STANDORTinfo für Rheinland-Pfalz und Saarland

"Die Krankenhauslandschaft muss aktiv weiterentwickelt werden"

Lesedauer unter 3 Minuten

Seit rund vier Monaten regiert die SPD das Saarland allein. Genau so lang ist Bettina Altesleben Staatssekretärin im saarländischen Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit. Die Redaktion der STANDORTinfo sprach mit ihr über aktuelle gesundheitspolitische Themen.

Bettina Altesleben vor einer weißen Wand.

Bettina Altesleben. Foto: Oliver Dietze

Die Bundesregierung hat mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz einen Sparkurs eingeschlagen. Inwieweit hat dies Auswirkungen auf die politischen Vorhaben des saarländischen Gesundheitsministeriums?

Wir unterstützen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, sehen allerdings im Kabinettsentwurfs des Bundes noch Änderungsbedarf. Die Eckpunkte des Entwurfs sind geeignet, um wesentliche Einsparpotenziale freizulegen und eine Finanzierung des GKV-Systems kurzfristig sicherzustellen. Hinsichtlich der strukturellen Probleme sind die enthaltenen Maßnahmen im Detail allerdings nicht nachhaltig angelegt. Vor allem die Zusatzbelastungen im ANMOG-Reformbereich sowie die steigenden Herstellerbeiträge könnten sich beispielsweise negativ auf die Innovationskraft der Pharmabranche auswirken. Außerdem soll vorgegeben werden, dass ab 2024 nur noch Pflegepersonalkosten qualifizierter Pflegekräfte in der unmittelbaren Patientenversorgung auf betten-führenden Stationen im Pflegebudget berücksichtigt werden können. Die Regelung würde bedeuten, dass weitere in der Pflege tätige Berufsgruppen nicht wie bisher zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern vereinbart berücksichtigt werden dürfen. Hierdurch würden 20.000 Stellen in der Pflege im Krankenhaus gefährdet, weil diese Mitarbeitenden nicht mehr über das Pflegebudget finanziert würden. Das kann und darf nicht sein.

Ihr Ministerium hat die Bekämpfung des Fachkräftemangels im Bereich Gesundheit und Pflege als wichtigstes Handlungsfeld beschrieben. Mit der tariforientierten Entlohnung und einer verbindlichen Personalbemessung sind bereits wichtige Verbesserungen in Sicht. Was sind aus Ihrer Sicht weitere dringliche Aufgaben?

Unser übergeordnetes Ziel ist, mit einer Konzertierten Aktion Pflege 4.000 zusätzliche Pflegekräfte bis 2030 zu akquirieren, um dem Pflegemangel aktiv entgegen zu wirken. Dies ist von zentraler Bedeutung, um die Arbeitsbedingungen mit einer bedarfsgerechten Personaldecke zu verbessern, geregelte Arbeitszeiten zu gewährleisten und mehr Handlungsmöglichkeiten zu schaffen. Hilfreiche Instrumente können hier beispielsweise neben der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland, die Rückgewinnung von ehemaligem Pflegepersonal sowie die Erhöhung der Ausbildungskapazitäten sein. Um unser Ziel zu erreichen, werden wir in unserem Haus auch eine Stabstelle Pflege einrichten. Außerdem wird es notwendig sein, Dialoge mit allen Akteuren wie Trägergesellschaften, Pflegeschulen, Gewerkschaften et cetera zu intensivieren. Denn Pflege kann nur gemeinsam zukunftsfähig gestaltet werden.

Die Digitalisierung birgt enorme Chancen, um die sektorenübergreifende Zusammenarbeit im Gesundheitswesen und die flächendeckende Sicherstellung der Versorgung zu unterstützen. Wie kann dieses Potenzial im Saarland gehoben werden?

Zentrales Ziel ist ein digitales Gesundheitssystem, das durch innovative Diagnostik, hohe Versorgungsqualität, Patientensicherheit, Nutzung von Präventivmedizin und vernetzte Gesundheitsdienstleister geprägt ist. Im Hinblick auf den demografischen Wandel spielt dabei der Einsatz telemedizinischer Diagnose- und Beratungsinstrumente eine wichtige Rolle. Ärztinnen und Ärzte sowie Pflegerinnen und Pfleger erhalten dadurch digitale Unterstützung und werden entlastet. Dadurch verbessert sich die Qualität für alle. Die Landesregierung möchte sich in diesem Zusammenhang insbesondere für den Einsatz elektronischer Gesundheitsakten einsetzen, die alle persönlichen Befunde und Verschreibungen, Laborergebnisse et cetera von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten umfassen, um die beste Diagnose und Nachsorge zu ermöglichen und Doppeluntersuchungen zu vermeiden.

Um die sektorenübergreifende Versorgung zu beschleunigen, bedarf es aus Sicht der Barmer einer gemeinsamen Planung und Vergütung von Leistungen, die sowohl ambulant wie stationär erbracht werden können. Wird sich das Saarland hier auf Bundesebene bei gesetzgeberischen Reforminitiativen entsprechend einbringen?

Der technische und medizinische Fortschritt ermöglicht, mehr Patientinnen und Patienten ambulant versorgen zu können. Übergeordnetes Ziel ist dabei für uns, das Saarland zu einem Standort mit modernem, bedarfsgerechtem und leistungsfähigem Gesundheitssystem weiterzuentwickeln. Dafür muss die Krankenhauslandschaft aktiv weiterentwickelt werden. Mit Blick auf den demographischen Wandel ist es aber auch von zentraler Bedeutung, die Gesundheitsversorgung in der Stadt und auf dem Land langfristig sicherzustellen. Ambulante medizinische Versorgungszentren können hier beispielsweise das bestehende Angebot ergänzen. Im Vordergrund steht in diesem Zusammenhang das Ziel einer effektiven, bedarfsorientierten Patientensteuerung. Diesen Ansatz werden wir auch bei der Mitwirkung auf bundespolitischer Ebene verfolgen.