Dr. Susanne Klein, Landesgeschäftsführerin Barmer Hamburg
STANDORTinfo Hamburg

Auf den Punkt – Gesundheitspolitik aus dem Blickwinkel von Susanne Klein

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Zwischen Finanzdruck und Reformbedarf

Täglich können wir in der Presse über die aktuellen Herausforderungen des deutschen Gesundheitswesens lesen. Die steigenden Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), der Fachkräftemangel und strukturelle Defizite führen zu wachsendem politischen Handlungsdruck. Dies stellt Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) gleich zu Beginn ihrer Amtsperiode vor große Herausforderungen.

Sie erkennt durchaus die prekäre Situation und spricht bezogen auf die finanzielle Lage des Systems von einer „angespannten Situation“: Die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds und die Monatsreserven der GKV liegen deutlich unter dem gesetzlich vorgeschriebenen Niveau. Warken betonte: „Es reicht nicht mehr, nur Löcher zu stopfen – wir müssen das System strukturell stabilisieren.“

Reformschwerpunkte: Ambulantisierung, Primärarztsystem und Digitalisierung

Um das System für die Zukunft fit zu machen, greift sie die bereits bekannten Schlagworte auf:

  • Ambulantisierung: Zusammengefasst heißt das „ambulant vor stationär“, wo es medizinisch vertretbar ist. Ziel ist es, die stationäre Versorgung zu entlasten, Patientinnen und Patienten wohnortnäher zu versorgen und gleichzeitig Kosten zu senken.
  • Einführung eines Primärarztsystems: Vereinfacht gesagt unterstützt der Hausarzt bzw. die Hausärztin künftig die Patientinnen und Patienten dabei, die für sie richtige Versorgung im System zu finden. Ziel ist nicht in erster Linie die Kosteneinsparung, sondern vielmehr die Verbesserung der Versorgung durch eine bedarfs- und zielorientierte Inanspruchnahme.
  • Ausbau der Digitalisierung: Digitalisierung soll dort erfolgen, wo sie sinnvoll und möglich ist.
  • Reform der Notfallversorgung: Ziel ist es, Patientinnen und Patienten bedarfsorientiert zu leiten und die Notfalleinrichtungen zu entlasten.
  • Entbürokratisierung: Hierbei geht es um die Reduktion von Dokumentationsaufwand und Verwaltungsprozessen.

Die verschiedenen Akteure des Gesundheitssystems positionieren sich zu diesen Vorschlägen erwartungsgemäß unterschiedlich: Während GKV und KBV die Ambulantisierung befürworten, äußert die DKG naturgemäß Vorbehalte und warnt vor einem unzureichenden Ausgleich der dadurch entstehenden Erlösausfälle für Krankenhäuser. Von der Einführung eines Primärarztsystems erhofft sich die GKV eine bessere Koordination der Versorgung und die Vermeidung von Überversorgungen. Die KBV fordert ergänzend klare Regeln und eine angemessene Vergütung für die koordinierende Rolle der Hausärztinnen und Hausärzte. Die DKG mahnt an, dass die Rolle der Krankenhäuser in der sektorenübergreifenden Versorgung klar definiert und gestärkt bleiben muss, um eine qualitativ hochwertige Versorgung insbesondere bei komplexen Fällen zu gewährleisten.

Reformdruck trifft auf begrenzte Mittel

Die Digitalisierung wird als entscheidender Impulsgeber im System gesehen. Doch der Weg dorthin – insbesondere die Transformationskosten – muss laut KBV und DKG finanziert werden. Die bisher zur Verfügung gestellten Mittel reichen – wie so oft – nicht aus. Die Digitalisierung ist zudem ein Lösungsansatz für die Entbürokratisierung: Statt Papierdokumentation mit anschließender Übertragung ins digitale System soll künftig direkt digital dokumentiert werden. Gleichzeitig bleibt oft unklar, warum bestimmte Inhalte überhaupt dokumentiert werden – ein Problem, das auch die Digitalisierung allein nicht lösen kann.

Entwürfe für eine Reform der Notfallversorgung wurden bereits von den beiden vorherigen Bundesgesundheitsministern vorgelegt. Eigentlich müssten die bestehenden Ideen mit kleineren Anpassungen nur noch umgesetzt werden.

Das deutsche Gesundheitswesen befindet sich an einem Wendepunkt. Die Kombination aus demografischem Wandel, Kostensteigerungen und wachsendem Versorgungsdruck macht Reformen unausweichlich. Der ökonomische Druck ist enorm, die Kassen sind leer. Der GKV-Spitzenverband fordert eine strukturelle Entlastung der Krankenkassen – insbesondere durch die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen, etwa für Bürgergeldempfänger, aus Steuermitteln. Gleichzeitig mahnt er ein Ausgabenmoratorium an und warnt vor weiteren Beitragserhöhungen für die Versicherten.

Damit Reformen gelingen und unser Gesundheitssystem leistungsorientiert und wieder finanzierbar wird, braucht es den Mut und den Willen von Politik, Kassen, Ärzteschaft und Kliniken zu gemeinsamem Handeln. Andernfalls drohen Versorgungslücken, steigende Beiträge und ein Verlust an Versorgungsqualität.