Pressemitteilungen aus Niedersachsen und Bremen

2. Versorgungsdialog 2029: Stationäre Versorgung neu ausrichten

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Hannover, 19. Februar 2020 – Um eine flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung für alle Versicherten sicherzustellen, herrscht akuter Handlungsbedarf. Krankenhäuser beklagen einen Rückstau an Investitionen, Expert*innen zu kleine Einheiten, zu hohe Fallzahlen und Qualitätsdefizite. Dazu kommt eine Unzufriedenheit der Patient*innen mit der Versorgungssicherheit in der stationären Versorgung und der Terminsituation und Erreichbarkeit im ambulanten Bereich. Beim 2. Versorgungsdialog 2029 in Hannover, der gemeinsam mit der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen e. V. durchgeführt wurde, forderte Barmer Landesgeschäftsführerin Heike Sander, dass eine sektorenübergreifende Versorgung etabliert werden und eine Spezialisierung der bestehenden Krankenhäuser vorangetrieben werden müsse. Die finanziellen und personellen Ressourcen müssten dafür in die richtigen Bahnen gelenkt werden. Damit in Zukunft eine flächendeckende und wohnortnahe medizinische Versorgung gewährleistet werden könne, gehöre die sektorenübergreifende medizinische Versorgung zu den wichtigsten Themen der niedersächsischen Gesundheitspolitik, unterstrich Heiger Scholz, Staatssekretär im Niedersächsischen Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung: „Die traditionellen Versorgungspfade stoßen aufgrund teils starrer Strukturen oft an ihre Grenzen. Nur mit bedarfsgerechtem Ressourceneinsatz und einer höheren Effizienz wird eine sektorenübergreifende Versorgung möglich sein. Diese muss sich künftig mehr am Behandlungsbedarf der Patientinnen und Patienten ausrichten. Große Potenziale bieten hierbei digitale Innovationen, wie etwa die Telemedizin und Fernbehandlungen oder auch telemedizinische Netzwerke beispielsweise für Tumorkonferenzen.“ 

Einführung einer Leistungsplanung

Im Fokus der neuen sektorenübergreifenden Versorgungsplanung stehen dabei fachärztliche Leistungen an der Schnittstelle zwischen allgemeiner fachärztlicher ambulanter Versorgung sowie der Grund- und Regelversorgung im Krankenhaus. „Um eine sektorenübergreifende Versorgung einzuführen, müssen wir daher weg von der bisherigen Kapazitätsplanung und hin zur Leistungsplanung, die sich nach dem tatsächlichen Bedarf vor Ort richtet. Hierfür werden die Diagnosedaten aller ambulanten und stationären Behandlungen benötigt. Diese sollten von einem unabhängigen Institut ausgewertet werden. In ländlichen Regionen benötigen wir Versorgungsverbünde, die untereinander digital vernetzt sind und somit die Zusammenarbeit über die Sektorengrenze hinweg unterstützen und die Versorgung der Versicherten gemeinsam sicherstellen“, so Sander. 

Mindestmengen als Qualitätskriterium

Die bisher vorgegebenen Mindestmengen des G-BA müssen auf weitere Indikationen ausgeweitet werden, da bei vielen Leistungen dies die Qualität und damit auch die Sicherheit für die Versicherten verbessert. „Das führt unweigerlich dazu, dass sich Krankenhäuser spezialisieren müssen, da nicht alle Häuser die entsprechenden Anforderungen bzw. Mindestmengen für alle Indikation erfüllen können“, sagt Sander. Dies hätte auch den Vorteil, dass die personellen und finanziellen Ressourcen, die sich in den nächsten Jahren weiter verknappen werden, besser eingesetzt werden könnten. Trotz der Zentralisierung der Krankenhausversorgung muss die Erreichbarkeit und die Notfallversorgung im Auge behalten werden. Hierfür wäre es sinnvoll, integrierte Leitstellen für die Notfallversorgung zu gründen, um Patient*innen in der Notfallversorgung besser zu lenken. Dafür bietet sich ein System an, in dem nach Dringlichkeit entschieden wird, in welchen Versorgungszweig die Anrufer*innen weitergeleitet werden. Da nicht alle Patient*innen anrufen, sondern direkt die Notfallambulanzen aufsuchen, sollten dort integrierte Notfallzentren eingerichtet werden, die mit den gleichen Kriterien über den zu wählenden Versorgungspfad entscheiden. Oberstes Ziel aller Beteiligten in Bund und Ländern sollte sein, die medizinische Versorgung so aufzustellen, dass die Qualität der Behandlung und die Erreichbarkeit sichergestellt sind. Außerdem müssten die personellen Ressourcen so eingesetzt werden, dass keine Überlastung der Beschäftigten stattfindet und trotzdem müsse die Finanzierbarkeit des Systems im Auge behalten werden. 

Einsatz der finanziellen Mittel muss neu gedacht werden

Um die Spezialisierung weiterhin voranzubringen, sollte die Investitionsmittel der Länder für die Krankenhäuser daran gebunden sein, dass Veränderungen herbeigeführt werden. Damit keine finanzielle Benachteiligung beim Aufbruch der Sektorengrenze entsteht, sollte ein neues Vergütungssystem für diese Leistungen, die sowohl von niedergelassenen (Fach-)Ärzten als auch von Krankenhäusern erbracht werden können, entwickelt werden. „Statt in Arztsitzen und Krankenhausbetten zu rechnen, sollte künftig an bundesweiten empirischen Daten orientiert der tatsächliche Bedarf ermittelt werden. Es gibt bereits die richtigen Instrumente, ebenso gibt es viele Ideen für die Zukunft. Jetzt fehlt nur noch das konsequente Handeln der Verantwortlichen“, betont Heike Sander. 

Enquetekommission des Niedersächsischen Landtages arbeitet an Lösungen

Um aktuellen Herausforderungen im deutschen Gesundheitswesen zu begegnen und dieses zukunftsorientiert weiterzuentwickeln, bedarf es neuer Wege. Der Niedersächsische Landtag beschloss vor diesem Hintergrund die Einsetzung einer Enquetekommission zum Thema „Sicherstellung der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung in Niedersachsen – für eine qualitativ hochwertige und wohnortnahe medizinische Versorgung“, welche sich aus Expert*innen sowie Abgeordneten des Landtages zusammensetzt und seit Januar 2019 neue Lösungsansätze zu Fragen der gesundheitlichen Versorgung erarbeitet. Die Fertigstellung und Veröffentlichung des Berichtes ist für den Juli dieses Jahres geplant und wird gespannt erwartet.