Am 14. März wählt Rheinland-Pfalz den neuen Landtag. Die Redaktion der STANDORTinfo sprach mit den gesundheitspolitischen Sprechern der Koalitionsparteien SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der CDU als größter Oppositionspartei im Landtag über ihre Ziele für die Gesundheitspolitik im Land. Die Redaktion hat die Sprecher einzeln interviewt.
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Das Land Rheinland-Pfalz ist für die Ausweisung von Klinikstandorten und der dort angebotenen medizinischen Leistungen zuständig, lässt den Krankenhäusern aber viel Spielraum bei ihrem Angebot von medizinischen Leistungen. Das führt zu einem teils ruinösen Wettbewerb zwischen Kliniken mit ähnlichen Angeboten auf engstem Raum um Personal und Patienten. Die Folge ist, dass einige Kliniken komplexe Operationen vornehmen, mit denen sie nur wenig Erfahrung haben, was die Patientensicherheit gefährdet. Welche Maßnahmen werden Sie nach der Landtagswahl ergreifen, wenn Sie in Regierungsverantwortung stehen, um diesen Zustand zu beenden?
Anklam-Trapp (SPD): „Krankenhausplanung in Deutschland ist weitgehend Aufgabe der Bundesländer. Das Krankenhausrecht zeichnet sich jedoch durch ein Zusammenspiel zahlreicher bundes- und landesrechtlicher Regelungen aus, was die Möglichkeiten der Krankenhausplanungsbehörden der Länder beschränkt. Weichenstellungen können demnach nicht nur auf Länderebene erfolgen. Ein Instrument zur Qualitätssicherung und Verbesserung ist die Einführung und eventuelle Anhebung von Mindestmengen für bestimmte komplexe Eingriffe, die eine ausreichende Erfahrung der Fachkräfte erfordern. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat diese bislang für acht planbare stationäre Leistungen festgelegt, bei denen ein Zusammenhang zwischen der Durchführungshäufigkeit und der Behandlungsqualität bestehen. Diese sind aus meiner Sicht grundsätzlich und begrüßenswert, um den Zusammenhang zwischen Fallzahl und Versorgungsqualität abzubilden.“
Gensch (CDU): „Wir wollen in ganz Rheinland-Pfalz eine gute medizinische Versorgung sicherstellen, egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Die von Ihnen beschriebene Situation ist eine Folge der Finanzierungssituation der Krankenhäuser. Denn vielerorts herrscht ein hoher Investitions- und Sanierungsstau, der die Krankenhäuser vor enorme finanzielle Herausforderungen stellt. Sind beispielsweise die Baukosten in den letzten 20 Jahren um 50 Prozent gestiegen, so sind im gleichen Zeitraum die Förderungen nach dem Landeskrankenhausgesetz um 13 Prozent gesunken. Hinzu kommen die derzeitigen Belastungen der Corona-Pandemie. Die gegenwärtigen Krisenentwicklungen widerlegen den Anspruch der Landesregierung für eine zukunftsfeste Krankenhausplanung. Wir wollen daher ein Krankenhaus-Zukunftsprogramm einführen. In einem ersten Schritt wollen wir die Pauschalförderungen für die laufenden Investitionen in unsere Krankenhäuser verdoppeln. Es muss einen neuen Krankenhausplan geben, der seinem Namen auch gerecht wird. Dazu gehört neben der Klärung der Voraussetzungen für stabile Strukturen der lokalen und regionalen Krankenhausversorgung ein Konzept, mit dem das vorhandene Angebot besser verzahnt und schwerpunktmäßig organisiert werden kann. Außerdem muss eine gezielte und bessere Investitionsförderung kommen.“
