Kiel, 3. Februar 2025 – In Schleswig-Holstein benötigen Menschen zunehmend länger Pflege. Die durchschnittliche Pflegedauer wird in den kommenden Jahren stark ansteigen, ebenso die Kosten pro Pflegebedürftigem. Diese alarmierenden Ergebnisse zeigt der aktuelle Barmer-Pflegereport. So stieg im Zeitraum von 2017 bis 2023 die Zahl der Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein um fast 61 Prozent. „Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 und der Wechsel von Pflegestufen zu Pflegegraden senkten die Hürden für Leistungen der Pflegeversicherung und erhöhten die Zahl der Pflegebedürftigen. Gleichzeitig stiegen die Gehälter der Pflegekräfte und die Personalschlüssel in der stationären Pflege wurden verbessert. Diese Maßnahmen sind zwar sinnvoll, treiben aber die Pflegekosten in die Höhe“, erklärt Dr. Bernd Hillebrandt, Landesgeschäftsführer der Barmer in Schleswig-Holstein.
Zukünftiger Pflegebedarf in Schleswig-Holstein
2023 kamen laut Barmer-Pflegereport hierzulande über 40.000 neue Pflegebedürftige hinzu. „Im Jahr 2023 waren in Schleswig-Holstein mehr als 168.000 Menschen pflegebedürftig, davon mit 70.000 die meisten in Pflegegrad 2. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der Pflegebedürftigen nach unseren Vorausberechnungen auf etwa 238.000 steigen“, sagt Hillebrandt. Zur Versorgung dieser Menschen werden rund 8.000 zusätzliche Pflegefachkräfte benötigt.
Dramatische Verlängerung der Pflegedauer
Der Pflegereport zeigt, dass sich die Pflegedauer erheblich verlängern wird. 2022 lag sie bei Verstorbenen im Schnitt bei 3,8 Jahren. Bei aktuell Pflegebedürftigen wird sie in Schleswig-Holstein auf 6,9 Jahre steigen. „Die längere Pflegedauer liegt weniger am medizinischen Fortschritt, sondern an der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs 2017. Viele Menschen erhielten erstmals Leistungen, die zuvor keinen Anspruch hatten“, erläutert Hillebrandt.
Pflegegeld ist führende Pflegeleistung
Immer mehr Pflegebedürftige in Schleswig-Holstein beziehen Pflegegeld für die Betreuung zu Hause. Zwischen 2017 und 2023 stieg die Zahl der Pflegegeldempfänger um 70 Prozent auf 71.500 Personen. Besonders stark war der Anstieg bei Pflegegrad 2 mit fast 81 Prozent. „Keine andere Pflegeleistung wächst so stark wie das Pflegegeld“, sagt Hillebrandt. Es zeige, dass viele Menschen zu Hause gepflegt werden. „Das Pflegegeld kann flexibel genutzt und mit anderen Leistungen kombiniert werden, um die Versorgung durch Angehörige, Nachbarn oder Freunde zu sichern“, erklärt Hillebrandt.
Trend zur früheren Pflegeheimunterbringung
In Schleswig-Holstein entscheiden sich immer mehr Menschen mit Pflegegrad 2 frühzeitig für ein Pflegeheim. Die Zahl der vollstationär betreuten Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 2 stieg zwischen 2017 und 2023 um 23 Prozent auf 8.330 Personen. Bei Pflegegrad 3 stieg die Zahl um 34 Prozent auf 12.000. „Auch Menschen mit moderatem Pflegebedarf bevorzugen zunehmend Pflegeheime. Gründe sind oft die Entfernung der Angehörigen oder komplexe Bedürfnisse, die zu Hause schwer zu betreuen sind“, sagt Hillebrandt. 21,9 Prozent der Pflegebedürftigen in Schleswig-Holstein leben in Pflegeheimen, deutlich mehr als im Bundesdurchschnitt von 16,0 Prozent.
Steigende Eigenanteile belasten Pflegebedürftige
In den Jahren 2022 und 2023 stieg die Zahl der Dauerpflegeplätze in Schleswig-Holstein erheblich an. Diese Entwicklung geht mit steigenden Pflegekosten einher. Die Eigenbeteiligung für Pflegeheime in Schleswig-Holstein stieg zwischen 2018 und 2024 um 76 Prozent auf durchschnittlich 2.633 Euro. Die Kostensteigerungen resultieren unter anderem aus Tariflohnerhöhungen für Pflegekräfte. „Damit Pflege in Schleswig-Holstein bezahlbar bleibt, muss die Landesregierung die Investitionskosten für Pflegeheime übernehmen. Das könnte Pflegebedürftigen über 500 Euro im Monat sparen“, so Hillebrandt.
Zunehmend hybride Pflegemodelle
Teilstationäre Pflegeangebote werden in Schleswig-Holstein immer beliebter. Pflegebedürftige verbringen bestimmte Tageszeiten im Pflegeheim und den Rest zu Hause. Die Zahl der teilstationär Versorgten stieg zwischen 2017 und 2023 um 62 Prozent auf 6.900 Personen. Besonders häufig nutzen Menschen mit Pflegegrad 3 diese Form der Betreuung. Ihre Zahl stieg im gleichen Zeitraum um 75 Prozent von 57 auf 100 je 100.0000 Einwohnerinnen und Einwohner. „Teilstationäre Pflegeangebote erhalten das häusliche Umfeld als festen Bezugspunkt. Oft übernimmt das Pflegeheim die Betreuung, während Angehörige arbeiten“, sagt Hillebrandt. Das eigene Zuhause gewinnt an Bedeutung, weshalb die Versorgung oft mit verschiedenen Pflegeleistungen kombiniert wird. Die Zahl der Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 3, die von ambulanten Pflegediensten zu Hause versorgt werden, stieg zwischen 2017 und 2023 um 35 Prozent.
Hintergrund:
Datengrundlage und Methode
Der Barmer-Pflegereport 2024 basiert auf Barmer-Abrechnungsdaten aus den Jahren 2017–2023. Alle Angaben wurden standardisiert/hochgerechnet basierend auf Angaben des Statistischen Bundesamtes zur Bevölkerung in Bundesländern nach Geschlecht und Altersgruppen im jeweiligen Jahr. Die Daten erhalten deshalb Bevölkerungsrepräsentativität über das Maß reiner Kassendaten hinaus.
Weitere Recherchemöglichkeiten sowie Angaben zur Methode und Datengrundlage finden Sie unter:
https://www.bifg.de/publikationen/reporte/pflegereport-2024
Quellen:
https://www.bifg.de/publikationen/reporte/pflegereport/projektion-des-pflegepersonalbedarfs-bis-2060
https://www.bifg.de/publikationen/reporte/pflegereport/projektion-der-zahl-der-pflegebeduerftigen-bis-2060
Weitere Informationen zu den Pflegeleistungen der Barmer unter:
www.barmer.de/pflege
Konkrete Informationen zu Pflegeeinrichtungen und Pflegekosten in Schleswig-Holstein bietet der Barmer-Pflegelotse:
www.barmer.de/pflegelotse
Durchschnittliche Angaben zu den Pflegekosten in Schleswig-Holstein basieren auf den Datenerfassungen des Verbands der Ersatzkassen e. V. (vdek) und werden in der folgenden interaktiven Grafik übersichtlich dargestellt:
Heimentgelt in der stationären Pflege – bifg
vdek-Basisdaten des Gesundheitswesens 2024 (pdf-Datei)