Pressemitteilungen aus Nordrhein-Westfalen

Krankenhausreport der Barmer: Gelegenheitschirurgie kann lebensgefährlich sein

Lesedauer unter 3 Minuten

Düsseldorf, 26. Januar 2021 – Jedes Jahr sterben in Nordrhein-Westfalen etwa 23.100 Menschen nach einer Operation im Krankenhaus – bundesweit sind es zirka 100.000. Viele der Todesfälle in deutschen Kliniken sind vermeidbar, wenn die Eingriffe vorwiegend in Krankenhäusern durchgeführt würden, in denen die Operateure über mehr Erfahrung verfügen. Allein im Bereich der Eingriffe bei Darm- oder Pankreaskrebs könnten pro Jahr rund 380 Todesfälle verhindert werden, wenn diese Operationen in Krankenhäusern mit doppelt so hoher Fallzahl durchgeführt würden. Trotzdem erfolgen immer noch viele Eingriffe in Häusern, die vergleichsweise wenig Erfahrung haben. Das ist die zentrale Erkenntnis des Krankenhausreports 2020 der Barmer. „Wir brauchen bei Operationen einen Masterplan für mehr Wettbewerb um Qualität“, sagt Heiner Beckmann, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. Eingriffe seien in der Regel sicherer, wenn Chirurgen und das interdisziplinäre Team mit der Patientenversorgung vor und nach der OP viel Erfahrung haben.

Längeren Anfahrtsweg für mehr Qualität in Kauf nehmen

Der Krankenhausreport hat fünf Indikationen exemplarisch untersucht. Dazu gehören die bariatrische Chirurgie (Adipositas), Operationen an der Wirbelsäule sowie Eingriffe bei Bauchaortenaneurysmen, Darmkrebs und Pankreaskrebs. Um die Ergebnisse der Datenanalyse vergleichbar zu machen, wurden stets dieselben Analyseparameter zugrunde gelegt. Dazu gehören die 30-Tage-Sterblichkeit, Wiedereinweisungsraten und Komplikationen. Darüber hinaus wurde der Anfahrtsweg zu den Kliniken ausgewertet. Den Ergebnissen zufolge erreicht die große Mehrheit der Bevölkerung ein Krankenhaus mit einer hohen Fallzahl innerhalb von 60 Minuten. „Um bessere Qualität bei planbaren Operationen zu erzielen, lohnt sich ein etwas längerer Anfahrtsweg. Vor allem bei komplizierten Eingriffen sollten hohe Fallzahlen und Spezialistenteams bei der Auswahl gewichtiger sein als die unmittelbare Wohnortnähe“, sagt Heiner Beckmann.

Alarmierende Zahlen bei Krebsoperationen

Während bei Eingriffen an der Wirbelsäule und an der Bauchschlagader kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Fallzahlen und Qualität belegt werden kann, sind die Ergebnisse des Reports in den Bereichen Adipositas, Darm und Pankreas besorgniserregend. So liegt die Rate der 30-Tage-Sterblichkeit in Krankenhäusern mit durchschnittlich 14 Pankreas-Operationen pro Jahr bei 9,5 Prozent, in Häusern mit 42 Fällen pro Jahr nur bei 8,1 Prozent. Die gesetzliche Mindestmenge liegt in diesem medizinischen Bereich bei zehn Eingriffen pro Jahr und Krankenhaus. Etwa die Hälfte der 570 Krankenhäuser, in denen Pankreas-Operationen durchgeführt werden, weist aber im Schnitt nur fünf Pankreas-Fälle pro Jahr auf. Aus Sicht von Landesgeschäftsführer Beckmann sind das alarmierende Zahlen: „Komplizierte Operationen müssen in Kliniken mit hohen Fallzahlen vorgenommen werden. Gelegenheitschirurgie gefährdet Menschenleben.“

Reform der Krankenhauslandschaft ist geboten

Die Ergebnisse des Reports bestärken die Barmer darin, den eingeschlagenen Weg zu einer Strukturveränderung der Krankenhauslandschaft fortzusetzen. In NRW läuft derzeit das entsprechende politische Verfahren zur Änderung des Krankenhausgestaltungsgesetzes. „Die bisherige Krankenhausplanung orientiert sich zu wenig am Versorgungsbedarf und an der Behandlungsqualität“, lautet eine aktuelle Stellungnahme der gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) in NRW. „Derzeit erbringen viele Krankenhäuser wenige, teilweise komplexe Eingriffe. Um für Patientinnen und Patienten eine Versorgungsverbesserung zu erreichen, sollten komplexe Leistungen auf besonders geeignete Krankenhäuser konzentriert werden.“ Bei den Reformplänen stehe diese Qualitätsverbesserung im Fokus, so Barmer-Landeschef Beckmann: „Im Prozess wird natürlich berücksichtigt, dass eine flächendeckende Grundversorgung auch in ländlichen Regionen weiterhin sichergestellt ist.“

Kontakt für die Presse:

Tobias Klingen
Pressesprecher Barmer Nordrhein-Westfalen
Telefon 0800 333 004 45 11 31
E-Mail: presse.nrw@barmer.de
Twitter: twitter.com/BARMER_NRW