Wink (FDP): „Grundsätzlich setzen wir uns dafür ein, wirtschaftliche Fehlanreize im DRG-Fallpauschalensystem zu beseitigen. Dies hat zwar die Transparenz der Finanzierung deutlich erhöht, zeigt aber zahlreiche Lücken und Fehlanreize auf. Wir fordern eine separate Kalkulation von kinderrelevanten Fallpauschalen sowie die Berücksichtigung regionaler Besonderheiten bei der Planung der Grund- und Regelversorgung. Die Kosten der Krankenhäuser müssen bedarfsgerecht ausfinanziert werden. Damit wollen wir, dass spezifische Vorhaltekosten nicht allein von der Größe des Krankenhauses abhängen, sondern von der Bedeutung der Versorgung. Eine sogenannte Öffnungsklausel, welche die Länder fordern und wir stützen, ermöglicht regionalspezifische und sektorenübergreifende Strukturen. Weiter stehen wir dafür ein, dass es Spezialisierungen geben sollte. Gerade kleinere Krankenhäuser können durch Spezialisierungen erfolgreich sein.“
Binz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Wir sprechen uns für mehr Kooperationen und Spezialisierung der Krankenhäuser zum Nutzen der Patientinnen und Patienten aus. Doppelvorhaltungen innerhalb der näheren Umgebung sollen abgebaut und die Zusammenarbeit der Krankenhäuser gefördert werden. Wir wollen das aktuelle Krankenhausfinanzierungssystem, das DRG-System, grundlegend reformieren. Die aktuelle Vergütung von Einzelleistungen wollen wir in ein Budgetbemessungssystem überführen, in dem regionale und soziale Faktoren stärker berücksichtigt werden. Damit wird Fehlanreizen entgegengewirkt. Dafür soll sich das Land bei der Selbstverwaltung und auf Bundesebene stark machen.“
In den Notaufnahmen der Krankenhäuser steigen die Patientenzahlen kontinuierlich an. Grund dafür ist die unklare Aufgabenteilung von ambulanter Notfallversorgung, Rettungsdienst und Notaufnahme im Krankenhaus. Was muss aus Ihrer Sicht getan werden, um diese Entwicklung zu stoppen?
Anklam-Trapp (SPD): „Es bedarf einer grundlegenden und umfassenden Reform der Notfallversorgung auf Bundesebene, um eine sektorenübergreifende Herangehensweise zu erreichen. Die bestehenden Sektorengrenzen müssen überwunden werden. Dies gilt insbesondere für die Notfallversorgung. Wir brauchen eine sektorenübergreifende Steuerung, um die Patienten dorthin zu verweisen, wo sie die für ihren Fall beste und schnellstmögliche Behandlung erfahren können, auf diese Weise könnten die vorhandenen Ressourcen optimal genutzt werden."
Gensch (CDU): „Wir halten hier gemeinsame Notfall-Leitsysteme und integrierte Notfallzentren für sinnvoll und unterstützen Reformbestrebungen zur besseren Patientensteuerung. Unser Ziel ist eine flächendeckende Notfallversorgung aus einer Hand sein, die auf bereits existierenden Projekten und Modellen aufbaut. Im Notfall zählt jede Sekunde. Daher wollen wir landesweit eine Hilfefrist von zehn Minuten für die Zeit vom Notruf bis zum Eintreffen des Rettungswagens sicherstellen. Hierzu braucht es flächendeckende Rettungswachen. Ebenso setzen wir uns für öffentliche Defibrillatoren an jeder Apotheke, in jeder Schule, an Sportanlagen sowie bei den Verwaltungen ein. Mit dem Ansatz der First Responder als festem und wichtigem Bestandteil der Rettungskette wollen wir ehrenamtliche Sanitäter im Notfall eng einbinden.“
