Blutkonserven in der Blutbank der Helios Kliniken Schwerin
Pressemitteilungen aus Mecklenburg-Vorpommern

Weniger Blut, mehr Sicherheit für Patienten

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Schwerin, 20. Februar 2020 – In Mecklenburg-Vorpommern erhalten knapp acht Prozent der Patientinnen und Patienten bei einer Operation eine Bluttransfusion. In keinem anderen Bundesland ist die Transfusionsrate so hoch wie im Nordosten. Das ist ein Ergebnis des aktuellen Barmer Krankenhausreports. 

„Bluttransfusionen retten Leben, jedoch wird die Ressource Blut knapp“, sagt Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der Barmer. Da es in Mecklenburg-Vorpommern immer weniger junge Menschen gibt, gibt es auch weniger potenzielle Blutspender. Auf der anderen Seite steigt der Blutbedarf aufgrund der älter werdenden Gesellschaft weiter an. „Es ist ein Missverhältnis zwischen Blutangebot und Blutbedarf entstanden“, so Kutzbach. Er plädiert daher für einen bewussten und ressourcenschonenden Umgang mit Eigen- und Fremdblut. Das ist die Grundidee des sogenannten Patient Blood Managements (PBM).

Die Grafik zeigt die Transfusionsraten je Länder. Die höchste Rate hat Mecklenburg-Vorpommern.

Ziel dieses Behandlungskonzeptes ist es, Blutverluste und Bluttransfusionen bei Operationen zu reduzieren. Das kann durch die Anwendung blutsparender Operationstechniken, durch einen restriktiven Umgang mit Blutkonserven sowie der Diagnose und Behandlung einer Blutarmut (Anämie) vor einem geplanten Eingriff gelingen. Im Vordergrund steht dabei das Wohl und die Sicherheit des Patienten. „Blutkonserven können Leben retten. Es darf nicht vergessen werden, dass eine Transfusion bei all ihren Vorteilen immer mit Risiken für den Empfänger verbunden ist“, so der BARMER-Landeschef. Im aktuellen Barmer Krankenhausreport konnte gezeigt werden, dass in Häusern nach Einführung von PBM die Transfusionsraten bei gleichbleibenden Behandlungsergebnissen und Fallkosten gesunken sind. „Dieses Ergebnis spricht dafür, dass PBM-Maßnahmen in allen Krankenhäusern des Landes umgesetzt werden sollten“, fordert Henning Kutzbach.

Hilfe für Menschen mit Blutarmut

Patient Blood Management kann vor allem Menschen mit Blutarmut helfen. Anämien sind ein (relativ häufig auftretender) Risikofaktor bei Operationen. In Mecklenburg-Vorpommern ist bei mehr als 35.000 Menschen eine Eisenmangelanämie ärztlich dokumentiert. Die tatsächliche Betroffenenzahl dürfte um ein Vielfaches höher liegen. Wie der BARMER Krankenhausreport aufzeigt, wirkt sich eine im Vorfeld einer planbaren Operation erkannte und behandelte (Eisenmangel-)Anämie positiv aus: Die Folge sind bessere Behandlungsergebnisse, kürzere Krankenhausaufenthalte, eine niedrigere Sterblichkeitsrate, geringere Kosten und ein geringerer Verbrauch an Blutkonserven. „Wenn möglich, sollten Anämien präoperativ behandelt werden, um Transfusionen zu vermeiden und mehr Patientensicherheit zu gewährleisten“, schlussfolgert Henning Kutzbach aus den Ergebnissen.

PBM-Maßnahmen an den Helios Kliniken Schwerin

An den Helios Kliniken Schwerin werden blutsparende Maßnahmen bereits seit einigen Jahren erfolgreich umgesetzt. Prof. Dr. Jochen Renner, Chefarzt der Klinik für Anästhesiologie, erklärt: „Vor den geplanten Operationen wird frühzeitig, meist zwei Wochen vorher, eine Blutanalyse durchgeführt. Dabei überprüfen wir unter anderem, ob eine Blutarmut vorliegt und welche Ursachen dafür in Frage kommen.“ Etwa 80 Prozent aller Anämien beruhen laut Prof. Renner auf einem Eisenmangel und sind gut zu behandeln. „Insbesondere mit der intravenösen Eisentherapie kann die Blutbildung angeregt und die Blutarmut somit vor der geplanten Operation gezielt reguliert werden“, so der Mediziner.

„Der rationale Einsatz von Blutkonserven steht beim Patient Blood Management an erster Stelle. Nicht nur, weil das Blutangebot sinkt, sondern weil durch mehr Bluttransfusionen auch das Risiko für Folgeerkrankungen wie Nierenversagen oder Lungenentzündungen steigt“, ergänzt Prof. Dr. Jörg Peter Ritz aus der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie. Besonders bei seltenen Krankheiten und schwerstkranken Krebspatienten, die Helios Schwerin als Maximalversorger vermehrt behandelt, ist PBM angeraten. „Ein dezidiertes Blutbild ist für diese Patienten lebenswichtig“, so Prof. Ritz.

