Eine niedergeschlagene junge Frau liegt mit dem Smartphone in der Hand auf dem Bett. Sie ist Opfer von Cybermobbing geworden.
STANDORTinfo für Mecklenburg-Vorpommern

„Cybermobbing macht krank – Hinschauen hilft“

Lesedauer unter 6 Minuten

Smartphones und Tablets stehen auf den Wunschzetteln zu Weihnachten ganz oben. Doch der Umgang mit Handy und Co. kann Risiken mit sich bringen. So hat laut SINUS-Jugendstudie 2020 bereits jeder fünfte Jugendliche in Deutschland zwischen 14 und 17 Jahren Erfahrungen mit Cybermobbing gemacht. Besonders Mädchen berichten davon. Mit einer Online-Kampagne will die Barmer über Cybermobbing und Hass im Netz aufklären. Barmer-Landeschef Henning Kutzbach erklärt im Interview, welche Auswirkungen Cybermobbing auf die Gesundheit junger Menschen haben kann und wo es Hilfe gibt. 

Was genau ist eigentlich Cybermobbing?

Henning Kutzbach: Mobbing ganz allgemein bedeutet, jemanden gezielt psychisch, aber auch körperlich fertigzumachen. Das geht vom Lächerlich machen über Beleidigungen bis hin zu körperlicher Gewalt. Und dieses Phänomen verlagert sich auch ins Netz, hier spricht man dann von Cybermobbing. Da werden gefälschte Fotos des Opfers gezeigt oder private, vielleicht peinliche Situationen per Foto oder Video veröffentlicht. In Gruppen wird hämisch oder beleidigend über jemanden hergezogen. Sogar Profile werden gehackt und gefälscht.

Wer ist denn vor allem von Cybermobbing betroffen?

Wer sich im Internet aufhält und dort Dinge über sich preisgibt, kann Opfer einer Cybermobbing-Attacke werden. Das trifft natürlich vor allem Kinder und Jugendliche, die in der digitalen Welt groß werden und oft leichtfertig Dinge im Internet teilen. 

Ist Cybermobbing bei uns in Mecklenburg-Vorpommern überhaupt ein Thema?

Leider ja. Die Forschung zeigt, dass Cybermobbing überall vorkommt, in allen Regionen Deutschlands, in allen Schulformen. Und die Konsequenzen sind oft noch viel schlimmer als bei klassischem Mobbing in der Offline-Welt. Deshalb ist es wichtig, dass jeder in seinem Umfeld auf Anzeichen achtet und eine digitale Zivilcourage entwickelt. 

Und wieso ist Cybermobbing ein Thema für die Barmer?

So toll die vielen Chancen sind, die sich aus der Digitalisierung für junge Menschen ergeben, so genau müssen wir immer wieder hinschauen: Was macht uns gesund, was macht uns krank? Cybermobbing endet nicht an der Haus- oder Wohnungstür. Niemand kann genau wissen, wie viele Personen das beschämende Foto gesehen oder die Lüge gehört haben, die verbreitet wurde. Daher ist Cybermobbing kein dummer Jungenstreich, sondern extrem belastend für die Opfer. Und die Liste der körperlichen und seelischen Symptome, die Cybermobbing auslösen kann, ist lang. Darüber möchten wir aufklären.

Was können Opfer von Cybermobbing tun?

In keinem Fall sollte man auf solche E-Mails oder SMS antworten, sondern sich zunächst bei der Familie oder im Freundeskreis Rat suchen. Wenn das nicht geht, gibt es auch Hilfe-Hotlines, die man anrufen oder anschreiben kann. Wichtig ist auch, Beweismaterial zu sichern: Alles speichern, aufschreiben und Screenshots machen. Veranlassen sollte man die Löschung von diffamierenden Inhalten beim Netzwerk-Betreiber oder dem Betreiber der Seite. Wenn der Mobber oder die Mobberin bekannt ist, löscht der oder die Betroffene den Namen aus der Kontaktliste oder ignoriert ihn oder sie. In schwerwiegenden Fällen erstattet man Anzeige.

Drohen gesundheitliche Risiken?

Ob beleidigende Mails, peinliche Videos oder Bloßstellungen auf in den sozialen Medien – Cybermobbing kann die Gesundheit stark beeinträchtigen. Von körperlichen Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Schlafstörungen bis hin zu Depressionen ist die Bandbreite möglicher Folgen sehr groß.

Wie können Eltern helfen?

Vor allem, indem Eltern ihrem Kind zur Seite stehen und dessen Selbstbewusstsein stärken. Die wichtigste Botschaft: „Es liegt nicht an Dir!“ Gerade bei Cybermobbing ist es wichtig, dass Kinder sich trauen, offen darüber zu reden, statt sich zu fürchten, dass ihnen die Eltern zusätzlich auch noch das Handy wegnehmen.

Was tue ich, wenn ich merke, dass jemand Opfer wird?

