STANDORTinfo Schleswig-Holstein – Ausgabe Juli 2023

Wie ich es sehe

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Dr. Hillebrandt - Rubrik wie ich es sehe - zu den Themen Ambulantisierungspotenzial, PUEG und Krankenhausreform

Ambulantisierungspotenzial in Schleswig-Holstein

Der demografische Wandel, knappe finanzielle Mittel und ein zunehmender Mangel an Fachkräften stellen das deutsche Gesundheitswesen in den kommenden Jahren vor bedeutende Herausforderungen. Die effektive und effiziente Nutzung von Ressourcen im Gesundheitssystem ist daher wichtiger denn je. In diesem Zusammenhang kommt der Überwindung der Sektorengrenzen eine Schlüsselrolle zu. Nur durch eine bessere Verzahnung unterschiedlicher Versorgungsbereiche und eine verstärkte Kooperation über Sektorengrenzen hinweg kann eine zukunftssichere Versorgung gewährleistet werden. 

Die bestehenden Versorgungsstrukturen in Deutschland unterscheiden sich zum Teil deutlich zwischen einzelnen Regionen. In Schleswig-Holstein könnten laut Versorgungskompass des Barmer Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) rund 20 Prozent aller vollstationären Fälle ambulant erbracht werden. Ein sogar noch höheres Ambulantisierungspotenzial von über 23 Prozent wurde für die Kreise Segeberg und Stormarn ermittelt. Das geringste Potenzial um die 17 Prozent gibt es in den kreisfreien Städten Flensburg, Kiel, Lübeck und dem Kreis Steinburg.

Diese Erkenntnisse müssen in die schleswig-holsteinische Bedarfsplanung einfließen. Es muss klare Vorgaben dahingehend geben, welche Eingriffe in Zukunft wo durchgeführt werden sollen. Wir müssen die Ambulantisierung gemeinsam vorantreiben. 

Auch die Leistungserbringer könnten profitieren, wenn der Grundsatz "ambulant vor stationär" stärker als bisher gelebt werden würde. So könnten sich Kliniken, Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren ganz gezielt auf ambulante Operationen ausrichten. Zudem könnten Ärztinnen, Ärzte und Pflegepersonal entlastet werden, wenn in den Kliniken wirklich nur noch Patientinnen und Patienten lägen, die dort zwingend hingehörten.

Bundestag beschließt Pflegeunterstützungs- und –entlastungsgesetz (PUEG) mit Änderungen

Die gesetzliche Pflegeversicherung wird in zwei Schritten reformiert: Zum 1. Juli 2023 soll die Finanzgrundlage stabilisiert werden. Und in einem zweiten Schritt werden sämtliche Leistungsbeträge zum 1. Januar 2025 angehoben. Für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige ist ein Entlastungsbudget wichtig. Leistungen der Kurzzeit- und Verhinderungspflege können damit flexibler in Anspruch genommen werden. Die Einführung in zwei Stufen ist für die Pflegekassen jedoch sehr aufwendig in der Umsetzung.

Die ambulanten Leistungsbeträge sind in den letzten Jahren nicht dynamisiert worden. Eine Stärkung der ambulanten Pflege kann mit der vorgesehenen Steigerung auch nicht erreicht werden, da sie unter der aktuellen Inflationsrate liegt. Notwendig wäre eine regelhafte jährliche Steigerung der Leistungsbeträge, gekoppelt zum Beispiel an die Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen. Darüber hinaus sollten neben den geplanten telefonischen Begutachtungen auch Videobegutachtungen ermöglicht werden. Damit könnten die knappen Begutachtungsressourcen des MD effizienter genutzt, die Begutachtungslaufzeiten verkürzt und die Entscheidungsprozesse der Pflegekasse zugunsten der Versicherten beschleunigt werden.

Krankenhausreform nimmt weiter Gestalt an 

Die künftige Krankenhausplanung soll auf Grundlage der von Nordrhein-Westfalen definierten Leistungsgruppen erfolgen. Diese sollen mit bundesweit einheitlichen Qualitätskriterien verknüpft werden. Gleichzeitig soll eine Vorhaltefinanzierung eingeführt werden, mit der die Vorhaltung von Strukturen in den Krankenhäusern unabhängig von der Leistungsmenge gesichert werden soll.

Auch wenn die Versorgungslevel von den Ländern beerdigt wurden, so ist der Vorschlag richtig, die künftige Krankenhausplanung auf Basis von Leistungsgruppen zu gestalten und damit die Versorgungsaufträge der einzelnen Krankenhausstandorte zu konkretisieren. Entscheidend ist dabei die strikte Kopplung der einzelnen Leistungsgruppen an klar definierte bundeseinheitliche Qualitätskriterien. Dabei sollten bereits bestehende Qualitätsvorgaben der Bundesebene, wie Qualitätsrichtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) oder Komplexprozeduren, in die neuen Qualitätskriterien einfließen. Und Ausnahmetatbestände bei der Zuordnung von Leistungsgruppen an Kliniken müssen auf ein absolutes Minimum begrenzt werden. Bundeseinheitliche Qualitätskriterien dürfen im Sinne einer gleich hohen Qualität der Versorgung in allen Bundesländern und aus Sicht der Patientensicherheit nicht unterlaufen werden.

Von der einst als große Revolution angekündigten Reform wird wohl eher eine Vergütungsreform übrigbleiben. Die geplante Vergütung aus Vorhaltefinanzierung und Fallpauschalen bringt den Krankenhausträgern finanzielle Sicherheit, da mit der Zuweisung von Leistungsgruppen auch die Höhe der Vorhaltefinanzierung je Krankenhausstandort festgelegt wird. Da bei der geplanten Regelung die Zuweisung der Leistungsgruppen das Vorhaltebudget bestimmt, ist davon auszugehen, dass jeder Krankenhausstandort eine Vorhaltung je Leistungsgruppe unabhängig von der Fallmenge erhält. Bei der Festlegung der Mindestqualitätsstandards sollten deshalb zwingend Mindestfallzahlen je Leistungsgruppe hinterlegt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Krankenhäuser zwar möglichst viele Leistungsgruppen einfordern, allerdings nur wenige Fällen generieren. Dies ist notwendig, damit die vorhandenen finanziellen Mittel optimal eingesetzt werden.

Offen bleibt aber weiterhin, wie es auf Landesebene mit den Investitionskosten weitergeht. Es kann und darf nicht sein, dass die Bundesländer weiterhin ihrer Pflicht zur Investitionskostenfinanzierung der Krankenhäuser nicht in ausreichendem Maße nachkommen.