Die Entwicklung der Apotheken in Deutschland hat sich im Laufe der Jahre durch verschiedene Faktoren verändert, darunter gesetzliche Rahmenbedingungen, technologische Fortschritte und demografische Veränderungen. Insgesamt steht die Apotheke in Deutschland vor Herausforderungen, aber auch vor Chancen durch Anpassung an neue Marktbedingungen und Bedürfnisse der Verbraucher. Wir haben hierzu nachgefragt bei Dr. Felix-Alexander Litty, dem Geschäftsführer der Apothekerkammer Schleswig-Holstein.
Dr. Felix-Alexander Litty, Geschäftsführender Apotheker Apothekerkammer Schleswig-Holstein
Herr Dr. Litty, Thema Zukunft der Apotheken: Wie kann aus Ihrer Sicht die Rolle der Apotheken in Schleswig-Holstein angesichts des wachsenden Wettbewerbs durch Online-Apotheken und andere Gesundheitsdienstleister gestärkt werden?
Unsere 562 Apotheken in Schleswig-Holstein sichern jeden Tag rund um die Uhr eine flächendeckende, wohnortnahe und niedrigschwellige Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Insbesondere der Notdienst ist bei einer jährlich schrumpfenden Apothekenzahl in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein eine wachsende Herausforderung für die Betriebe, weil die jeweilige Anzahl der zu leistenden Notdienste von Jahr zu Jahr ansteigt. Die Apotheken vor Ort sichern die Arzneimittelversorgung in Zeiten massiver Lieferengpässe, indem mit oder ohne ärztliche Rücksprache Alternativen gefunden werden, sie fertigen patientenindividuelle Rezepturarzneimittel an, betreuen die Substitutionstherapie von opioidabhängigen Patientinnen und Patienten, führen Medikationsanalysen durch und bieten durch den Botendienst eine Arzneimittellieferung noch am selben Tag der Bestellung an. Viele Apotheken betreiben mittlerweile eigene Apps und Onlineshops, sodass für die Patientinnen und Patienten eine bequeme Versorgung auch ohne vorherigen Apothekenbesuch von zu Hause möglich ist. Das ist in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein ein großer Vorteil. Diese häufig nicht ausreichend oder gar nicht vergüteten Leistungen sind für uns so selbstverständlich, wie der Strom aus der Steckdose. Um diese Versorgung auch in Zukunft zu sichern, brauchen die Apotheken bessere wirtschaftliche und einfachere regulatorische Rahmenbedingungen. Es kann nicht sein, dass für den ausländischen Versandhandel einfachere gesetzliche Vorgaben gelten als für die Apotheken vor Ort hierzulande. So leisten die ausländischen Versandapotheken weder Notdienste noch fertigen sie Rezepturarzneimittel an. Arzneimittel sind keine Kartoffelchips, sondern hochwirksame und damit beratungsintensive Produkte, dessen Abgabe engmaschig durch Apothekerinnen und Apotheker begleitet werden muss. Geeignete Mechanismen wären zum Beispiel das Preisdumping der Versender bei zulassungspflichtigen Arzneimitteln einzuschränken oder zum Zweck der Arzneimittelsicherheit den Versand von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu beenden.
Versorgungssicherheit: Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die flächendeckende Versorgung mit Apotheken in ländlichen Regionen sicherzustellen, insbesondere in Zeiten von Lieferengpässen und geschlossenen Apotheken?
Allein im vergangenen Jahr haben in Schleswig-Holstein 20 Apotheken geschlossen. Seit 2013 ist die Apothekenzahl von 706 auf aktuell 562 Betriebe gesunken und es ist mit weiteren Schließungen zu rechnen, sollten sich die Rahmenbedingungen nicht verbessern. Die vielen Leistungen der Apotheken müssen endlich wieder angemessen vergütet werden. Dazu gehört eine deutliche Anhebung des seit nunmehr über elf Jahren unveränderten Apothekenhonorars. Dies kann sehr schnell und unkompliziert über die Arzneimittelpreisverordnung erfolgen. Dabei ist in erster Linie das Apothekenfixum von 8,35 Euro deutlich anzuheben. Zudem sind auch die Sonderentgelte, wie zum Beispiel für den Botendienst, die Rezepturherstellung und die Dokumentationsgebühren wieder leistungsgerecht auszugestalten. Die regelmäßige Anpassung des Apothekenhonorars an die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen ist für die nachhaltige Stabilisierung der Versorgung durch Apotheken vor Ort eine unbedingte Notwendigkeit. Während die Inflation seit 2013 kumuliert rund 30 Prozent betrug und die Tariflöhne der Apotheken um 40 Prozent angestiegen sind, hat es beim Apothekenhonorar im selben Zeitraum keine Anpassung gegeben. Aus Spargründen hat die Ampel-Koalition das Honorar zuletzt sogar abgesenkt. In den meisten Vergütungssystematiken des Gesundheitswesens gibt es Mechanismen, mit denen die Honorierung der Leistungserbringer an die gesamtwirtschaftliche Entwicklung automatisch angepasst wird. Beim Apothekenhonorar gibt es einen solchen Anpassungsmechanismus bislang nicht. Damit es für den Betrieb einer Apotheke wieder eine wirtschaftliche Perspektive gibt, muss daher eine Systematik etabliert werden, bei der sich das Apothekenhonorar zukünftig regelhaft und regelmäßig an die Kostenentwicklungen der Apotheken anpasst. Auch bildet die Apotheke vor Ort auf lokaler Ebene das Drehkreuz für Gesundheitsfragen aller Art und trägt durch persönliche Beratung zu Arzneimitteln, Aufklärung, Begleitung der Therapien und zusätzliche Angebote maßgeblich zu einer qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung bei. Die wohnortnahe Verfügbarkeit heilberuflicher Kompetenz bildet ein niedrigschwelliges Angebot für Patientinnen und Patienten. In Anbetracht des sich immer weiter ausdünnenden Apothekennetzes sowohl in ländlichen Regionen als auch in städtischen Gebieten sind die Möglichkeiten zusätzlicher Pauschalen zur Grundsicherung der Flächendeckung, beispielsweise durch eine Erhöhung der Notdienstpauschale, zu nutzen.
