Die elektronische Patientenakte (ePA) ist im Versorgungsalltag angekommen: Seit ihrem Start im Januar wurden laut gematik knapp 70 Millionen Dokumente hochgeladen (Stand: Oktober 2025.). Zusammen mit den E-Rezept-Daten umfasst die ePA inzwischen mehr als 850 Millionen Datensätze – und die Zahl wächst täglich. Vor der verbindlichen Einführung im Oktober wurde die ePA in zwei Telematikinfrastruktur-Modellregionen (TIMO) intensiv getestet: in der Metropolregion Hamburg sowie in Franken. Im Interview mit Markus Habetha, Projektleiter der TIMO Hamburg und Umland, ziehen wir Bilanz und erklären, wie die ePA künftig zur zentralen Plattform eines digital vernetzten Gesundheitswesens werden kann.
Herr Habetha, wie bewerten Sie rückblickend die Rolle der Modellregionen?
Wir freuen uns sehr, dass wir mit der TI-Modellregion Hamburg einen erfolgreichen Beitrag zur Vorbereitung dieses Meilensteins für die Einführung der ePA leisten konnten. Im Auftrag der gematik und gemeinsam mit unseren Netzwerkpartnerinnen und -partnern aus Hamburg und Umland haben wir viele wichtige Erkenntnisse gewinnen können, die mit dem bundesweiten Rollout der ePA in die Versorgung einfließen.
Und welche Faktoren waren entscheidend für den Erfolg von TIMO?
Ganz klar: ohne das große Engagement der Leistungserbringenden in Hamburg und den interdisziplinären Austausch aller Beteiligten auf Augenhöhe wäre das Projekt nicht in dieser Form möglich gewesen. Das möchte ich hervorheben! Auch unsere Netzwerkpartner aus der Industrie haben uns tatkräftig unterstützt und die Krankenkassen standen uns ab Tag eins zur Seite.
Das hat gezeigt, wie wichtig Kooperation und Kommunikation sind. Denn die Einführung der ePA auf einer sportlichen Timeline war zweifellos herausfordernd für uns alle.
Doch genau deshalb war es so wichtig, dass in den Modellregionen sämtliche Komponenten – technisch wie organisatorisch – unter realen Bedingungen getestet wurden. Die ePA ist eben Teamsport. Damit sie im Versorgungsalltag Nutzen stiftet, müssen zahlreiche Akteure abgestimmt zusammenarbeiten.
Können Sie Beispiele nennen?
Die Zusammenarbeit war von Anfang an von einer Fokussierung auf die vereinbarten Meilensteine und gegenseitigem Respekt für die individuellen Herausforderungen geprägt. Schon in der Vorbereitungsphase haben sich in den Austauschrunden mit der gematik und den Industriepartnern gemeinsame Zielbilder und ein gemeinsames Verständnis entwickelt. Dieses Zusammenwachsen war aus meiner Sicht eine wichtige Basis für den späteren Erfolg.
Im Pilotbetrieb selbst haben die teilnehmenden Praxen, Apotheken und Kliniken dann stark von den kurzen Wegen profitiert. Im Fehlerfall konnte schnell fachkundiger Support auf der richtigen Ebene geleistet werden. Und: Die Leistungserbringenden haben sich dem Thema mit wirklich viel Interesse, Geduld und Engagement gewidmet – unterstützt durch ihre Standesorganisationen und unser Projektbüro.
Langfristig soll die ePA zur zentralen Plattform eines digital vernetzten Gesundheitswesens weiterentwickelt werden.
Gab es Feedback von Anwendenden?
Zu Beginn lag der Fokus klar auf der technischen und funktionalen Erprobung der ePA – insbesondere auf dem Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Primärsystemen in den Einrichtungen und den ePA-Aktenkonten im Hintergrund.
In der zweiten Phase ging es dann stärker um die Integration in den konkreten Prozessen im Versorgungsalltag. Dabei hat sich schnell gezeigt, dass die ePA dann ihren vollen Wert entfaltet, wenn sie systematisch und von möglichst allen am Versorgungsprozess Beteiligten genutzt wird.
Wo hat sich der Nutzen der ePA am stärksten gezeigt?
Ein gutes Beispiel ist die elektronische Medikationsliste (eML): Sie hat eindrucksvoll demonstriert, welchen Mehrwert eine strukturierte Sekundärnutzung von Daten bietet – etwa durch die standardisierte Einsicht in alle verordneten und abgegebenen Medikamente.
Ein zentrales Feedback aus der Praxis war zudem der Wunsch nach mehr proaktiver Aufklärung der Patientinnen und Patienten. Es braucht informierte Menschen, die mit ihren Behandelnden auf Augenhöhe agieren. Informationsveranstaltungen, die wir gemeinsam mit Krankenkassen und Multiplikatoren (z. B. Seniorenvertretungen) durchführen konnten, haben gezeigt, wie groß das Interesse ist, besonders bei älteren Menschen, die Gesundheitsversorgung regelmäßig in Anspruch nehmen.
Blicken wir in die Zukunft: wie kann die ePA ein nachhaltiger Erfolg werden?
Jetzt geht es darum, dass die ePA nicht nur vorhanden ist, sondern intensiv und verbreitet genutzt und weiterentwickelt wird. Alle Beteiligten wünschen sich doch, dass zusätzliche Funktionalitäten mit einem klaren Fokus auf den Nutzen im Versorgungsalltag umgesetzt werden – im Dreiklang aus Qualität, Pragmatismus und enger Zusammenarbeit. Ganz wichtig war da der kontinuierliche Austausch mit den Beteiligten. So konnten alle immer wieder auch die Perspektive der jeweils anderen Seite einnehmen – das hat sehr geholfen.
Ein Augenmerk muss sicher auf die Versorgungsübergänge gelegt werden – also etwa bei der Aufnahme oder Entlassung aus dem Krankenhaus. Dort kann die ePA großen Mehrwert entfalten, wenn relevante Informationen zur richtigen Zeit am richtigen Ort möglichst, am Point of Care unmittelbar zur Verfügung stehen.
Langfristig sollte die ePA zur zentralen Plattform eines digital vernetzten Gesundheitswesens weiterentwickelt werden. Die Grundlagen dafür sind gelegt – jetzt gilt es, gemeinsam den nächsten Schritt zu machen.