Am besten ist es, die Person direkt anzusprechen und ihr zu sagen: „Ich bin für dich da!“ Niemand darf das Gefühl haben, in der Situation alleine zu sein und selbst damit klarkommen zu müssen.

Wie hilft die Barmer?

Die Barmer kooperiert dazu mit krisenchat.de. Das neue Online-Angebot wendet sich gezielt an Jugendliche mit akuten psychischen Problemen. Für sie muss ein Hilfsangebot unkompliziert und sofort verfügbar sein – direkt per Smartphone kontaktierbar, ohne dass vorher eine Praxis aufgesucht werden muss. Bei krisenchat.de wird Kindern und Jugendlichen kostenlose Beratung in Notsituationen angeboten, rund um die Uhr per SMS oder WhatsApp, ohne Anmeldung und Registrierung. Geschulte ehrenamtliche Krisenberaterinnen und -berater aus Psychotherapie, Psychologie, Sozialpädagogik oder soziale Arbeit antworten innerhalb einer Minute.

  1. Habe gesundes Misstrauen gegenüber Fremden und falschen Freunden.
  2. Ruhe bewahren und keine Selbstzweifel aufkommen lassen. Denn: Du bist okay, so wie Du bist!
  3. Nicht reagieren. Auch wenn es schwerfällt: Die Täter warten wahrscheinlich nur darauf, Deine Reaktion als Aufhänger für den nächsten Angriff zu nutzen.
  4. Hol Dir Hilfe und rede darüber. Wende Dich an Deine Eltern, Lehrer oder andere erwachsene Personen, denen Du vertraust, oder an eine offizielle Hilfseinrichtung.
  5. Dokumentiere die Angriffe. Sichere Kopien von Attacken, die Du erlebst. Das hilft später bei der Aufklärung des Falles.
  6. Sperre die Täterin oder den Täter oder/und melde sie oder ihn beim jeweiligen Social-Media-Anbieter.
  7. Lass die Inhalte vom Social-Media-Anbieter (Impressum!) löschen, soweit dies möglich ist.
  8. Kenne Deine Rechte. Niemand darf Dich – weder online noch offline – verletzen und beleidigen und auch nicht unerlaubt Fotos oder Videos von Dir veröffentlichen.
  9. In schlimmen Fällen: Wende Dich an die Polizei, erstatte Anzeige.
  10. Hilf betroffenen Freunden: Wer Cybermobbing erlebt, braucht jemanden, der zu ihm hält.
  1. Sprechen Sie mit ihren Kindern so früh wie möglich über Risiken im Internet.
  2. Seien Sie der sichere Hafen und bieten Sie uneingeschränkten Rückhalt.
  3. Hören Sie aufmerksam zu.
  4. Signalisieren Sie, dass stets über alle Probleme geredet werden kann und dass Sie gemeinsam Lösungen dafür finden werden.
  5. Drohen Sie nicht, das Handy wegzunehmen oder mit anderen Strafen.
  6. Werden Sie aktiv – Cybermobbing verstummt nicht von allein.
  7. Melden Sie den Vorfall dem Betreiber der jeweiligen Online-Plattform.
  8. Löschen Sie die Mobberin oder den Mobber aus der Kontaktliste.
  9. Sichern Sie Beweismaterial.
  10. Kontaktieren Sie die Schule, nach Rücksprache mit dem Kind gegebenenfalls auch die Eltern der Täterinnen und Täter und – wenn diese Maßnahmen nicht helfen – durchaus auch die Polizei. 
  • krisenchat.de ist ein bundesweites, ehrenamtliches und kostenloses Hilfsangebot für Kinder und junge Erwachsene in Not. Das Angebot bietet Kindern und Jugendlichen professionelle Hilfe – jeden Tag, 24 Stunden, per SMS oder WhatsApp. Krisenchat.de verspricht, kurzfristig, professionell und empathisch auf eine Nachricht zu antworten. Der Chatkanal wird von ehrenamtlichen qualifizierten Krisenberaterinnen und -beratern betrieben.
  • Neben wichtigen Informationen rund um Cybermobbing bietet die Webseite Cyberhelp unter anderem Unterrichtsmaterialien für Lehrerinnen und Lehrer und Pädagoginnen und Pädagogen sowie Trainingsmodule für die Jugendsozialarbeit außerhalb des schulischen Alltags. Sehr empfehlenswert auch für weiterführende Links für Eltern, Lehrerinnen und Lehrer und Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.
  • Die Seite des Bündnis gegen Cybermobbing e.V. bietet übersichtlich strukturier Anlaufstellen und gute Tipps für Opfer von Cybermobbing, deren Eltern und Lehrerinnen und Lehrer. Zudem gibt es Empfehlungen und Angebote speziell für Schulen.
  • Die Nummer gegen Kummer ist eine kostenfreie Anlaufstelle bei psychischen Problemen – auch bei Cybermobbing, das psychisch schwer belastend sein kann. Kinder und Jugendliche wählen 0800 / 1110333, Eltern und Pädagogen 0800 / 1110550