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Barmer Pflegereport 2020: Gute Pflege braucht mehr Arbeitskräfte und bessere Arbeitsbedingungen

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Frankfurt, 5. Februar 2021 – In kaum einer anderen Branche ist der Fachkräftemangel aktuell so dramatisch spürbar wie in der Pflege. Die Corona-Pandemie hat die Situation deutlich verschärft und die ohnehin schon hohe Arbeitsbelastung der Beschäftigten noch einmal zusätzlich verstärkt. Das Resultat: Viele Pflegekräfte fühlen sich physisch und psychisch überfordert. Das geht aus dem Barmer Pflegereport 2020 hervor. Demnach sind auch Pflegekräfte in Hessen deutlich häufiger krank und werden öfter frühverrentet als viele andere Berufstätige. Umgerechnet verliert der Pflegebereich dadurch in Hessen ein Potential von über 1.660 Pflegekräften.
„Die Pflegeberufe müssen dringend deutlich arbeitnehmerfreundlicher werden“, betont Martin Till, Landesgeschäftsführer der Barmer in Hessen und verweist auf die Auswertungen für den jüngsten Pflegereport. Mit substanziell und nachhaltig besseren Arbeitsbedingungen könnte der Pflegeberuf nicht nur zeitnah attraktiver gestaltet werden auch die gesundheitliche Situation würde sich verbessern. Bessere Arbeitsbedingungen zeichnen sich allerdings nicht nur durch eine angemessene Vergütung, sondern auch durch planbare und familienfreundliche Arbeitszeiten aus.

Höherer Krankenstand und mehr Frühverrentung in den Pflegeberufen

Zwischen den Jahren 2016 und 2018 waren den Ergebnissen des Pflegereports zufolge 8,2 Prozent der hessischen Hilfskräfte und 7 Prozent der Fachkräfte in der Altenpflege krankgeschrieben. In anderen Berufen lag der Krankenstand in Hessen im Schnitt bei 4,9 Prozent. Das entspricht einem Unterschied von bis zu 67 Prozent. Im Vergleich zu anderen Berufsgruppen werden Pflegekräfte häufiger und länger im Krankenhaus behandelt. „Die Arbeitssituation in der Pflege greift die Gesundheit der Beschäftigten massiv an. Wenn sie ausfallen, werden Kolleginnen und Kollegen zusätzlich belastet. Dieser Teufelskreis muss durchbrochen werden, zumal die Corona-Pandemie die angespannte Arbeitssituation noch einmal verschärft“, betont Martin Till. Der Pflegeberuf sei so kraftraubend, dass überproportional viele Beschäftigte nicht bis zur Rente durchhielten. So sei der Anteil der Pflegehilfskräfte mit einer Erwerbsminderungsrente fast doppelt so hoch wie in sonstigen Berufen.

Pflege geht vor allem auf den Rücken

Wie groß der Handlungsbedarf in der Pflege ist, verdeutlicht der Pflegereport auch mit Blick auf den Krankenstand. So fehlte jede krankgeschriebene Altenpflegefachkraft in den Jahren 2016 bis 2018 im Schnitt 18,6 Tage und damit 40 Prozent länger als Beschäftigte in sonstigen Berufen (13,3 Fehltage). Altenpflegehilfskräfte waren sogar im Schnitt 20,2 Tage krank. „Pflegekräfte haben vor allem lange Fehlzeiten aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen und psychischen Problemen“, so Martin Till. Beschäftigte in der Altenpflege wiesen etwa 80 bis 90 Prozent mehr Fehltage aufgrund von Depressionen auf als Erwerbstätige in sonstigen Berufen. Rückenschmerzen verursachen bei Fachkräften in der Altenpflege knapp 96 Prozent und bei Pflegehilfskräften etwa 180 Prozent mehr Fehltage als in anderen Berufen. „An vielen Baustellen wird derzeit gearbeitet um Pflege auf Dauer attraktiver zu gestalten, angefangen bei entsprechenden Gehaltsverhandlungen bis hin zu neuen Personalbemessungsinstrumenten“, so Martin Till. „Aber auch die Arbeitsbedingungen können nicht so bleiben, wie sie sind. Hier sind die Arbeitgeber in der Pflicht, neben geregelten Arbeitszeiten stärker auf die Vorsorge zu setzen. Es kann nicht angehen, dass nicht einmal jede zweite stationäre Pflegeeinrichtung Präventionskurse für ihre Beschäftigten anbiete. Mit gezielten Trainings gegen Rückenprobleme oder psychischen Stress könne einiges erreicht werden.

Aus- und Weiterbildungsoffensive zwingend erforderlich

Um die Situation in der Pflege nachhaltig zu verbessern, sei aber ein ganzes Maßnahmenpaket erforderlich, ergänzt Till. „In den Pflegberufen ist eine Aus- und Weiterbildungsoffensive zwingend erforderlich. Der Gesetzgeber hat mit der Konzertierten Aktion Pflege, die bis zum Jahr 2023 einen deutlichen Zuwachs an Ausbildungsplätzen vorsieht, einen wichtigen Schritt getan. Allerdings richtet sich der Fokus dabei nur auf Pflegefachkräfte. Das reiche aber nicht aus. Die Pflegedienste und -heime müssen verstärkt auch Ausbildungsplätze für Pflegehilfskräfte anbieten.

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