Schwerin, 11. Oktober 2023 – In allen Landkreisen und kreisfreien Städten in Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anteil chronischer Schmerzpatientinnen und -patienten über dem Bundesdurchschnitt. Das geht aus dem heute in Schwerin vorgestellten Schmerz-Atlas des BARMER Instituts für Gesundheitssystemforschung (bifg) hervor, der Abrechnungsdaten aus dem Jahr 2021 analysiert hat. Demnach leiden in Mecklenburg-Vorpommern 642 je 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner länger als sechs Monate an Schmerzen. Damit liegt der Nordosten der Republik um zwölf Prozent über dem Bundesschnitt von 571 je 10.000 Einwohner. Am geringsten ist die Rate im Kreis Nordwestmecklenburg mit 602 Betroffenen und am höchsten in Schwerin mit 827 Betroffenen je 10.000 Einwohnern. „Schmerz macht den Alltag zur Tortur. Betroffene benötigen im Bedarfsfall eine ganzheitliche, multimodale Schmerztherapie. Sie soll verhindern, dass sich der Schmerz noch weiter chronifiziert“, sagt Henning Kutzbach, Landesgeschäftsführer der BARMER in Mecklenburg-Vorpommern. Wichtig sei zuerst eine umfassende Schmerzdiagnostik. Die BARMER biete ihren Versicherten dazu ein ambulantes interdisziplinäres multimodales Assessment an, kurz A-IMA. Diese neue Form der Untersuchung werde von Fachleuten verschiedener Disziplinen durchgeführt. Denn Schmerz habe viele Facetten und in der Regel nicht nur eine Ursache. Wenn es die Situation erfordere, könne darauf mit einer multimodalen Schmerztherapie individuell und ganzheitlich reagiert werden.
Schmerzdiagnosen kommen nicht erst im Alter
Wie aus dem BARMER-Atlas weiter hervorgeht, tritt chronischer Schmerz bei Weitem nicht erst im Rentenalter auf. Zwischen 40 und 49 Jahren leiden in Mecklenburg-Vorpommern bereits 352 je 10.000 Einwohner unter der Erkrankung. In der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen fällt die Betroffenheit mit 813 je 10.000 Einwohnern nochmal deutlich höher aus. Bei Betrachtung einzelner Branchen sind im Nordosten vor allem Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung (441 je 10.000) von Schmerzdiagnosen betroffen. Dem folgen die Branchen Erziehung und Unterricht (364 je 10.000) sowie Gesundheits- und Sozialwesen (360 je 10.000). „Gerade für Berufstätige ist es wichtig, dass sie eine multimodale Schmerztherapie auch berufsbegleitend durchführen können. So vermeiden sie längere Arbeitsunfähigkeiten und integrieren die erlernten Fähigkeiten direkt in den Alltag“, sagt Kutzbach. Die multimodale Schmerztherapie erfolge im Rahmen des Innovationsfondsprojektes PAIN2.0, an dem unter anderem die Deutsche Schmerzgesellschaft und die BARMER beteiligt seien. Dessen Ergebnisse würden wissenschaftlich evaluiert und sollten bei positiver Bewertung in die Regelversorgung übernommen werden.
Chronischer Schmerz ist eine eigenständige Erkrankung
Bei chronischem Schmerz sei es wichtig, einen ganzheitlichen Behandlungsansatz zu verfolgen. Denn der dauerhafte Schmerz sei nicht nur ein alleiniges körperliches Leiden, so Kutzbach. Auch die Seele spiele hierbei eine große Rolle. So litten in Deutschland zum Beispiel 39 Prozent der Personen mit chronischem Schmerz zugleich auch an einer Depression. Der multimodale Behandlungsansatz verbinde physiotherapeutische mit psychotherapeutischen Therapieansätzen. Darüber hinaus würden soziale Aspekte in die Therapie integriert. Dabei gehe es zum Beispiel darum, wie Schmerzpatienten trotz ihrer Erkrankung weiter arbeitsfähig bleiben könnten oder wie sie im Zweifelsfall mit dem Verlust des Arbeitsplatzes umgingen.