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Rheinland-Pfalz: Riskante Medikamente gefährden Ungeborene

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Mainz, 17. November 2021 – In keinem Bundesland erhalten mehr Frauen im gebährfähigen Alter potenziell kindsschädigende Arzneimittel als in Rheinland-Pfalz. Das zeigen repräsentative Auswertungen für den Barmer-Arzneimittelreport. „Potenziell kindsschädigende Arzneimittel, auch Teratogene genannt, sollten bei Frauen im gebährfähigen Alter möglichst gemieden werden, denn jede dritte Schwangerschaft tritt ungeplant ein. Bei zeitnahem Kinderwunsch sollten Gynäkologen darauf hinwirken, dass Frauen keine Teratogene einnehmen“, sagt Dunja Kleis, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Spätestens mit Eintritt der Schwangerschaft dürfe kein Teratogen mehr zum Einsatz kommen.

Laut Arzneimittelreport erhielt knapp jede zehnte Frau aus Rheinland-Pfalz im Alter von 13 bis 49 Jahren im Jahr 2018 eine Verordnung für ein Teratogen (9,6 Prozent, Bund: 7,6 Prozent). Das entspricht rund 79.000 Frauen dieser Altersgruppe in dem Bundesland (Bund: 1,3 Millionen). „Besonders wenn verhütet wird, sind Teratogene vor einer Schwangerschaft nicht das Problem. Die Einnahme von Teratogenen im ersten Schwangerschaftsdrittel kann aber zu schweren Missbildungen des ungeborenen Kinds führen und Fehlgeburten auslösen“, erklärt Kleis. Der Contergan-Skandal habe vor Augen geführt, wie dramatisch die Auswirkungen von Arzneimitteln für ungeborene Kinder sein könnten.

Teratogene weisen unterschiedliches Risiko für Missbildungen auf

Teratogene werden nach dem Ausmaß des Risikos für grob strukturelle Missbildungen des Embryos unterteilt. Bei starken Teratogenen werden statistisch bis zu 30 Prozent der Kinder geschädigt. Bei „gesicherten Teratogenen“ sind es bis zu zehn Prozent und bei schwachen Teratogenen bis zu vier Prozent. Der Anteil von Frauen zwischen 13 und 49 Jahren aus Rheinland-Pfalz mit verordneten schwachen Teratogenen lag im Jahr 2018 bei 8,7 Prozent (Bund: 6,7 Prozent). Gesicherte Teratogene erhielten 0,8 Prozent (Bund: 0,8 Prozent) und starke Teratogene 0,5 Prozent (Bund: 0,6 Prozent) der rheinland-pfälzischen Frauen im gebärfähigen Alter.

„Unsere Datenanalysen zeigen, dass Ärzte Teratogene nach Eintritt der Schwangerschaft oft weiterverschreiben. Nur jedes dritte schwache Teratogen, jedes vierte gesicherte Teratogen und jedes zehnte starke Teratogen wurde bundesweit im ersten Drittel der Schwangerschaft neu verordnet“, erklärt Kleis. Das bedeute, dass der überwiegende Teil der potenziell teratogenen Verordnungen bereits vor der Schwangerschaft initiiert worden sei. Die Barmer-Landesgeschäftsführerin sagt: „Gerade bei den gesicherten und starken Präparaten liegen die Absetzquoten mit Eintritt der Schwangerschaft lediglich zwischen 31 und 60 Prozent. Das ist viel zu wenig.“

Barmer fordert Medikationsplan für junge Frauen

Laut Kleis muss der Schutz des ungeborenen Kindes vor Beginn der Schwangerschaft beginnen: „In der Schwangerschaft kommt eine Kontrolle der Medikamenteneinnahme zum Schutz des ungeborenen Kinds zu spät. Daher sollten Frauen im gebärfähigen Alter mit Dauermedikation ab dem ersten Medikament einen Rechtsanspruch auf einen bundeseinheitlichen Medikationsplan erhalten, auf dem zusätzlich zu den bisher vorgesehenen Angaben die Unbedenklichkeit für eine Anwendung des Medikaments in der Frühschwangerschaft bewertet und kenntlich gemacht wird.“ Bisher bestehe der Rechtsanspruch auf den bundeseinheitlichen Medikationsplan erst ab drei verordneten Arzneimitteln.

Eine bundesweite Befragung von über 1.000 Frauen nach der Entbindung zu ihrer Arzneimitteltherapie in der Schwangerschaft für den Arzneimittelreport zeigt, dass vor und nach der Schwangerschaft die Hausärzte die Hauptverordner von Arzneien sind. Während der Schwangerschaft übernimmt der Gynäkologe die Funktion des Hauptansprechpartners für Fragen zur Arzneimitteltherapie. „Adäquat beraten kann der Gynäkologe nur, wenn er die Medikation kennt. Insofern ist es problematisch, dass nur 14 Prozent der befragten Frauen mit Arzneimitteltherapie angaben, einen Medikationsplan zu besitzen.“ Derzeit werde die Arzneimitteltherapie unzureichend dokumentiert. Das führe zu gefährlichen Informationslücken zu Beginn der Schwangerschaft.  

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