Wink (FDP): „Die Situation, dass Notaufnahmen überfüllt sind, erkennen auch wir in den letzten Jahren. Wichtig hierzu ist es, dass auch Angebote geschaffen werden, welche den Menschen eine Alternative bieten. So kann unseres Erachtens nach die Telemedizin einen wichtigen Beitrag leisten. Wenn man bei einem Fingerschnitt nicht mehr in die Notaufnahme geht, sondern mit einem Arzt chatten kann, so erspart dies zusätzlichen Weg und Platz. Ebenfalls bedarf es aus unserer Sicht eine stärkere Verzahnung der verschiedenen Sektoren. In diesem Beispiel zwischen dem Krankenhaus und dem ärztlichen Notdienst. An vielerlei Orten kennt man dies unter den sogenannten Portalpraxen. Die sektorenübergreifende Versorgung kann und muss fortentwickelt werden.“
Binz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Die Notfall- und Intensivmedizin darf nicht länger unter dem Damoklesschwert rein betriebswirtschaftlicher Kostenbetrachtung stehen, sondern muss als öffentliche Daseinsvorsorge anerkannt und ausreichend, auch aus Steuermitteln, finanziert werden. Damit Rettungswagen jederzeit zu Notfällen ausrücken können, wollen wir die Praxis beenden, dass diese für nicht lebensbedrohliche Notfälle wie beispielsweise ambulante Behandlungen oder Verlegungsfahrten eingesetzt werden. Wir halten es für sinnvoll, dass zu den Praxisöffnungszeiten die Hausarztpraxis erste Anlaufstelle ist. Ergänzend muss die Kassenärztliche Vereinigung stärker über das Angebot der bestehenden ärztlichen Bereitschaftspraxen für die Randzeiten aufklären und diese stärken. Die Einrichtung von Portalpraxen in Krankenhäusern, die gemeinsam von der Kassenärztlichen Vereinigung und den Krankenhäusern betrieben werden, und die der eigentlichen Notaufnahme vorgeschaltet sind, wollen wir weiter fördern.“
Rund 70 Prozent der Pflegebedürftigen in Rheinland-Pfalz werden in der eigenen Häuslichkeit von Angehörigen oder durch ambulante Pflegedienste gepflegt. Wie wollen Sie nach der Landtagswahl die familiäre und selbstorganisierte Pflege als Fundament der Pflege in Rheinland-Pfalz stärken?
Anklam-Trapp (SPD): „Unser Ziel ist, dass Pflegebedürftige so selbstbestimmt wie möglich und so umsorgt wie nötig alt werden können, mit einer flächendeckenden Pflege-Versorgungsstruktur, wohnortnah und verlässlich. Gemeinsam mit allen Akteuren wollen wir die Pflegeinfrastruktur unseres Landes auf hohem Niveau weiterentwickeln. Wir wollen, dass unser Erfolgsmodell Gemeindeschwester plus in ganz Rheinland-Pfalz realisiert wird und präventive Hausbesuche zukünftig flächendeckend ermöglicht werden können. Wir dringen darauf, dass neben dem Land auch der Bund seine Förderzusage einhält. Wir setzen die Förderung unserer innovativen Pflege- und Wohnmodelle fort und unterstützen auch in Zukunft gemeinschaftliche und ambulante Wohnformen. Pflegende Angehörige sind eine ganz entscheidende Stütze bei der Versorgung pflegebedürftiger Menschen - wir machen uns für ihre Unterstützung stark, fördern bestehende Netzwerke und unterstützen deren Ausbau.“
Gensch (CDU): „Pflegende Angehörige übernehmen eine ganz wichtige Aufgabe. Sie kümmern sich um ihnen nahestehende Menschen in ihrem häuslichen Umfeld mit viel Fürsorge und Liebe. Dennoch können die Belastungen für Familien und Angehörige enorm sein. Als CDU-Landtagsfraktion haben wir hierzu in der auslaufenden Legislaturperiode bereits mehrere Initiativen eingebracht. Die Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der CDU-Landtagsfraktion geht hervor, dass das Angebot zur Unterstützung im Alltag für Menschen mit Pflege- beziehungsweise Betreuungsbedarf noch nicht ausreichend und auch regional sehr unterschiedlich ist. Wir wollen daher eine Bedarfs- und Angebotsanalyse durchführen und die relevante Landesverordnung auf dieser Grundlage evaluieren. Wer Menschen pflegt, will gut pflegen. Pflegende brauchen