Düsseldorf, 25. Februar 2025 – In Nordrhein-Westfalen benötigen immer mehr Menschen zunehmend länger Pflege. Die durchschnittliche Pflegedauer wird in den kommenden Jahren stark ansteigen, ebenso die Kosten pro Pflegebedürftigem. Diese Erkenntnisse liefert der aktuelle Pflegereport der Barmer. So stieg beispielsweise die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW im Zeitraum von 2017 bis 2023 um mehr als 75 Prozent von rund 730.000 auf etwa 1,3 Millionen. „Die Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs im Jahr 2017 und der Wechsel von Pflegestufen zu Pflegegraden haben die Hürden für Leistungen der Pflegekasse gesenkt und die Zahl der Pflegebedürftigen erhöht“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. „Gleichzeitig sind die Gehälter der Pflegekräfte gestiegen und die Personalschlüssel wurden verbessert. Dies sind alles wichtige und sinnvolle Verbesserungen zum Wohl der pflegebedürftigen Menschen.“ Diese Maßnahmen würden aber auch die Kosten erheblich in die Höhe treiben. „Es ist kein Geheimnis, dass die Pflegeversicherung 30 Jahre nach Einführung dringend reformiert werden muss“, so der Barmer-Landeschef. „Die neue Bundesregierung muss das Thema so schnell wie möglich angehen.“
2060 rund 1,69 Millionen Pflegebedürftige in NRW
Allein im Vergleich der Jahre 2022 und 2023 kamen laut Barmer-Report in NRW mehr als 95.000 Pflegebedürftige hinzu. Und auch die Vorausberechnungen der Autoren des Pflegereports sprechen eine deutliche Sprache. Demnach könnte die Zahl der Pflegebedürftigen in NRW bis 2030 auf 1,35 Millionen steigen und bis 2060 sogar auf rund 1,69 Millionen. „Bei einem bereits vorhandenen Fachkräftemangel benötigen wir also in Zukunft noch mehr Personal“, so Rodrigues.
Pflegedauer verlängert sich erheblich
Gravierende Veränderungen zeigen sich auch beim Blick auf die Pflegedauer. Bei Menschen, die 2016 in die Pflege eingetreten sind, liegt die durchschnittliche Pflegedauer laut Report bei 5,74 Jahren. Für Männer und Frauen, die 2022 pflegebedürftig geworden sind, erwarten die Autoren eine Pflegedauer von durchschnittlich 7,49 Jahren.
Pflegebedürftige immer höher belastet
Alarmierend sind auch die seit Jahren deutlich steigenden Eigenanteile der Menschen, die stationär gepflegt werden. Nach einer Auswertung des Verbands der Ersatzkassen (vdek) mussten Pflegebedürftige in NRW 2024 monatlich einen Eigenanteil von 3.088 Euro für ihren Heimplatz aufbringen. Im Vergleich zu 2018 (2.331 Euro) entspricht dies einem Anstieg von 32,5 Prozent. Diese Kostensteigerungen resultieren unter anderem aus den Tariferhöhungen für Pflegekräfte. „Allerdings weisen wir auch schon seit Jahren darauf hin, dass die Landesregierung die Investitionskosten der Pflegeheime nicht in ausreichendem Maß übernimmt“, so João Rodrigues. „Wenn das Land hier seiner Pflicht nachkommen würde, könnten die Pflegebedürftigen und ihre Familien monatlich um rund 500 Euro entlastet werden.“
Pflegezeit in Anlehnung an die Elternzeit
Mit Wissen der hohen Kosten im stationären Bereich ist die Stärkung der ambulanten Pflege – unter anderem durch Angehörige – nach Ansicht der Barmer umso wichtiger. „Mehr als 80 Prozent der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland werden zu Hause von Angehörigen, Nachbarn oder mit Hilfe ambulanter Pflegedienste versorgt“, sagt der Barmer-Landeschef. Dieser hohe Anteil zeige, dass das Prinzip „ambulant vor stationär“ bereits gelebt wird. „Um diesen Weg fortsetzen zu können, müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen aber organisatorisch und finanziell entlastet werden.“ Hierzu sei unter anderem erforderlich, dass die Leistungsbeträge – also das Pflegegeld – jährlich in Anlehnung an die Grundlohnrate oder die Inflationsrate gesteigert werden. Mit Blick auf die Menschen, die sich in der Pflege ihrer Angehörigen engagieren, sollte die staatliche Unterstützung erhöht werden. „Menschen, die ihre Berufstätigkeit für die Pflege von Angehörigen zeitweilig aufgeben, sollten finanzielle Unterstützung erhalten ohne die Verpflichtung zur Rückzahlung“, so Rodrigues. Die bislang angebotene darlehensbasierte Familienpflegezeit werde zu wenig in Anspruch genommen. „Sinnvoller wäre die Einführung einer steuerfinanzierten Pflegezeit – in Anlehnung an das Instrument der Elternzeit.“
Datengrundlage und Methode
Der Pflegreport der Barmer basiert auf Abrechnungsdaten der Jahre 2017 bis 2023. Alle Daten wurden standardisiert hochgerechnet – basierend auf Angaben des Statistischen Bundesamtes zur Bevölkerung in den Bundesländern nach Geschlecht und Altersgruppen im jeweiligen Jahr. Die Daten erhalten deshalb Bevölkerungsrepräsentativität über das Maß der Kassendaten hinaus.