Rund ein Jahr vor dem Ende der regulären Legislaturperiode hat die Redaktion der STANDORTinfo Sabine Bätzing-Lichtenthäler, Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie des Landes Rheinland-Pfalz, zu ihrem gesundheitspolitischen Zwischenfazit befragt.
Seit der Verabschiedung des aktuellen Krankenhausplans für die Jahre 2019 bis 2025 haben mehrere Kliniken bestätigt, dass sie in finanzielle Schieflage geraten sind. Dr. Gerald Gaß, Chef der Deutschen Krankenhausgesellschaft, sagte in einem Interview mit der Rhein-Zeitung im Sommer 2019, dass wir in Rheinland-Pfalz auf den ein oder anderen Krankenhausstandort verzichten könnten. Würden Sie mit dem Wissen von heute den Landeskrankenhausplan wieder genauso aufstellen, wie Sie es Ende 2018 getan haben?
Der Landeskrankenhausplan ist fachlich gut fundiert und berücksichtigt die zu erwartende Entwicklung des Versorgungsbedarfs in den verschiedenen Planungsregionen des Landes. Krankenhausplanung war indes noch nie eine statische Angelegenheit. Mit dem aktuellen Krankenhausplan setzen wir zudem ein fortlaufendes Monitoring um - mit der Möglichkeit, begründete Veränderungen der Versorgungsaufträge auch während der Laufzeit des Krankenhausplans vorzunehmen.
Der aktuelle Pflegreport der Barmer zeigt, dass neue Wohnformen in der Pflege wie Pflege-WGs und betreutes Wohnen immer beliebter werden. Zugleich liefert der Report Hinweise darauf, dass die medizinische Versorgung in den neuen Pflege-Wohnformen nicht so gut ist wie in Pflegeheimen. Welche Maßnahmen könnte die Landesregierung ergreifen, um strenge Qualitätsmaßstäbe für neue Wohnformen in der Pflege zu entwickeln und deren Einhaltung sicherzustellen?
Zunächst einmal stellt der Pflegereport 2019 fest, dass die zu beobachtende Ambulantisierung insgesamt Potenziale zur Qualitätssteigerung birgt. Gleichzeitig formuliert der Report berechtigte Fragen zur Leistungsgerechtigkeit, etwa mit Blick auf die medizinische Behandlungspflege, die in einer ambulant betreuten Wohnform von der Krankenversicherung und bei vollstationärer Pflege über die Pflegesätze refinanziert wird. Mit Bezug auf die Versorgungssicherheit sind die Menschen jedoch sehr zufrieden mit den neuen Angeboten, wie eine aktuelle Studie des GKV-Spitzenverbands zeigt. Das spricht dafür, dass vieles auch gut funktioniert. Außerdem gibt es bereits Qualitätssicherungen. Alle ambulanten Pflegedienste werden zum Beispiel regelmäßig im Auftrag der Landesverbände der Pflegekassen geprüft. Sicher müssen wir darüber nachdenken, wie wir den sehr unterschiedlichen Ausprägungen der Wohnformen noch besser Rechnung tragen und neue Entwicklungen frühzeitig erkennen können. Weil es hier um privates Wohnen geht, sind Teilhabe und soziale Einbindung für mich zentrale Punkte, die wir mit Blick auf die Qualität stärken sollten und die wir zum Beispiel in unserem Modellprojekt WohnPunkt RLP im Land bereits umsetzen. Ein mehr an Qualitätssicherung kann daher vor allem durch die enge Einbindung der Angehörigen und die Stärkung des Selbstbestimmungsrechts der Bewohnerinnen und Bewohner gelingen. Zusätzlich kann eine Beteiligung der Kommune und der Bürgerschaft Sicherheit geben. Ganz wichtig ist mir zudem, dass es leicht zugängliche Anlaufstellen gibt, wenn Probleme auftreten. In Rheinland-Pfalz haben wir deshalb das Info- und Beschwerdetelefon Pflege und Wohnen in Einrichtungen bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz, bei dem sich Angehörige und Betroffene Rat holen können. Hier sind auch der präventive Hausbesuch über die Gemeindeschwesterplus und die Pflegestützpunkte in Rheinland-Pfalz zu nennen. Gibt es einen konkreten Anlass, wie Beschwerden oder Hinweise auf Mängel in trägerorganisierten Wohngemeinschaften, kann man sich auch direkt an die Beratungs- und Prüfbehörde nach dem LWTG beim Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung wenden. Mit einer Landesberatungsstelle zu den Neuen Wohnformen geben wir Unterstützung beim Aufbau. Mit diesem Mix können wir im Land gut die Bedarfe der ganz unterschiedlichen neuen Wohn-Pflege-Modelle, vom Mehrgenerationenwohnen nach dem Bielefelder Modell, über selbstorganisierte Seniorenwohngemeinschaften bis zur trägerorganisierte Wohn-Pflege-Gemeinschaften berücksichtigen.
