Düsseldorf, 24. Januar 2024 – Patientinnen und Patienten in Nordrhein-Westfalen bekommen häufig für sie ungeeignete Schmerzmittel verordnet. Das geht aus dem aktuellen Arzneimittelreport der Barmer hervor. Analysiert wurde unter anderem die medikamentöse Schmerztherapie von ambulant behandelten Barmer-Versicherten ab 18 Jahren ohne Tumordiagnose. Demnach hat in NRW etwa jeder dritte Erwachsene dieser Personengruppe im Jahr 2021 mindestens ein Schmerzmedikament ambulant verordnet bekommen. Hochgerechnet entspricht das rund 4,1 Millionen Menschen im Land. Bedenklich ist dabei, dass beispielsweise rund 111.000 Versicherten trotz Herzinsuffizienz nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Ibuprofen oder Diclofenac verschrieben wurden. Dabei raten medizinische Leitlinien davon ab, da auch ein nur kurzer Einsatz von Schmerzmedikamenten die Leistung des Herzens deutlich verschlechtern kann. Durch eine inadäquate Schmerzmitteltherapie kann es sowohl zu vermehrten Krankenhausaufenthalten als auch zur Steigerung des Sterberisikos kommen. „Gerade die Kombination vermeintlich harmloser Schmerzmittel kann fatale Folgen haben. Die meist durch mehrere Ärztinnen und Ärzte verordnete Therapie ist ohne digitale Unterstützung kaum mehr überschaubar“, sagt João Rodrigues, Landesgeschäftsführer der Barmer in NRW. Er fordert den konsequenten und verbindlichen Einsatz digitaler Helfer in der Arzneimittel-Versorgung, um den Überblick über die Gesamtmedikation und alle Neben- und Wechselwirkungen zu behalten.
Entwicklung von praxistauglichen digitalen Lösungen
Die Barmer beteiligt sich schon seit vielen Jahren an der Entwicklung von praxistauglichen digitalen Lösungen. Bestes Bespiel ist das Innovationsfondsprojekt AdAM, das gemeinsam mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) durchgeführt worden ist. Im Zuge dieses Projektes konnten die teilnehmenden Ärztinnen und Ärzte während der Behandlung alle relevanten Informationen zu ihren Patientinnen und Patienten abrufen. „Die Erkenntnisse aus dem Projekt sind vielversprechend“, sagt Rodrigues. So sei die durch Neben- und Wechselwirkungen bedingte Sterblichkeit bei sogenannten Polypharmazie-Patienten um zehn bis 20 Prozent gesenkt worden. Bei diesen Patienten handelt es sich um Menschen, die fünf oder mehr Arzneimittel gleichzeitig verordnet bekommen. „AdAM sollte zügig in die Regelversorgung übernommen werden, damit die Arzneimitteltherapie für Millionen von Menschen sicherer wird – auch mit Blick auf Schmerzmittel“, so der Landesgeschäftsführer der Barmer.
Riskante Medikamenten-Kombinationen gerade bei Älteren
Der aktuelle Arzneimittelreport zeigt ferner, dass Frauen in NRW häufiger als Männer Schmerzmittel-Verordnungen erhalten. Bei den Patientinnen ohne Tumordiagnose lag der Anteil der Schmerzmittel-Verordnungen bei 33,8 Prozent, bei den männlichen Patienten bei 28,5 Prozent. Darüber hinaus ist die Verordnungshäufigkeit von Schmerzmitteln deutlich altersabhängig: Bei den Versicherten ab 80 Jahren hat jeder Zweite eine entsprechende Verordnung bekommen. Insbesondere bei den hochbetagten Menschen kann dies schnell zu Problemen führen. So sollten Betroffene mit eingeschränkter Nierenfunktion NSAR nicht einnehmen, weil diese zu plötzlichem Nierenversagen führen könnte. Aus dem Arzneimittelreport geht allerdings hervor, dass der Anteil an Patientinnen und Patienten mit Niereninsuffizienz, die Schmerzmittel einnehmen, in der Altersgruppe der 80-Jährigen dreißigmal höher ist als bei den unter 65-Jährigen. Dies sei umso bedenklicher, da der Report das tatsächliche Ausmaß der Schmerzmitteleinnahme nicht komplett abbilden könne, so Rodrigues. Denn Schmerzmittel wie Ibuprofen, Diclofenac und Co. seien auch rezeptfrei erhältlich. Behandelnden Ärztinnen und Ärzten fehle die Kenntnis über diese Medikamenteneinnahme, wenn Patienten nicht berichten, dass sie rezeptfreie Präparate einnehmen. „Risiken der Selbstmedikation dürfen gerade bei Schmerzmitteln nicht unterschätzt werden. Sichere Selbstmedikation ist daher ein wichtiges Thema, bei dem die Barmer im Rahmen ihrer elektronischen Patientenakte eCare ihre Versicherten patientenspezifisch unterstützt“, so Rodrigues.