Digitalisierung: Wie steht die Apothekerkammer zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, und welche konkreten Schritte unternehmen Sie, um Apotheker bei der Implementierung digitaler Lösungen zu unterstützen?
Apotheken arbeiten bereits hochdigitalisiert, sowohl in ihren Betriebsabläufen als auch im Verhältnis zu ihren Patientinnen und Patienten. Viele Apotheken in Schleswig-Holstein bieten eigene Apps an, mit denen Patientinnen und Patienten ihre E-Rezepte über das Card-Link-Verfahren mit Hilfe ihrer elektronischen Gesundheitskarte kontaktlos an die Apotheke übermitteln können. Zudem ermöglicht die Digitalisierung eine bessere Vernetzung der Heilberuflerinnen und Heilberufler, was zu einer rundum abgestimmten und sichereren Versorgung der Patientinnen und Patienten führt. Digitalisierung kann Routineprozesse zeitlich entlasten und die individuelle pharmazeutische Beratung stützen, eine direkte persönliche Beratung allerdings nicht ersetzen. Die Apotheken vor Ort haben in den vergangenen Jahren immer wieder bewiesen, wie schnell sie digitale Versorgungskomponenten anwenden und der Bevölkerung erklären können. Ohne den Einsatz der Apothekenteams wäre das neue E-Rezept beispielsweise gescheitert. Die nächste Bundesregierung sollte daher die Innovationskraft der Apotheken stärker nutzen, um sinnvolle Transformationsprozesse im Gesundheitswesen voranzubringen.
Fortbildung & Qualifikation: Inwiefern fördert die Apothekerkammer die kontinuierliche Fortbildung von Apothekern, um sicherzustellen, dass sie mit den neuesten Entwicklungen in der Pharmazie und im Gesundheitswesen Schritt halten können?
Die Entwicklung neuer Arzneistoffe und Arzneimittel ist ein schnelllebiger und immer komplexer werdender Prozess. Bereits wenige Jahre nach dem Studium kann es sein, dass der universitäre Wissensschatz nicht mehr alle Entwicklungen umfasst. Mit einem Beispiel seien an dieser Stelle die mRNA-Impfstoffe gegen SARS-CoV-2 genannt. Aber auch in der Apothekenpraxis und in den Rechtsgebieten gibt es stetige Veränderungen. Die Apothekerkammer Schleswig-Holstein bietet mit ihrer Akademie für pharmazeutische Fortbildung und Qualitätssicherung ein großes, aktuelles und vielseitiges Fortbildungsangebot an, welches sich insbesondere an Apothekerinnen und Apotheker, aber auch an die anderen pharmazeutischen Berufsgruppen wie Pharmazeutisch-technische Assistentinnen und Assistenten (PTA) und Pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte (PKA) richtet. Im Zeitalter digitaler Lernformate bieten wir ein großes Spektrum synchroner und asynchroner Onlinefortbildungen an. Um den kollegialen Austausch zu fördern, bieten wir auch umfangreiche Präsenzfortbildungen und Fortbildungskongresse an, die von der Kollegenschaft im Land sehr geschätzt werden. Neben der Fortbildung gibt es ähnlich wie bei Ärztinnen und Ärzten für Apothekerinnen und Apotheker die Möglichkeit der Weiterbildung in verschiedenen Gebieten und Bereichen. Je nach beruflicher Ausrichtung, können sich Kolleginnen und Kollegen aus der Apotheke vor Ort, Krankenhausapotheke, Pharmazeutischen Industrie, Bundeswehr, Hochschule oder Verwaltung in den Gebieten Allgemeinpharmazie, Arzneimittelinformation, Pharmazeutischer Analytik und Technologie, Toxikologie oder Öffentliches Gesundheitswesen weiterbilden. Die Weiterbildung wird durch die Apothekerkammern organisiert.
Vielen Dank für das Interview!
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