Deutschland ist Weltmeister im Verbrauch von Blutkonserven

Im Ausland wird PBM bereits flächendeckend erfolgreich angewendet, etwa in Australien und in den Niederlanden. Bei unseren europäischen Nachbarn liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Blutkonserven laut Barmer Krankenhausreport bei 24 Transfusionseinheiten je 1000 Einwohner. Deutschland kommt auf rund 39 Einheiten. Auch wenn der Blutverbrauch in den letzten Jahren deutschlandweit gesunken ist – am stärksten sogar in Mecklenburg-Vorpommern um minus 25 Prozent – wird das nicht ausreichen, um den (künftigen) Blutbedarf zu decken. „Wir fordern deshalb die Ausweitung und Umsetzung von PBM-Maßnahmen in Mecklenburg-Vorpommern und auf Bundesebene“, so Kutzbach. Wichtig sei hier vor allem Transparenz. Bisher wisse man nicht, welche Krankenhäuser in Mecklenburg-Vorpommern PBM-Maßnahmen durchführen. „Ein erster Schritt wäre der Aufbau eines zentralen Landesregisters, über das sich Patienten informieren können“, so Kutzbach.

Säule 1 – Anämie erkennen und behandeln: Zentrale Maßnahmen sind Diagnose und Behandlung einer Anämie. Damit sollte bereits im Vorfeld von planbaren Operationen mit hoher Transfusionswahrscheinlichkeit begonnen werden. Bei planbaren Eingriffen handelt es sich um Operationen, die keine Notfälle sind und um einen gewissen Zeitraum verschoben werden könnten. Die Therapie der Anämie ist dabei gemäß der Ursache zu wählen. Es sollten Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Medikamenten beachtet werden.

Säule 2 – Blutverlust vermeiden: Ziel ist die Minimierung von Blutverlusten bei gleichzeitigem Einsatz fremdblutsparender Maßnahmen. So kann beispielsweise vor Operationen das Blutungsrisiko abgeklärt werden, kleinere Entnahmeröhrchen verringern Blutverluste und OP-Abläufe können im Hinblick auf minimale Blutverluste optimiert werden. Während Operationen werden blutsparende chirurgische Techniken wie zum Beispiel minimalinvasive Eingriffe angewendet, blutstillende Mittel kommen zum Einsatz und es werden Maßnahmen zur Bluterhaltung, wie bspw. maschinelle Autotransfusion (Blutverluste bei OP werden aufgefangen, gewaschen und dem Patienten zurück transfundiert) umgesetzt.

Säule 3 – Blutkonserven rational einsetzen: Hierbei geht es um Maßnahmen, die auf den rationalen Einsatz von Blutkonserven abzielen. Es soll ein starkes Bewusstsein für eine sorgfältige Abwägung bezüglich der Entscheidungen über Bluttransfusionen geschaffen werden. Erst wenn rationale Kriterien erfüllt sind, sollte eine Transfusion verabreicht werden.

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Wenn die Rede von einer Bluttransfusion ist, dann ist damit die Transfusion eines Erythrozytenkonzentrats gemeint, also ein Konzentrat aus roten Blutkörperchen. Ein Bestandteil der roten Blutkörperchen ist der rote Blutfarbstoff Hämoglobin, ein eisenhaltiges Protein. Dieses befähigt die roten Blutkörperchen zum Transport von Sauerstoff im Blut. Im Jahr 2017 sind in Deutschland 38,9 Erythrozytenkonzentrate je 1.000 Einwohner verbraucht worden. In keinem anderen Land der Welt wird so viel Blut verbraucht. Beispielsweise waren es in den Niederlanden nur 23,8 Erythrozytenkonzentrate je 1.000 Einwohner.

Eine Blutarmut, auch als Anämie bezeichnet, ist ein Mangel an roten Blutkörperchen (Erythrozyten) und rotem Blutfarbstoff (Hämoglobin). Die Hauptaufgabe der roten Blutkörperchen ist es, Sauerstoff von der Lunge zu den verschiedenen Geweben des Körpers zu transportieren. 50 Prozent der Anämien sind durch Eisenmangel bedingt. In Mecklenburg-Vorpommern ist bei mehr als 35.000 Menschen eine Eisenmangelanämie ärztlich dokumentiert. Auf Grundlage der dokumentierten Daten haben hochgerechnet mindestens 70.000 Mecklenburger eine Anämie, die tatsächliche Zahl wird vermutlich höher sein. Eisenmangelanämie gilt als vierthäufigste Erkrankung weltweit

Blässe, Müdigkeit und Erschöpfung sind Anzeichen einer Blutarmut. Grund für eine Anämie kann zum Beispiel eine starke Regelblutung bei Frauen sein, aber auch ein Mangel an Nährstoffen wie Vitamin B12 und Folsäure. Am häufigsten entsteht die Anämie durch Eisenmangel. Das Spurenelement spielt eine entscheidende Rolle als Baustein der Blutkörperchen. Diese Form der Krankheit lässt sich einfach behandeln: Meist genügt eine Ernährungsumstellung, bei der anfangs viel Eisen zugeführt wird, um die Depots zu füllen, und später dafür Sorge getragen, dass sich kein Mangel mehr einstellt. Eine große Menge des wichtigen Spurenelements steckt beispielsweise in Schweineleber und Austern. Vegetarier und Veganer können sich mit Hülsenfrüchten behelfen: Linsen, Erbsen und weißen Bohnen. Weitere pflanzliche Eisen-Lieferanten: Pfifferlinge und rote Bete.