Pressemitteilungen aus Schleswig-Holstein

Medizinisch nicht erklärbare regionale Unterschiede: Ausgaben und Verordnungen für Physio- und Ergotherapie in Schleswig-Holstein überdurchschnittlich

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Kiel, 11. September 2019 – Physiotherapie wird den Schleswig-Holsteinern häufiger verordnet als im Bundesdurchschnitt. 12,0 Prozent mehr Verordnungen schlagen zudem auch auf der Ausgabenseite zu Buche: Die Ausgaben für Physiotherapie lagen mit 73,32 Euro je Versichertem um 7,3 Prozent höher als im Bundesmittel. Insgesamt sind die regionalen Unterschiede erheblich: Während sich die Physiotherapiekosten je Barmer-Versicherten im Jahr 2017 in Bremen auf 54,74 Euro beliefen, waren sie in Berlin mit 89,45 Euro um 63 Prozent höher. Bundesweit betrugen die Kosten je Barmer-Versicherten 68,33 Euro. Das geht aus dem aktuellen Barmer-Heil- und Hilfsmittelreport hervor. „Die regionalen Unterschiede bei der Physiotherapie sind rein medizinisch nicht erklärbar. Das unterschiedliche Verordnungsverhalten der Ärztinnen und Ärzte oder verschiedenartige Angebotsstrukturen könnten dabei eine zentrale Rolle spielen“, sagt Dr.--Doktor Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer für Schleswig-Holstein. Nur mit weiteren Analysen könnten die Ursachen der Kosten- und Verordnungsdifferenzen bei Krankengymnastik, Lymphdrainagen und Massagen näher durchleuchtet werden. Dies sei auch deshalb erforderlich, da rund Dreiviertel aller Heilmittelkosten auf die Physiotherapie entfielen.

Ergotherapie-Kosten variieren um mehr als 100 Prozent je nach Region

Auch die Ausgaben für Ergotherapie variieren laut Report je Barmer-Versicherten deutlich – zwischen 9,02 Euro in Bremen und 19,14 Euro in Sachsen. Das entspricht einem Unterschied von 112 Prozent. In Schleswig-Holstein betrugen die Ausgaben je Versichertem 15,01 Euro und lagen damit um 7,5 Prozent über dem Bundesdurchschnitt. Deutliche regionale Unterschiede weisen dabei auch die Verordnungshäufigkeiten auf, je 100 Versicherten zwischen 2,4 in Bremen, 4,1 in Schleswig-Holstein und 4,6 in Berlin. In Schleswig-Holstein wurden damit 13,4 Prozent mehr Verordnungen für Ergotherapie ausgestellt, als im Bundesmittel. Wie zudem aus dem Barmer-Report hervorgeht, steigt der Bedarf an der Versorgung mit Heilmitteln generell mit dem Lebensalter stetig an. Der entgegengesetzte Trend zeigt sich jedoch bei der Ergotherapie. Hier bekommen fünf- bis neunjährige Jungen mit Abstand die meisten Leistungen und dazu zweieinhalbfach häufiger als gleichaltrige Mädchen, die bei der Barmer versichert waren. „Die Ergotherapie hilft offenbar, Defizite in der kindlichen Entwicklung auszugleichen, die bei Jungen besonders ausgeprägt sind“, so Hillebrandt. Warum vor allem Jungen ergotherapeutische Leistungen erhielten, sei ebenso eine Frage für weitere Analysen wie die regionalen Kostenunterschiede.

Weiter Steigende Ausgaben erwartet

Auch in Zukunft werden die Kosten der Heilmittelversorgung weiter ansteigen. „Die Ausgaben der Krankenkassen für Heilmittel sind im Jahr 2018 bereits um über 15 Prozent gestiegen und haben im ersten Halbjahr 2019 erneut um rund 13 Prozent zugelegt. Und sie werden durch gesetzgeberische Maßnahmen weiter in die Höhe gehen“, sagt Hillebrandt. Denn seit dem 01. Juli 2019 greife die Regelung des Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), wonach die Vergütungen für Therapeuten im Heilmittelbereich auf dem bundesweit höchsten Niveau vereinheitlicht worden sind. Hinzu komme die mit dem Gesetz gleichfalls vorgenommene dauerhafte Loslösung der Therapeutenvergütungen von der sogenannten Grundlohnsteigerung. Dieses Prinzip soll eigentlich dafür sorgen, dass Leistungsausgaben in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht schneller steigen als die Löhne und Gehälter. „Die Zukunft wird zeigen, ob die Vergütungserhöhungen der Vergangenheit sowie die gesetzlich geplanten Anhebungen zu steigenden Arbeitsentgelten der angestellten Therapeuten führen. Nur so würden sie dem von den Leistungserbringern beklagten Fachkräftemangel entgegenwirken“, sagt der Barmer-Landeschef. Damit könnten dann auch die Patientinnen und Patienten von den Mehrausgaben der Kassen profitieren.