Dr. Burkhard Lawrenz, Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, und Landesverbandsvorsitzender Westfalen-Lippe im BVKJ
Welche Rolle spielen Zeit und Anfahrt zum Spezialisten für Betroffene?
Die Wartezeit bis zu einem Facharzttermin und die mitunter weite Anreise sind eine zusätzliche Belastung für kranke Kinder. In NRW gibt es beispielsweise nur sehr wenige auf Kinder spezialisierte Rheumatologen. Die ungewohnte Umgebung, zum Beispiel in einer Fachklinik, macht die jungen Patienten außerdem oft nervös. Da eine Untersuchung vor Ort aber gar nicht immer nötig ist, erspart PädExpert nicht nur den Patienten, sondern auch den Eltern Stress. Wenn der behandelnde Kinder– und Jugendarzt, der seine Patienten oft schon lange kennt, die Kommunikation mit dem Spezialisten übernimmt, bringt das außerdem ein hohes Maß an Konstanz, weil er Eltern und Patienten als vertrauter Ansprechpartner erhalten bleibt.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit zwischen Kinder- und Facharzt?
Der behandelnde Kinder- und Jugendarzt kann über das System direkten Kontakt zu Spezialisten aufnehmen. Ein Ampelsystem zeigt an, welcher Facharzt genügend Kapazitäten hat – das gewährleistet eine schnelle Rückmeldung. Zunächst erhält der Spezialist grundlegende Daten zum Patienten wie Alter, Geschlecht, Größe und Gewicht. In Fragebögen werden außerdem Angaben zum Krankheitsbild erfasst. Manchmal kann der Experte gleich eine Einschätzung abgeben. Er kann aber bei Unklarheiten oder unbestätigten Vermutungen ganz konkret weitere Informationen wie Laborwerte oder Bilddokumente anfordern. Die dafür notwendigen Untersuchungen kann dann der behandelnde Arzt vor Ort veranlassen. Mit der Diagnose gibt es vom Spezialisten einen Therapievorschlag, so dass der Pädiater zeitnah und zielgerichtet mit der Behandlung beginnen kann.
Welche Unterstützung bietet Telemedizin bei unklaren Krankheitsbildern?
Kinder- und Jugendärzten begegnen täglich viele verschiedene Krankheitsbilder. Das Meiste kennt man, aber vieles ist doch sehr selten, wie das folgende Beispiel zeigt: Ein Kinder– und Jugendarzt behandelt in einem Jahr rund 1.500 Patienten. Eine leichte Form der Glutenunverträglichkeit kommt bei einem von 100 Kindern vor, eine schwere Form tritt bei einem von 1.000 Kindern auf. Das ist so selten, dass es für Ärzte schwierig ist, Symptome gleich richtig einzuordnen. Ein anderes Beispiel ist Rheuma: Ich hatte in 32 Jahren Berufstätigkeit erst einige wenige Fälle. Blutkrankheiten sind außerdem nicht unbedingt schwer zu erkennen, aber kompliziert in der Behandlung. Genauso ist es bei der Allergologie – hier gibt es immer neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Therapiemethoden. Pädiater können nicht alles allein erkennen und behandeln. Die enge Abstimmung mit den Spezialisten ist daher sehr wichtig.