Michael Ebling (SPD) ist seit dem Jahr 2022 rheinland-pfälzischer Innenminister und in dieser Funktion unter anderem für den Rettungsdienst zuständig. Die Redaktion der STANDORTinfo hat ihn zu den Herausforderungen bei der Weiterentwicklung des Rettungsdienstes in Rheinland-Pfalz befragt.
Sie sind seit knapp zwei Jahren Innenminister des Landes Rheinland-Pfalz. Was war aus Ihrer Sicht der wichtigste politische Impuls im Bereich Rettungswesen, den Sie setzen konnten?
Der wichtigste Impuls war der Start des Pilotprojekts Telenotärztin beziehungsweise Telenotarzt, kurz TNA, an der BG-Klinik Ludwigshafen im Juli 2023 und die derzeit begonnene landesweite Umsetzung. Diese soll bis Ende des dritten Quartals 2025 abgeschlossen sein. Das Projekt stellt eine bedeutende Weiterentwicklung des Rettungsdienstes dar. Es entlastet die Notärztinnen und Notärzte und stärkt das Kompetenzniveau der Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter. Diese dürfen auf Basis des Notfallsanitätergesetzes erlernte und beherrschte heilkundliche Maßnahmen bis zur notärztlichen oder telenotärztlichen Weiterbehandlung durchführen. Dazu haben wir in Rheinland-Pfalz in einem strukturierten Prozess landeseinheitliche Behandlungsalgorithmen etabliert. In Fällen, in denen keine Maßnahmen durch den Notarzt vor Ort erforderlich sind, kann der Rettungswagen stattdessen auf den Telenotarzt zurückgreifen. Dadurch wird die Verfügbarkeit von Notärztinnen und Notärzten für Fälle verbessert, bei denen eine Behandlung vor Ort notwendig ist.
Vor rund einem Jahr ist das Pilotprojekt Telenotarzt in Rheinland-Pfalz gestartet. Welche Erkenntnisse gibt es inzwischen aus dem Projekt?
Das Telenotarztsystem in Rheinland-Pfalz wurde im Juli 2023 als Pilotprojekt an der BG Klinik Ludwigshafen gestartet. In der ersten Phase erfolgten die operative Erprobung der Technik und der Aufbau von Ausbildungsstrukturen für die TNA in Rheinland-Pfalz. Bereits in der vor-operativen Phase hatten die Leistungserbringer im Rettungsdienst in Abstimmung mit den Kostenträgern die technischen Voraussetzungen für die telemetrische Anbindung aller Notfallrettungsmittel in Rheinland-Pfalz geschaffen. In der zweiten Phase wurden zusammen mit den Leistungserbringern Schulungs- und Einweisungskonzepte für die Besatzungen der Rettungswagen entwickelt, die auch für die landesweite Ausrollung geeignet sind. Auf Basis der Erkenntnisse und Entwicklungen aus dem Pilotprojekt wurde im Sommer 2024 die landesweite Umsetzung des Systems und der Aufbau weiterer TNA-Standorte gestartet. Ziel ist, dass im dritten Quartal 2025 alle Fahrzeuge der Notfallrettung mit einer Telenotärztin oder einem Telenotarzt in Kontakt treten können.
In Rheinland-Pfalz bringt der Rettungsdienst Schlaganfallpatientinnen und -patienten teils in Kliniken ohne spezialisierte Schlaganfallstationen, wodurch diese Patientinnen und Patienten mitunter nicht optimal behandelt werden können. Die Barmer fordert daher zum Beispiel für Schlaganfälle Zuweisungskonzepte, durch die Patientinnen und Patienten im Notfall vom Rettungsdienst genau in die Klinik transportiert werden, in der sie am besten behandelt werden können. Woran liegt es, dass es solche Konzepte noch nicht in Rheinland-Pfalz gibt?
In Rheinland-Pfalz ist seit dem Jahr 2012 der webbasierte zentrale landesweite Behandlungskapazitätennachweis, kurz ZLB, etabliert. In diesem System hinterlegen die Krankenhäuser ihre aktuellen Kapazitäten für die Zuweisung durch den Rettungsdienst. Dies gilt auch für die Akutdiagnose Schlaganfall, um die nächstverfügbare erforderliche Behandlungsmöglichkeit zu identifizieren. Gemäß dem Rettungsdienstgesetz erfolgt der Transport in die nächstgelegene, geeignete Behandlungseinrichtung. Der Rettungsdienst gewährleistet dies durch die ZLB-Abfrage akuter Schlaganfall. Eine Überprüfung von 7.756 Einsatzprotokollen der landeseinheitlichen Einsatzdokumentation durch die gemeinsame Geschäftsstelle Qualitätssicherung im Rettungsdienst bestätigt die entsprechende korrekte Zuweisung.
In Rheinland-Pfalz werden Patientinnen und Patienten teils unnötig vom Rettungsdienst in die Notaufnahmen der Kliniken gebracht, was einer mangelnden Abstimmung zwischen Rettungsdienst und dem Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung liegt. Im Saarland begegnet man diesem Problem mit einer integrierten Leitstelle, die bei Anrufen prüft, ob der kassenärztliche Notfalldienst zu informieren oder ein Transport per Rettungsfahrzeug ins Krankenhaus nötig ist. Warum fehlt so eine Lösung in Rheinland-Pfalz?
Ausschlaggebend für die Entscheidung, bei einem Notruf ein Notfallrettungsmittel einzusetzen, ist allein das geschilderte Meldebild. Bei einem medizinischen Notfall setzt die Disponentin beziehungsweise der Disponent, in Rheinland-Pfalz mit der Qualifikation Notfallsanitäterin oder Notfallsanitäter, ein Notfallrettungsmittel ein. Handelt es sich nicht um einen Notfall, wird der Anruf an die 116117, den kassenärztlichen Bereitschaftsdienst, weitergeleitet. Der Erfolg hängt jedoch von der Verfügbarkeit der dortigen Ressourcen ab. Umgekehrt werden auch regelmäßig Notfalleinsätze von der 116117 an die 112, die integrierte Leitstelle, kurz ILS, übergeben. Die Ansprechpartner der ILS und der 116117 in Rheinland-Pfalz sowie das zuständige Fachreferat meines Hauses stehen in regelmäßigem Austausch. Dabei wurden klare Kommunikationswege und Prozesse für diese Einsatzübergabe definiert. Unser gemeinsames Ziel ist die Vernetzung mit digitaler Einsatzübergabe, was jedoch auch vom Ergebnis des aktuellen Gesetzgebungsverfahrens zur Reform der Notfallversorgung abhängt.