STANDORTinfo Schleswig-Holstein – Ausgabe Juni 2025

Wie ich es sehe

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Dr. Hillebrandt - Rubrik wie ich es sehe - zu den Themen elektronische Patientenakte, Primärarztsystem und Krankenhausreform.

Warten auf die ePA geht weiter 

Seit dem 1. Januar 2021 müssen Krankenkassen allen Versicherten eine elektronische Patientenakte (ePA) anbieten. Die Nutzung ist freiwillig. Ab dem 29. April 2025 erhielten alle Versicherten, die nicht widersprochen haben, eine persönliche ePA. Diese ist jedoch oft noch leer, da Ärztinnen und Ärzte die ePA-Befüllung und -Nutzung selbst entscheiden können. Verbindliche Fristen und Vorgaben sind nötig, um die ePA-Einführung voranzutreiben. Das gilt besonders für die Integration in die Praxisverwaltungssysteme verschiedener Hersteller, bei denen es immer wieder Probleme gibt. 

Neben der ePA-Einführung müssen alle Akteure des Gesundheitswesens, einschließlich der Krankenhäuser, an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen werden. Andernfalls endet die Digitalisierung an den Sektorengrenzen. Obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben ist, sind noch nicht alle ePA-ready. Für Krankenhäuser ist die ePA der erste relevante Anwendungsfall in der TI – und sie arbeiten intensiv daran, ihre Prozesse anzupassen. Eine Karenzzeit bis zum verpflichtenden Start am 1. Oktober ist daher gerechtfertigt.

Der Patient muss gesteuert werden 

Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag die Patientenversorgung effizienter gestalten. Dazu soll ein System eingeführt werden, bei dem der Hausarzt als Gatekeeper fungiert (Primärarztsystem). Darüber hinaus soll die flächendeckende Möglichkeit einer strukturierten Ersteinschätzung auch über digitale Wege in Verbindung mit Telemedizin geschaffen werden. Der Hausarzt überweist die Patienten bei Bedarf an Fachärzte, wobei ein Termin innerhalb eines bestimmten Zeitraums vereinbart wird. Falls der Termin nicht klappt, können Patienten auch zu Klinikfachärzten gehen. Diese Steuerung soll Doppeluntersuchungen und lange Wartezeiten für Facharztbesuche vermeiden. Möglicherweise könnten so auch unnötige Operationen verhindert werden. Derzeit streiten sich Politiker und die Ärzteschaft um die richtige Ausgestaltung dieses Primärarztsystems. Eines sollte aber allen Beteiligten klar sein: Der Ansatz einer zentralen Ersteinschätzung und der daraus resultierenden koordinierten Versorgung ist sinnvoll. Darüber hinaus muss es zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit aller Gesundheitsprofessionen kommen, die mehr Kompetenzen für Heilberufe einschließlich NäPA (nichtärztliche Praxisassistenz), MFA (medizinische Fachangestellte), PA (Physician Assistant) etc. beinhaltet. Letztendlich sollte man die Autonomie der Patienten respektieren. Es macht keinen Sinn, dass ein Patient mit einem plötzlichen Hörverlust durch einen Hörsturz oder einem blutigen Melanom zuerst zum Hausarzt geht und dann erst zum Facharzt kommt. Und ja, dem Hausarzt sollte eine Art Lotsenfunktion zugebilligt werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Patienten immer eine Praxis aufsuchen müssen. Arztzeitentlastende Maßnahmen sind dringend nötig.

Krankenhausreform: Kein Griff in die Taschen der Beitragszahler

Die Länder fordern bei der Krankenhausreform zusätzliche Mittel als Überbrückungsfinanzierung, bis die Reform vollständig greift. Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen schlagen vor, dass die Krankenkassen den Krankenhäusern rückwirkend für die Jahre 2022 und 2023 Geld erstatten. Sie begründen dies mit der hohen Inflationsrate und gestiegenen Personalkosten, die zu einer Unterfinanzierung der Kliniken geführt haben. Schleswig-Holstein sollte diesem Beispiel nicht folgen. Es ist nicht akzeptabel, dass gesetzlich Versicherte und ihre Arbeitgeber erneut mit ihren Beiträgen für Ausgaben aufkommen sollen, die aus Steuermitteln finanziert werden müssen. Das eigentliche Problem der Kliniken sind nicht die Betriebsmittel, sondern die seit Jahren unzureichenden Investitionsmittel der Bundesländer. Das sieht übrigens auch der Bundesrechnungshof genauso. Eine rückwirkende Erstattung ist daher nicht gerechtfertigt. Es ist sinnvoll, die Krankenhäuser in den bevorstehenden Veränderungsprozessen zu stabilisieren. Die Finanzierung muss jedoch an Bedingungen geknüpft sein. Es geht um Weiterentwicklung, nicht um die Refinanzierung vergangener Kosten.