STANDORTinfo für Niedersachsen und Bremen

Armut macht krank und Krankheit macht arm

Lesedauer unter 3 Minuten

Interview mit der Bundestagskandidatin Dr. Kappert-Gonther

Dr. Kirsten Kappert-Gonther ist Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie und seit sechs Jahren Mitglied der Bremischen Bürgerschaft für Bündnis 90/DIE GRÜNEN, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und die gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. Ende 2016 wurde sie mit 88% der Stimmen der Bremer GRÜNEN zur Spitzenkandidatin für die im September stattfindenden Bundestagswahl gewählt.

Michael Nicolai, Politikreferent der Barmer Landesvertretung Niedersachsen/Bremen und ehemaliger Hauptstadtreferent der Deutschen BKK in Berlin, bat aus diesem Anlass um ein Interview. Zu Beginn verriet Dr. Kappert-Gonther, dass sie und ihre Familie langjährig zufriedene Mitglieder der Barmer sind.

Was sind Ihre politischen Schwerpunkte? Was wollen Sie in Berlin erreichen, wenn Sie in den Deutschen Bundestag gewählt werden?

Dr. Kappert-Gonther: Seitdem ich in die Bremer Bürgerschaft gewählt wurde, bin ich für die Gesundheitspolitik für uns Grüne verantwortlich. Mir ist wichtig, dass alle politischen Entscheidungen auch auf ihren Einfluss auf die allgemeine Gesundheit hin überprüft werden. Auch soziale Gerechtigkeit wirkt sich direkt aus. Armut macht krank und Krankheit macht arm. Das kann man doch nicht einfach so hinnehmen. Also müssen wir mehr für soziale Gerechtigkeit tun. Die Kombination zwischen Gerechtigkeit und Umwelt- bzw. Klimaschutz ist mir wichtig. Mich da einzubringen ist für mich folgerichtig. Dafür gebe ich auch etwas auf, denn ich werde meine Praxis für Psychotherapie nicht parallel weiterbetreiben können. Das ist für mich ein echter Verlust, mir wird die ärztliche Arbeit sehr fehlen. Aber so ist das eben, wir müssen uns alle entscheiden, wo wir uns einbringen wollen.

Welche Perspektiven sehen Sie für das Solidaritätsprinzip in der GKV?

Dr. Kappert-Gonther: Das Gesundheitssystem muss wieder paritätisch finanziert werden und wir brauchen eine solidarische Bürgerversicherung. Es kann doch nicht sein, dass es auf einer Seite das Solidarsystem gibt und gerade die Gesünderen und Besserverdienenden sich daraus verabschieden können. Solidarität ist keine Einbahnstraße, höhere Einkommen können mehr bezahlen. Einkommen aus Vermögen, Vermietung und Aktiengewinnen müssen zur Finanzierung herangezogen werden in einer gemeinsamen Bürgerversicherung.

Welche gesundheitspolitischen Themen werden nach der Bundestagswahl eine Rolle spielen?

Dr. Kappert-Gonther: Gesundheitsschutz und Prävention müssen weiter verbessert werden. Das gilt auch besonders für den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz. Die Angebote für Menschen mit psychischen Krankheiten müssen bundesweit verbessert werden. Gerade Schwer- und chronisch Kranke finden häufig nicht die Art von Behandlung, die sie benötigen. Dafür müssen die ambulanten Angebote ausgebaut und mit den stationären Angeboten dringend besser vernetzt werden. Und noch ein Thema, das mir besonders am Herzen liegt: Gesundheit fängt ja am Anfang des Lebens an. Natürliche Geburten sollten stärker gefördert werden. Dafür müsste es für die Krankenhäuser attraktiver werden, Frauen gut während der Geburt zu begleiten anstatt einen Kaiserschnitt durchzuführen. Entscheidend für die Qualitätsverbesserung im Gesundheitsbereich ist es, die Rechte und Mitsprachemöglichkeiten für Patientinnen und Patienten zu verbessern.

Und last but not least: Die Krankenhausfinanzierung muss grundsätzlich überarbeitet werden. Krankenhäuser sind Orte der Daseinsvorsorge. Wir alle sind auf gute Krankenhäuser, die schnell erreichbar sind, angewiesen – sie müssen auch finanziell so ausgestattet werden, dass dort genügend gut ausgebildetes Personal arbeitet. Insgesamt muss bei der Krankenhausplanung viel mehr berücksichtigt werden, was die Menschen in der Region wirklich brauchen. Ich möchte, dass die Menschen gesund leben können – dazu brauchen wir gute Diskussionen darüber, was für die Menschen vor Ort wichtig ist.