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Kommentar zum Rettungsdienstgesetz

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Das Abgeordnetenhaus berät derzeit über die hoch umstrittene Novellierung des Rettungsdienstgesetzes. Nach jetzigem Stand soll das Gesetz am 8. September in der letzten Parlamentssitzung vor der Abgeordnetenhauswahl verabschiedet werden. Träte es in der jetzigen Fassung in Kraft, wäre es eine vertane Chance, die Notfallrettung in Berlin zu modernisieren und effiziente Strukturen für die Zukunft zu schaffen.

Was ist geplant?

  • Das neue Berufsbild des Notfallsanitäters macht eine Novellierung des bestehenden Rettungsdienstgesetztes nötig. Steigende Einsatzzahlen und immer längere Anfahrtszeiten sowie der Vorwurf, ineffizient zu sein, zwingen die Politik zusätzlich zu handeln.
    Künftig sollen im Rettungsdienst Notfallsanitäter zum Einsatz kommen. Sie haben eine umfangreichere Ausbildung als Rettungsassistenten und sollen die notfallmedizinische Versorgung verbessern. Hier wird eine Bundesregelung umgesetzt, bei der die Regierungen anderer Bundesländern die Kostenträger in die Diskussion miteinbeziehen.
  • Um Einsätze besser steuern zu können, soll es künftig neben der Notfallrettung den Notfalltransport geben. Bei einem Notruf wird entschieden, ob es sich um eine lebensbedrohliche Situation handelt (Notfallrettung), oder ob keine unmittelbare Lebensgefahr besteht (Notfalltransport). Je nachdem disponiert die Leitstelle unterschiedliche Einsatzmittel. Konkrete Fragen zur praktischen Umsetzung, zum Bedarf und zu Folgewirkungen bleiben derzeit unbeantwortet.
  • Die Berliner Feuerwehr rechnet Krankentransporte, die nicht der Notfallrettung dienen, in gleicher Höhe ab, wie die wesentlich teureren Rettungswageneinsätze. Dies ist juristisch fragwürdig und derzeit Gegenstand einer Klage beim Oberverwaltungsgericht. Das Rettungsdienstgesetz in seiner jetzigen Fassung würde diese Abrechnungspraxis rechtskräftig machen.
  • Beauftragt die Feuerwehr weiterhin private Anbieter mit Rettungsfahrten, ist künftig vorgesehen, dass diese nicht mehr direkt zwischen Kostenträgern und den Unternehmen zu günstigen Konditionen abgerechnet, sondern den Kostenträgern zu den deutlich höheren Feuerwehrgebühren in Rechnung gestellt werden.

Die neuen Regelungen sind vor allem eines, teuer

Was ist von den geplanten Maßnahmen zu halten? Hauptkritikpunkt am Gesetz ist, dass der Senat die Kostenträger bei der Regelung der Gebühren ausgeschlossen hat. Die neuen Abrechnungsregeln für Fahrten privater Transportanbieter und die Ausweitung der Gebühren für Rettungswageneinsätze auf einfache Krankentransporte werden die Ausgaben der Kostenträger weiter in die Höhe treiben. Einen in der Bundesrepublik einmaligen Notfalltransport ohne vorherige Bedarfsplanung einzuführen, ist ein Experiment, dessen Finanzierung zudem unklar bleibt. Auch eine Berliner Besonderheit ist kostspielig: Feuerwehrmänner und -frauen sind Beamte. Das Land Berlin gibt die Finanzierung der Pensionen an die Kostenträger weiter. Und das Land bedient sich an Geldern, die im Rettungsdienst scheinbar nicht benötigt werden. Rund 90 Mio. Euro Einnahmen für die Berliner Feuerwehr waren im Haushaltsplan 2015 angesetzt. Tatsächlich nahm die Feuerwehr jedoch rund 100 Mio. Euro ein. Fünf Mio. Euro dieses Überschusses flossen offenbar in den Landeshaushalt der Hauptstadt.

Andere Bundesländer gehen einen besseren Weg

Bundesländer wie Hamburg gehen einen anderen Weg: Sie vereinbaren die Gebühren für den Rettungsdienst in einem transparenten Prozess gemeinsam mit den beteiligten Akteuren. In Berlin verweigert das Land den Kostenträgern ein Verhandlungsmandat. Die Gebührenkalkulation bleibt weitgehend „im Dunkeln“. Darüber hinaus werden Kosten- und Leistungsrechnung der Feuerwehr nicht mit der Verpflichtung zu einer wirtschaftlichen und sparsamen Betriebsführung verbunden; effizient ist das nicht.

Unglücklicher Verlauf des gesamten Novellierungsprozesses

Betrachtet man die Entstehung des Gesetzesentwurfs, verwundert es nicht, dass die Potenziale einer besseren Koordination von Feuerwehr, privaten Transportanbietern, Hilfsorganisationen und dem ärztlichen Bereitschaftsdienst für eine Kapazitätsplanung und Effizienzsteigerung nicht genutzt werden konnten. Der gesamte Novellierungsprozess verlief ohne eine angemessene Einbindung der beteiligten Akteure, ohne eine grundlegende Bedarfsanalyse und ohne ein abgestimmtes Konzept für den Einsatz der Notfallsanitäter. Nicht einmal ein Gutachten über den Berliner Rettungsdienst, das der Senat selber in Auftrag gegeben hat, wurde im Gesetzentwurf berücksichtigt. Außerdem wäre der Senat gut Beraten, das Urteil des Oberverwaltungsgerichts zur Abrechnungspraxis der Berliner Feuerwehr, das für den 30. Juni erwartet wird, abzuwarten bevor er neue Gebührenregelungen festlegt.