Die Landesregierung hat als eine der ersten in Deutschland die Landarztquote auf den Weg gebracht. Diese wirkt aber frühestens in zehn Jahren. Was halten Sie von dem Vorschlag, dass in strukturschwachen Regionen Ärzte die Möglichkeit erhalten sollten, ihre Praxis-Zulassung nicht nur in einem MVZ in ein Angestelltenverhältnis umzuwandeln wie bisher, sondern auch in einer Eigeneinrichtung der Kassenärztlichen Vereinigung oder in einem Regionalen Versorgungsverbund? Das Modell der Eigeneinrichtung wird ja zum Beispiel schon in Thüringen, Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen-Anhalt praktiziert.
Für die Sicherung der ärztlichen Versorgung auf dem Land stehe ich auch dem Instrument von Eigeneinrichtungen aufgeschlossen gegenüber. Wo ein Arztsitz nicht besetzt werden kann, können die Kassenärztlichen Vereinigungen oder auch Kommunen eigene Praxen betreiben und dort Ärzte anstellen. Auf diese Weise könnte die Kassenärztliche Vereinigung bei Bedarf als eine Institution tätig werden, die die Übergabe einer Praxis an einen Praxisnachfolger organisiert. Idealfall: Sie übernimmt die Altpraxis, stellt junge Ärztinnen und Ärzte an und nach einer Übergangsphase wird die Praxis bei Interesse an die angestellten Ärztinnen und Ärzte übergeben. Im Rahmen unseres rheinland-pfälzischen Masterplans zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung hat die KV Rheinland-Pfalz auch bereits ihre Bereitschaft deutlich gemacht, innerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten Eigeneinrichtungen zu etablieren. Auf dem Gelände der Mainzer Universitätsmedizin hat bereits die Allgemeinmedizinische Praxis am Campus als Eigeneinrichtung der KV Rheinland-Pfalz ihre Arbeit aufgenommen. Sie soll diejenigen versorgen, die keine reinen Notfälle sind. Zu dem Vorteil von Eigeneinrichtungen zählen insbesondere die höhere Flexibilität bei der Gestaltung der Arbeitsbedingungen und eine Entlastung der Ärztinnen und Ärzte von administrativen Tätigkeiten. Insoweit unterscheidet sich die Eigeneinrichtung nicht von anderen kooperativen Modellen. Ärztinnen und Ärzte können dort in Voll- oder Teilzeit tätig sein. Dies entspricht den Anliegen vieler junger Ärztinnen und Ärzte. Sie wollen oft als Angestellte tätig sein, um Familie und Beruf besser vereinbaren zu können. Letztlich ist entscheidend, eine Ärztin oder einen Arzt zu gewinnen, die oder der die Bevölkerung wohnortnah medizinisch versorgen möchte. Bei allen Veränderungen in der Struktur der Versorgung ist es wichtig, die bereits in der Region niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte mit einzubeziehen. Ich möchte betonen, dass wir als Landesregierung neben der langfristig wirkenden Landarztquote die Ärzteschaft mit vielen weiteren, auch kurz- und mittelfristig greifenden Maßnahmen bei der Sicherung der Versorgung unterstützen, zum Beispiel mit unserer Niederlassungsförderung, Wiedereinstiegskursen und PJ-Tertial Allgemeinmedizin im Rahmen des rheinland-pfälzischen Masterplans zur Stärkung der ambulanten ärztlichen Versorgung.