Düsseldorf, 19. Dezember 2025 – In der Ruhrgebietsstadt Hamm wird Kokainmissbrauch NRW-weit am häufigsten ärztlich dokumentiert. Das zeigt der Morbiditäts- und Sozialatlas der Barmer für das Auswertungsjahr 2023. Laut Hochrechnung wurde bei 1,08 von 1.000 Einwohnerinnen und Einwohnern in Hamm die Diagnose Kokainmissbrauch registriert. Damit lag die Diagnoserate in Hamm mehr als dreimal so hoch wie der bundesweite Schnitt von 0,33 Betroffenen je 1.000 Menschen. In Dortmund kam die Diagnose Kokainmissbrauch mit einer Rate von 0,74 je 1.000 mehr als doppelt so häufig vor wie im Bundesschnitt. Ähnlich ist die Lage in Köln, wo die Rate 2023 bei 0,69 Betroffenen je 1.000 lag. „Mit Blick auf die Analyse müssen wir von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, da lediglich ein Bruchteil der Konsumentinnen und Konsumenten wegen ihres Kokainmissbrauchs in ärztlicher Behandlung ist“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. Mit einer Diagnoserate von 0,35 je 1.000 habe NRW nach Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hessen auf Rang vier jener Flächenländer gelegen, in denen Kokainmissbrauch am häufigsten registriert wurde. Deutlich häufiger gab es die Diagnose in den Stadt-Staaten Bremen (1,71 je 1.000), Hamburg (1,3 je 1.000) und Berlin (0,75 je 1.000).
Kokainmissbrauch geht häufig mit einer Depression einher
„Kokain als leistungssteigernde Droge ist meist der Einstieg in die schnelle Abhängigkeit. Für viele beginnt dann eine Abwärtsspirale für Körper und Psyche“, erklärt Rodrigues unter Bezug auf die Auswertung häufiger Begleiterkrankungen des Kokainmissbrauchs. Die Auswertung zeige, dass bei 49,6 Prozent der Menschen, die eine Kokainmissbrauch-Diagnose erhielten, auch eine Depression festgestellt worden ist. Bei 41 Prozent der Kokainabhängigen sei Alkoholmissbrauch als Begleiterkrankung diagnostiziert worden. Angst- und Zwangsstörungen seien bei 25,1 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Kokain-Diagnose registriert worden. Die Droge könne psychische Erkrankungen nicht nur auslösen, sondern auch bestehende mentale und soziale Probleme erheblich verschlimmern. Für Betroffene sei schnelle und professionelle Hilfe entscheidend, um einen Weg aus der Sucht zu finden. „Betroffene sowie Angehörige und Freunde können sich für diese schwierige Situation Hilfe holen. Fachambulanzen oder Suchtberatungsstellen sind die richtigen Anlaufstellen“, so der Barmer-Landeschef.
Jung, männlich, süchtig – Daten zeigen Risikogruppe
In Nordrhein-Westfalen wird Kokainmissbrauch am häufigsten in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen festgestellt. Die Diagnoserate liegt hier bei 0,81 je 1.000 und damit leicht über dem Bundesschnitt von 0,78 in derselben Altersgruppe. Männer in diesem Alter sind laut Auswertung der Barmer rund dreimal häufiger betroffen als Frauen. „Hoher Leistungsdruck in Beruf und Freizeit kann dazu führen, dass man die Droge zur Bewältigung des Alltags heranzieht. Unsere Daten legen allerdings nahe, dass dieser Weg schon in jungen Jahren zu psychischen und körperlichen Zusammenbrüchen sowie medizinischem Behandlungsbedarf führt. Betroffenen droht dann statt Leistungssteigerung der Verlust ihrer mentalen und körperlichen Stärke“, sagt Rodrigues. Wer das Gefühl habe, seinen Alltag nur noch mit Drogen bewältigen zu können, benötige in jedem Fall Hilfe und sollte sich unbedingt an eine Arztpraxis oder eine Beratungsstelle wenden.
Überdurchschnittlich viele Betroffene im Gastgewerbe
Der Morbiditäts- und Sozialatlas zeigt weiter, dass Beschäftigte im nordrhein-westfälischen Gastgewerbe die Diagnose Kokainmissbrauch im branchenübergreifenden Vergleich am häufigsten erhalten. Hier liegt die Diagnoserate mit 0,95 Betroffenen je 1.000 Personen fast dreimal so hoch wie im landesweiten Durchschnitt. Auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus den Bereichen Baugewerbe, Energie- und Wasserversorgung sowie Entsorgung seien mit einer Rate von 0,51 je 1.000 leicht überdurchschnittlich von Kokainmissbrauch betroffen. „Gerade im Berufsleben, wo man für Kolleginnen und Kollegen ein verlässlicher Partner sein sollte, ist der Konsum der Droge Kokain besonders schädlich. Durch das im Rausch herabgesetzte Urteilsvermögen steigt nicht nur das Risiko für Fehler und Pannen, auch Unfälle am Arbeitsplatz und im Straßenverkehr werden wahrscheinlicher“, so der Landesgeschäftsführer der Barmer. Vermeintliche Leistungssteigerung sei auch hier eine Illusion. Wahrscheinlicher als nachhaltiger Erfolg seien die Gefahren für betroffene Beschäftigte und Dritte sowie für den drohenden Jobverlust durch das gefährliche Suchtmittel.
Hintergrund und Hinweise
Alle Ergebnisse können hier nachvollzogen werden:
https://www.bifg.de/atlas/kokainmissbrauch
Es wurde die Gesamtzahl der Krankheitsfälle in der Bevölkerung in den beschriebenen Zeiträumen dargestellt (Prävalenz). Es handelt sich bei den Angaben nicht um Neuerkrankungsraten (Inzidenz). Unter dem Begriff „Kokainmissbrauch“ fasst die Auswertung die Diagnosegruppe ICD-10 F140 bis F149 (Psychische und Verhaltensstörungen durch Kokain) zusammen.
Alle Daten wurden standardisiert/hochgerechnet basierend auf Angaben des Statistischen Bundesamtes zur Bevölkerung in Bundesländern nach Geschlecht und Altersgruppen im jeweiligen Jahr. Die Daten erhalten deshalb Bevölkerungsrepräsentativität über das Maß reiner Kassendaten hinaus. Die Barmer versichert bundesweit rund 8,3 Millionen Menschen, etwa 2,1 Millionen davon in Nordrhein-Westfalen.