In der Prävention kommt der Arbeit auf kommunaler Ebene eine besondere Bedeutung zu. In den Landkreisen, Gemeinden und Städten kann man viele Akteure erreichen und vernetzen – von Kitas und Schulen über die Jugend- und Sozialarbeit bis hin zu Arbeitgebern und Gesundheitseinrichtungen. Mit Dr. Silke Koerth-Bauer, Kinderärztin am Gesundheitsamt Jerichower Land, sprach die Barmer deswegen über die Bedeutung von Prävention im Landkreis, den Personalmangel im Öffentlichen Gesundheitsdienst und Impfquoten.
Welche Rolle spielt die Prävention im Jerichower Land?
"Der Gesundheitsvorsorge in unserem Landkreis kommt eine immer größere Bedeutung zu. Das liegt auch daran, dass wir seit Mai des vergangenen Jahres eine Kollegin einstellen konnten, die sich ausschließlich dem Thema Prävention widmet. Sie koordiniert die Gesundheitsvorsorge, berät Einrichtungen, gewinnt Multiplikatoren und plant Projekte."
Welche Präventionsprojekte gibt es aktuell im Jerichower Land?
"Wir beschäftigen uns unter anderem mit dem Thema Sucht und arbeiten dabei eng mit den Beratungsstellen in Burg zusammen. Mit Schülerinnen und Schülern der achten Klassen veranstalten wir demnächst ein Planspiel. Dabei bekommen die Jugendlichen verschiedene Rollen zugeteilt, in die sie schlüpfen müssen. Die Szenarien, in die sie sich dabei versetzen, laufen darauf hinaus, dass sie zum Teil mit der Polizei in Kontakt treten und eine Suchtberatungsstelle in ihrer Nähe besuchen, bei der sie sich zu spezifischen Themen, wie beispielsweise Cannabis- oder Alkoholkonsum informieren. Außerdem planen wir gerade das Projekt 'Iss dich fit'."
Worum soll es bei dem Ernährungsprojekt genau gehen?
"Gemeinsam mit einem Caterer aus Genthin arbeiten wir daran, dass das Schulessen noch gesünder und ausgewogener wird. Eine Ernährungsberaterin soll einbezogen werden. Auch Kochaktionen mit Kindern sind in Planung, um noch stärker für das Thema Ernährung zu sensibilisieren. Der Caterer wiederum möchte einen weiteren Fokus auf Nachhaltigkeit legen und stärker auf regionale Produkte setzen."
Viele Infektionskrankheiten lassen sich durch Schutzimpfungen verhindern beziehungsweise das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf lässt sich vermindern. Welche Rolle spielen Impfungen bei Ihrer Arbeit?
"Wir selbst impfen nicht, weil wir personell nicht darauf ausgelegt sind. Impfungen spielen aber in unserer täglichen Arbeit eine große Rolle. Wir weisen in den Reihenuntersuchungen immer wieder darauf hin und informieren. Die Sechstklässlerinnen und Sechstklässler klären wir beispielsweise über die Impfung gegen Humane Papillomviren auf. Der Landkreis Jerichower Land hat neben der Börde und Frankfurt (Oder) mit 75,6 Prozent die höchsten Impfquoten bundesweit. Das zeigen Zahlen des Zentralinstituts kassenärztliche Versorgung."
Bei den Schuleingangsuntersuchungen geht es darum, mögliche Krankheiten oder Fehlentwicklungen zu erkennen und entsprechende Förderangebote einzuleiten. In einigen Landkreisen gestalteten sich die Untersuchungen im letzten Jahr schwierig. Wie war das bei Ihnen?
"Die Schuleingangsuntersuchungen haben bei uns oberste Priorität. Deshalb wurde auch bei jedem Kind aus dem Jerichower Land eine Untersuchung durchgeführt. Allerdings können auch wir bestätigen, dass die Untersuchungen einen immer größeren Zeitraum beanspruchen, weil die Schülerzahlen steigen. Bei anderen Reihenuntersuchungen mussten wir daher Abstriche machen."
In vielen Gesundheitsämtern sind die Untersuchungen am Personalmangel gescheitert. Welche Rolle spielt der Fachkräftemangel bei Ihnen?
"Tatsächlich können wir uns aktuell nicht beklagen. Ab 1. Juli können wir nach jahrelanger Suche einen neuen Kollegen im Gesundheitsamt begrüßen. Wenn ich mich in der Runde der Kinderärztinnen und -ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Sachsen-Anhalt umschaue, sehe ich auch schon viele junge und neue Gesichter. Aber es stimmt schon, dass sich die Suche nach Medizinerinnen und Medizinern in einigen Landkreisen schwierig gestaltet und beispielsweise auch Amtsarzt-Posten unbesetzt sind."
Gewinnt eine Anstellung im Öffentlichen Gesundheitsdienst nicht aktuell an Attraktivität, weil immer weniger Ärzte eine eigene Praxis verantworten wollen?
"Es wäre schön, wenn das die Konsequenz wäre. Eine Anstellung im Gesundheitsamt hat seine Vor- und Nachteile. Es kommt darauf an, was man als Mediziner möchte. Finanziell betrachtet sind wir vielleicht nicht ganz so attraktiv. Dafür sind die Rahmenbedingungen durch die geregelten Arbeitszeiten bei uns familienfreundlicher. Ich glaube, dass es letztlich an der Bekanntheit hapert. Als ich Medizinstudentin war, ist mir der Öffentliche Gesundheitsdienst jedenfalls nicht als Option in den Sinn gekommen."
Welche Rolle spielen zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen im Jerichower Land?
"Hier arbeiten wir mit Honorarärztinnen und -ärzten zusammen. Prophylaxemaßnahmen werden durch die Zahnarzthelferinnen und -helfer abgedeckt. Hier liegen wir ähnlich der Impfungen über den Werten anderer Landkreise in Sachsen-Anhalt. Mit der Gruppenprophylaxe haben wir in den Jahren 2022 und 2023 rund 81 Prozent der Kita-Kinder erreicht. Der Durchschnitt für Sachsen-Anhalt liegt bei 64 Prozent. Von den Grundschulkindern konnten wir 95 Prozent abdecken, von den Schülerinnen und Schülern der weiterführenden Schulen waren es 90 Prozent."