Viele farbige Tabletten liegen auf einem Haufen auf einem Tisch
Pressemitteilungen 2023

Helfende Medikamente, die im Cocktail schaden - Arzneimitteltherapie zu komplex, nur digital beherrschbar

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Dresden/Leipzig, 13. Februar 2023 – Wer in Sachsen lebt und älter als 40 Jahre ist, erhält binnen zehn Jahren im Schnitt 36 verschiedene Diagnosen, 80 Rezepte und 125 Arzneimittelpackungen. Durchschnittlich 20 Ärztinnen und Ärzten sowie fünf verschiedene Apotheken sind in diesem Zeitraum an der Versorgung beteiligt, hinzu kommen im Schnitt zwei Krankenhausaufenthalte. Das geht aus dem aktuellen Arzneimittelreport der BARMER hervor. Weil diese Komplexität der Versorgung zahlreiche Risiken birgt, fordert die Krankenkasse das konsequente Einbeziehen von Abrechnungsdaten in Behandlungsprozesse und hat dafür digitale Lösungen entwickelt. „Beim Verordnen von Medikamenten sind verschiedenste Informationen relevant, trotzdem stehen sie Ärztinnen und Ärzten nur selten vollständig und ohne Zeitverzögerung zur Verfügung“, sagt Dr. Fabian Magerl, Landesgeschäftsführer der BARMER Sachsen. Eine wirklich sichere Arzneimitteltherapie könne nur durch digitale Unterstützung gelingen. 

Digitalisierung ist kein Selbstzweck

„Für Ärztinnen und Ärzte ist es kaum möglich, angesichts der Komplexität der Arzneimitteltherapie den Überblick zu behalten und Medikationsrisiken einzuschätzen. Um alles zu dokumentieren, ist eine digitale Unterstützung unabdingbar“, so der BARMER-Landeschef weiter. Dabei sei die Digitalisierung kein Selbstzweck, sondern müsse einen Beitrag dazu leisten, dass die Ziele der Behandlung besser und sicherer erreicht werden. Wie das gelingen kann, zeigen drei im Arzneimittelreport der BARMER beschriebene Innovationsfondsprojekte. Anhand dieser ist ein Idealprozess der Arzneimitteltherapie entwickelt und implementiert worden, der im Vergleich zur heutigen Regelversorgung mehr Sicherheit für Patientinnen und Patienten bietet und zugleich Arztpraxen und Apotheken die Arbeit erleichtert. Dabei werden Abrechnungsdaten, beispielsweise zur Vorgeschichte und Gesamtmedikation, genutzt, um Verordnungen elektronisch auf vermeidbare Risiken zu prüfen. Zudem werden mögliche Informationsdefizite beim Übergang zwischen ambulanter und stationärer Behandlung vermieden und die Arzneimitteltherapiesicherheit mit Hilfe des elektronischen Rezepts kontinuierlich gewährleistet. 

Medikationsplan immer aktuell und verfügbar

„Es macht Therapie-Entscheidungen und die pharmazeutische Beratung sicherer und besser, wenn es jeder Arztpraxis und jeder Apotheke stets möglich wäre, Einsicht in einen aktuellen und vollständigen Medikationsplan zu erhalten“, sagt Fabian Magerl. Jedoch dürfe dabei kein zusätzlicher Aufwand für die Leistungserbringenden oder die Patientinnen und Patienten entstehen. Damit das möglich ist, entwickle die BARMER in dem Projekt eRIKA das elektronische Rezept weiter. Darin werden die Daten aus elektronischen Verordnungen zusammengeführt mit Daten, die bei der Abgabe von Medikamenten in der Apotheke entstehen. Es wird automatisiert ein stets aktueller Medikationsplan generiert und mit Hilfe des elektronischen Rezepts der notwendige Informationsaustausch gewährleistet.

Keine Informationsbrüche bei Krankenhausaufnahme

„Wenn ein aktueller Medikationsplan stets verfügbar ist, kann das Leben retten“, sagt Fabian Magerl. Das gelte insbesondere bei Aufnahme in ein Krankenhaus und bei Notfällen. Bisher sei allerdings nicht gewährleistet, dass notwendige Informationen sicher und ohne Zeitverzug zur Verfügung stehen. Die BARMER erprobe deshalb in einem weiteren Projekt TOP das Vermeiden von Informationsbrüchen zwischen ambulantem und stationärem Sektor. Es steht für „Transsektorale Optimierung der Patientensicherheit“.  „Alle behandelnden Ärztinnen und Ärzte bekommen die bei der BARMER gespeicherten Abrechnungsdaten zur Verfügung gestellt und erhalten so wichtige Kenntnisse zur Gesundheitshistorie der Patienten, sofern diese ihr Einverständnis gegeben haben. So können notwendige Behandlungen schneller und sicherer veranlasst werden“, beschreibt Sachsens BARMER-Chef das Projekt. Das Besondere sei die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen arztunterstützenden Krankenhausapothekerinnen und -apothekern sowie den behandelnden Ärztinnen und Ärzten. 

Weniger Todesfälle

„Ohne vollständige Kenntnis der aktuellen Medikation und Vorgeschichte der Patientinnen und Patienten wird die Arzneimitteltherapie zu einem unkalkulierbaren Risiko“, hält Fabian Magerl fest. Dass digitale Lösungen notwendig und sinnvoll sind, wenn sie richtig umgesetzt werden, stehe außer Frage. Den Beweis dafür liefere bereits das dritte Innovationsfondsprojekt der BARMER namens AdAM -Anwendung für ein digital unterstütztes Arzneimitteltherapie-Management. „Mit AdAM. wurde erstmals nachgewiesen, dass die Nutzung von Routinedaten der Krankenkasse eine bessere Behandlung von Patienten ermöglicht und sogar Todesfälle vermeiden kann“, so der BARMER-Landeschef. Durch das strukturierte und automatisierte Nutzbarmachen der behandlungsrelevanten Abrechnungsdaten würden Ärztinnen und Ärzte in ihren Therapie-Entscheidungen und beim Prüfen von Verordnungen auf vermeidbare Risiken elektronisch unterstützt, ohne dass ihnen dabei zusätzlicher Aufwand entsteht. 

Politischer Wille und Akzeptanz

„Angesichts der Fülle der zu beachtenden Daten immer die bestmögliche Medikamententherapie zu verordnen, ist mit den bisherigen Prozessen der Routineversorgung kaum möglich. Krankenkassendaten sind so offensichtlich nutzenstiftend, dass sie für eine sichere und effektivere Versorgung angewendet werden müssen“, sagt Fabian Magerl abschließend. Er wünsche sich in Sachsen eine aktive Diskussion in Politik und Gesundheitswesen, um aus gemeinschaftlicher Überzeugung Fortschritte zu erzielen für die Versorgung der Menschen im Land. Die inhaltliche Komplexität der Arzneimitteltherapie sei nur digital zu beherrschen. Damit das gelingen kann, habe die BARMER einen Idealprozess implementiert. Um diesen in die Regelversorgung zu überführen brauche es neben politischem Willen und Akzeptanz bei Leistungserbringenden auch standardisierte Schnittstellen zwischen Praxis- und Krankenhaussoftware sowie eine Erweiterung der Zweckbestimmung der Abrechnungsdaten der Krankenkasse zur Unterstützung von Behandlungsprozessen.

Bild Grafik Hochverbraucher

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