Liebe Leserinnen und Leser,
in den kommenden Jahren wird unser Gesundheitssystem in zahlreichen Bereichen auf die Probe gestellt werden. Doch anstatt diese Herausforderungen nur als Last zu sehen, sollten wir sie als Chance begreifen: als Chance, unsere Strukturen zu modernisieren, tragfähiger zu machen und den Menschen in Nordrhein-Westfalen auch zukünftig eine verlässliche Versorgung zu garantieren.
Ein zentrales Thema dabei ist die Pflege. Schon heute sehen wir, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigt – und nicht nur das: Auch die Dauer, in der Menschen auf Unterstützung angewiesen sind, hat sich in den vergangenen Jahren fast verdoppelt. Das bedeutet: Familien, Einrichtungen, Krankenkassen und Pflegekräfte stehen gleichermaßen unter Druck. Dies darf nicht zur Belastungsprobe für die Betroffenen, ihre Angehörigen und das gesamte System werden.
Deshalb bedarf es neuer Konzepte, die auf Qualität, Würde und Verlässlichkeit setzen. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Zukunftspakt Pflege“ hat sich genau dies vorgenommen. Jetzt gilt es, die angekündigten Eckpunkte nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern schnell in konkrete Reformen zu übersetzen. Denn die Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, können nicht warten.
Doch die Pflege ist nur ein Teil des großen Ganzen. Wenn wir über die Zukunft des Gesundheitswesens sprechen, müssen wir auch über die Finanzierung sprechen. Denn was nützen die besten Konzepte, wenn am Ende die Mittel fehlen, um sie umzusetzen? Die gesetzliche Krankenversicherung befindet sich seit Jahren unter hohem Druck. Der medizinisch-technische Fortschritt, die alternde Bevölkerung und zahlreiche kostenintensive gesetzliche Maßnahmen haben die Ausgaben in die Höhe getrieben. Die Folge sind Rekordbeiträge, die die Akzeptanz des beitragsfinanzierten Gesundheitssystems gefährden könnten. Vor diesem Hintergrund trägt die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission zur Reform der Krankenversicherung eine besondere Verantwortung, zeitnah strukturelle Reformen umzusetzen.
Gleichzeitig dürfen wir den Blick nicht nur auf die finanzielle Dimension richten. Gesundheit hängt auch maßgeblich von den Rahmenbedingungen ab, in denen wir leben. Hier spielt der Klimawandel eine immer größere Rolle. Er wirkt sich bereits heute unmittelbar auf die Gesundheit der Menschen aus – sei es durch Hitzewellen, durch Extremwetter oder durch die Ausbreitung neuer Infektionskrankheiten. Die aktuelle Barmer-Hitzestudie zeigt dies eindrücklich. Besonders besorgniserregend ist die Situation im Gesundheitswesen: 40 Prozent der Einrichtungen berichten von spürbaren Belastungen durch Hitze – in Kliniken sogar mehr als 50 Prozent. Die Folgen sind überhitzte Räume, erschöpftes Personal und gestörte Abläufe. Doch der Gesundheitssektor trägt auch selbst erheblich zu den Emissionen bei und trägt damit ebenso Verantwortung. Wenn wir diese Verantwortung aktiv wahrnehmen – etwa durch klimafreundliche Krankenhäuser, ressourcenschonende Lieferketten und nachhaltige Prozesse – schaffen wir eine Gesundheitsversorgung, die nicht nur effizient und belastbar ist, sondern auch kommenden Generationen eine verlässliche Versorgung sichert.
Um die zuvor beschriebenen Herausforderungen – von Finanzierung bis Klimawandel – effektiv zu bewältigen, ist die Digitalisierung ein entscheidendes Werkzeug. Telemedizin kann beispielsweise bestehende Versorgungslücken schließen, insbesondere in ländlichen Regionen. Und digitale Vernetzung kann Abläufe vereinfachen, Doppeluntersuchungen verhindern und wertvolle Zeit für die Behandlung schaffen. Damit diese Potenziale tatsächlich wirken können, braucht es entschlossene Schritte. Denn Digitalisierung ist kein Luxus, sondern die Grundlage für eine moderne, effiziente und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung.
All‘ diese Themen sind keine einzelnen Baustellen – sie sind vielmehr miteinander verflochten. Wenn wir die Pflege zukunftsfest machen wollen, brauchen wir eine stabile Finanzierung. Wenn wir Digitalisierung klug nutzen, schaffen wir Freiräume für Klimaschutz und Nachhaltigkeit. Und wenn wir den Klimawandel ernst nehmen, dann sichern wir zugleich die Grundlage für eine gesunde Gesellschaft.
Lösungen für diese komplexen Fragen entstehen nicht im Alleingang, sondern im Dialog – durch das Zusammenbringen unterschiedlicher Perspektiven, das Teilen von Erfahrungen und das gemeinsame Ringen um tragfähige Konzepte. Deshalb war es uns als Barmer in Nordrhein-Westfalen ein besonderes Anliegen, die angesprochenen Themen bei unserem „Düsseldorfer Dialog“ zu bündeln. Einen Artikel zur Veranstaltung, die Ende Oktober stattgefunden hat, können Sie in dieser Ausgabe lesen.
Dabei und bei den anderen Texten unserer „STANDORTinfo“ wünsche ich Ihnen eine spannende und informative Lektüre.
João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in Nordrhein-Westfalen