Zeit für Pflege. Gute Pflege braucht viel mehr helfende Hände. Daher wollen wir pflegende Angehörige besser unterstützten und entlasteten, um auf Wunsch eine 24-Stunden-Pflege zu Hause zu ermöglichen. Angehörige und Ehrenamtliche leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Pflegeversorgung. Wir wollen Pflegebedürftige und Angehörige frühzeitig und besser informieren sowie alle existierenden Pflegeangebote frühzeitig bekannt machen. Hier kommt unter anderem Hausarztpraxen und von uns avisierte kommunale Versorgungszentren eine zentrale Rolle zu. Wird ein Mensch zum Pflegefall, dann ist entscheidend, dass die Begutachtung und Einstufung der Pflegebedürftigen durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung wesentlich schneller erfolgt. Die verbindliche Frist hierfür wollen wir deutlich verkürzen. Wir wollen insbesondere die Möglichkeiten zur Erweiterung des Anbieterkreises ins Auge fassen, bestehende Regelungen vereinfachen und auch unbürokratische Nachbarschaftshilfe bei der Unterstützung im Alltag ermöglichen. Pflege betrifft nicht nur ältere Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern Menschen aller Altersgruppen, insbesondere, wenn sie an einer schweren, unheilbaren Erkrankung leiden. Wir wollen ein Lebensende in Würde ermöglichen, dafür brauchen wir mehr Plätze in Hospiz-Einrichtungen und der Palliativversorgung. Hierzu brauchen wir auch mehr Seelsorge für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen.“
Wink (FDP): „Pflegende Angehörige leisten einen immensen Beitrag für die Gesellschaft. Die Belastung ist sehr hoch und das breite Feld der Pflegetätigkeiten schmälert die eigenen Betätigungen im sozialen und freizeitlichen Sinne. Was daher auch angegangen werden muss, ist, dass die Pflegenden alle Angebote für sie kennen. Viele kennen diese nicht, ebenso nicht die Unterstützungsleistungen, die sie in Anspruch nehmen könnten. Hier bedarf es einer groß angelegten Informationskampagne. Wir Freien Demokraten setzen uns auch auf Bundesebene dafür ein, dass Kurzzeitpflegeplätze in stationären Rehabilitationseinrichtungen umgesetzt beziehungsweise geschaffen werden. Ganz wichtig ist neben den Hilfen aber auch die Wertschätzung, Anerkennung und Ermutigung der pflegenden Angehörigen.“
Binz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Wir wollen pflegende Angehörige besser als bislang unterstützen. Aber auch wenn eine Pflege durch Angehörige nicht möglich oder erwünscht ist, sollen ausreichend professionelle Versorgungsstrukturen zur Verfügung stehen. Deshalb streben wir ein gutes Nebeneinander von privater und professioneller Pflege an. Nachbarschaftsinitiativen sowie andere Formen der Freiwilligenarbeit vor Ort, Unterstützungsangebote kommunaler Wohnungsunternehmen und andere Initiativen sollen gefördert und von Beginn an einbezogen werden können. Wir wollen eine größere Vielfalt ambulanter Pflegeangebote wie Tagespflegeeinrichtungen, Pflegewohngemeinschaften oder generationenübergreifende Wohnprojekte mit Pflegeleistungen im Bedarfsfall. Auch Angebote für pflegebedürftige Kinder und Jugendliche müssen geschaffen und Eltern so entlastet werden. Wir wollen die Stellung der 24-Stunden-Pflegekräfte, die oft aus den östlichen EU-Ländern kommen, rechtlich klären. Denn auch in privaten Haushalten muss der vereinbarte Mindestlohn in der Pflege gelten. Bei Pflegebedürftigkeit eines Familienmitglieds wollen wir auch das Recht stärken, die Arbeitszeit reduzieren zu können."