STANDORTinfo Schleswig-Holstein – Ausgabe März 2023

Vier Fragen an Dr. Jens Lassen, Landesvorsitzender des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein

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Der Hausärzteverband Schleswig-Holstein hat im September 2022 Dr. Jens Lassen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Lassen praktiziert als niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin im Hausarztzentrum Leck im Kreis Nordfriesland. Der 41-jährige Hausarzt ist seit Jahren berufspolitisch engagiert und bereits seit 2017 im Vorstand des Hausärzteverbands Schleswig-Holstein aktiv, zuletzt als stellvertretender Landesvorsitzender. Auf Bundesebene hatte er sich bisher schwerpunktmäßig mit den Themen der ärztlichen Weiterbildung befasst.
Wir haben ihn zur gesundheitspolitischen Situation in Schleswig-Holstein befragt.

Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der BARMER in Schleswig-Holstein mit Dr. Jens Lassen, Landesvorsitzender des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein

Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der BARMER in Schleswig-Holstein im Gespräch mit Dr. Jens Lassen, Landesvorsitzender des Hausärzteverbandes Schleswig-Holstein

Welche Themen stehen ganz oben auf Ihrer Agenda, die Sie als neuer Verbandschef der Hausärzte in Schleswig-Holstein anpacken werden?

Die Hausärztinnen und Hausärzte haben die zentrale Rolle in der medizinischen Versorgung der Menschen. Damit wir diese Arbeit weiter gut machen können braucht es vernünftige Rahmenbedingungen für unsere Tätigkeit - und genau dafür arbeitet der Hausärzteverband. Unsere zentralen Themen sind zur Zeit die anstehenden Veränderungen im Honorarverteilungsmaßstab, der Strukturwandel in der niedergelassenen Medizin und damit direkt verbunden der Nachwuchsmangel im hausärztlichen Bereich, den wir mit aller Kraft angehen müssen. Außerdem ist natürlich die dringend notwendige Digitalisierung ein Riesenthema.

Welche Chancen und welche Risiken für Hausärzte sehen Sie in der von Gesundheitsminister Lauterbach angestrebten Krankenhausreform?

Den Handlungsbedarf im stationären Bereich erkennt jeder. Es wird sich an den Schnittpunkten zwischen stationärer und ambulanter Medizin sehr viel bewegen. Wir müssen aufpassen, dass das so organisiert wird, dass die Patientinnen und Patienten am Ende eine vernünftige Versorgung bekommen. Es kann nicht der Sinn einer Krankenhausreform sein, die Menschen mit aller Kraft nur möglichst kurz ambulant in der Klinik behandeln zu lassen, die Weiterversorgung noch stärker in die Hausarztpraxen zu verlagern, aber die Probleme der Praxen nicht mit aufzugreifen. Die niedergelassene Medizin gerät leider zu oft aus dem Blickfeld von Kostenträgern und Politik.

Medizinische Versorgungszentren können ein Weg sein, die Versorgung in der Fläche sicherzustellen. Der Hausärzteverband unterstützt grundsätzlich MVZ unter hausärztlicher Beteiligung, warnt aber vor investorengetriebenen Einrichtungen. Wie groß ist die Gefahr aus Ihrer Sicht für Schleswig-Holstein?

Diese Entwicklungen sind keine Zukunftsmusik, sondern längst da. Ein Blick nach Hamburg genügt um zu erkennen, dass diese investorengetragenen MVZ ein Riesenthema sind, das über kurz oder lang auch in SH ankommen würde. Das Problem dabei ist, dass die Menschen in diesen Einrichtungen am Ende nicht so versorgt werden, wie dies in der Hausarztmedizin der Fall sein sollte. Deswegen sollten wir eine große Sensibilisierung für dieses Thema haben.

Zur Sicherung der hausärztlichen Versorgung insbesondere in einem Flächenland wie Schleswig-Holstein brauchen wir verstärkt medizinischen Nachwuchs, weil viele Hausärzte kurz vor dem Ruhestand stehen. Wie kann Ihrer Meinung nach die entstehende Lücke geschlossen werden?

Das Klima für eine Niederlassung stimmt derzeit nicht, viele junge Kolleginnen und Kollegen sind abgebschreckt. Es hat sich leider eine große Misstrauenskultur eingeschlichen gegen die niedergelassene Medizin, die zu vielen unsinnigen bürokratischen Hürden und Auflagen führt, die sich freiwillig kaum noch jemand geben will. Außerdem sorgen viele kleine negativen Entwicklungen für den ambulanten Bereich in der Summe dafür, dass wir uns den Nachwuchs vergraulen. Wenn Sie als junge Ärztin oder junger Arzt immer hören, dass das (ohnehin budgetierte) Honorar trotz der hohen Inflation nur um zwei Prozent steigt und nach Auffassung des GKV-Spitzenverbands in den beiden kommenden Jahren gar nicht steigen soll, die Praxen bei den Energiekosten alleingelassen werden, die Neupatientenregelung abgeschafft wird, eRezept und ePA nicht funktionieren und und und, dann denken Sie sich: Nein, danke. Für dieses Problem gibt es noch kein ausreichendes Bewusstsein.

Herr Dr. Lassen, vielen Dank für das kurze Interview.