Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland, zum Reformbedarf im deutschen Gesundheitswesen.
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Auf den Reformbedarf im Gesundheitswesen machen Expertinnen und Experten seit vielen Jahren aufmerksam. Vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage, der steigenden Kosten der Gesundheitsversorgung und einhergehender Beitragssatzsteigerungen, des demografischen Wandels und des sich gleichzeitig verschärfenden Fachkräftemangels wächst der Druck auf die neue Bundesregierung, Strukturreformen jetzt auf den Weg zu bringen. Aus Sicht der Barmer braucht es im Ergebnis verlässliche Strukturen, klare Wege für Patientinnen und Patienten sowie saubere Zuständigkeiten zwischen Land und Bund.
Die Finanzierungsfrage ist grundlegend, auch im Verhältnis von gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Beiträge sind für Leistungen da, staatliche Aufgaben müssen aus Steuern finanziert werden. Wir brauchen eine faire und belastbare Ordnung zwischen beiden Systemen, damit Risiken ausgewogen getragen werden und die Finanzierung der Vorsorge verlässlich bleibt. Wir unterstützen, dass diese Linie klar gezogen und dauerhaft gesichert wird.
Krankenhäuser: Es braucht Planungssicherheit
Strukturen entscheiden über Qualität und Erreichbarkeit. Im Krankenhausbereich müssen Kapazitäten dort gebündelt, Spezialisierung gestärkt und Doppelstrukturen abgebaut werden, wo es medizinisch geboten ist. Die Krankenhausplanung liegt im Land und genau hier braucht es Planungssicherheit. Das Land muss seiner Investitionspflicht bei der Klinikstruktur und -austattung verlässlich nachkommen, ausreichend, regelmäßig und planbar. Beitragsmittel sind für die Sicherung von Leistungen da, Vorhaltungen und Bau sind öffentliche Aufgaben.
Medizinische Versorgung muss konsequent ambulant gedacht werden. Leistungen, die ambulant sicher möglich sind, gehören dorthin. Das verlangt eine sektorenübergreifende, landesweit abgestimmte Bedarfsplanung und Kooperationen, die Krankenhäuser, Praxen und Reha sinnvoll verzahnen. Ein transparenter Ordnungsrahmen für Medizinische Versorgungszentren erhält Trägervielfalt und verhindert Monopole. Diese Ordnung muss im Land gestaltet werden. Sie schafft Verlässlichkeit in der Fläche und entlastet Patientinnen und Patienten sowie Beiträge zur Krankenversicherung.
Digitalisierung ist kein Beiwerk
Patientensteuerung entscheidet, ob Menschen ohne Umwege in die passende Versorgungsebene kommen. Was wir brauchen: Standardisierte Ersteinschätzung, verbindliche Behandlungspfade und ein abgestimmtes Zusammenspiel von Bereitschaftsdienst, Notaufnahmen und Rettungsdienst bringen Patientinnen und Patienten an die richtige Tür. Die operative Ordnung von Leitstellen, Schnittstellen und Vorhaltung ist Landesaufgabe. Fragen, die Bundesrecht betreffen – etwa die Einbindung des Rettungsdienstes ins fünfte Sozialgesetzbuch – gehören auf Bundesebene.
Digitalisierung ist Voraussetzung, nicht Beiwerk. Die elektronische Patientenakte muss zur zentralen Anwendung in allen Sektoren werden und alle Leistungserbringer gehören an die Telematikinfrastruktur. Telemedizin gehört in den Alltag, gerade in ländlichen Räumen. Die Länder können die Anbindung ihrer Einrichtung beschleunigen, landesweite Umsetzungsfahrpläne setzen und digitale Prozesse zum Standard machen. Bundesweit braucht es verlässliche Rahmen und eine einheitliche Terminplattform.
Pflege: ambulant vor stationär
Ohne Fachkräfte gelingt keine Reform. Länder haben unmittelbare Hebel: Ausbildungskapazitäten und Praxisanleitung ausbauen, Qualifikationen für erweiterte Aufgabenprofile fördern, Anerkennungsverfahren beschleunigen und Bürokratie in den Einrichtungen spürbar reduzieren. Gute Organisation und digitale Unterstützung können dafür sorgen, dass Zeit bei den Patientinnen und Patienten ankommt und Teams entlastet werden. Bundesrechtlich müssen erweiterte Kompetenzen rechtssicher verankert werden.
Ob Reformen bei den Menschen ankommen, zeigt die Pflege. Ambulant vor stationär gilt hier besonders. Was zu tun ist: Tages- und Kurzzeitpflege gezielt ausbauen, Bedarf regelmäßig erheben und fördern, Investitionen verlässlich absichern, Beratung vor Ort stärken. Die Vision: Digitale Dokumentation, sichere Medikationsprozesse und telepflegerische Angebote sichern Versorgung in der Fläche. In der Finanzarchitektur unterstützen wir auf Bundesebene einen verlässlichen Zuschuss und einen solidarischen Ausgleich zwischen sozialer und privater Pflegeversicherung.