Überprüfung vorzugreifen, gibt es klare Belege dafür, dass vor allem Patientinnen und Patienten mit zahnlosem Unterkiefer von einer auf zwei Implantaten gestützten Zahnersatzversorgung deutlich profitieren würden“, so Walter.

Zahngesundheitsatlas

Die regionalen Unterschiede bei der zahnmedizinischen Versorgung in Deutschland zeigt der Barmer Zahngesundheitsatlas auf. So greifen Bürger in Bayern für Kronen, Brücken und Co. deutschlandweit am tiefsten in die Tasche. Sie zahlen im Schnitt 1.228 Euro als Eigenanteil zu ihrem neuen Zahnersatz zu und damit um fast 100 Prozent mehr als Patientinnen und Patienten in Sachsen-Anhalt. Dort liegt der Eigenanteil bei 628 Euro. Deutliche regionale Unterschiede gibt es auch bei Früherkennungsuntersuchungen für Kinder. Erneut ist Bayern an der Spitze. Hier liegt die Inanspruchnahmerate bei 42,5 Prozent. Schlusslicht sind die Saarländer (27,7 Prozent). „Wir wollen mit dem Atlas zur Zahngesundheit Transparenz schaffen und eine Diskussion über die bundesweiten Versorgungsunterschiede, Kosten und Nutzen anstoßen. Viele Ergebnisse aus dem Atlas lassen sich nicht zahnmedizinisch erklären. Zahnärzteschaft, Krankenkassen und Politik in Bund und Ländern sollten gemeinsam die Ursachen dieser Unterschiede diskutieren, um bundesweit einheitlich hohe Standards bei Beratung und Versorgung sicherzustellen“, erläutert Hillebrandt und ergänzt: „Nachdem uns nunmehr auch für Schleswig-Holstein umfassende Daten zur zahnärztlichen Versorgung vorliegen, werden wir diese in unseren nächsten Zahnreport und Zahngesundheitsatlas einbeziehen können.“

Ost-West-Unterschiede bei der Inanspruchnahme

Die Ergebnisse des aktuellen Zahngesundheitsatlasses machten grundsätzlich zwei Tendenzen deutlich. Zum einen gibt es in vielen Versorgungsbereichen der Zahnmedizin Ost-West-Unterschiede. Zum anderen scheint ein Stadt-Land-Gefälle vorzuliegen. Der Unterschied zwischen den östlichen und westlichen Bundesländern zeigt sich besonders bei dem Anteil der Bevölkerung, der zum Zahnarzt geht. Die Sachsen sind hier den Ergebnissen zufolge Spitzenreiter (77,1 Prozent), die Saarländer hingegen Schlusslicht (65,2 Prozent). „Die Gründe für die Unterschiede kennen wir nicht. Möglich wären tradierte Inanspruchnahmemuster, verschiedene Präventionsaffinitäten und ein unterschiedlicher Stellenwert des Bonussystems“, betont Prof. Walter.