Nirgendwo sonst in Deutschland diagnostizieren Ärzte bei Patienten so häufig chronische Schmerzen, wie in der Region Berlin/Brandenburg. Das geht aus dem Arztreport der Barmer GEK hervor. Im Jahr 2014 bekamen demnach 5,71 Prozent der Berliner die Diagnose "chronischer Schmerz" gestellt, in Brandenburg waren es sogar 5,79 Prozent. Damit liegen die beiden Bundesländer um mehr als 40 Prozent über dem bundesweiten Durchschnitt von 4,02 Prozent. "Da vor allem ältere Menschen an chronischen Schmerzen leiden, kommen angesichts des demografischen Wandels große Herausforderungen auf uns zu. Patienten mit chronischen Schmerzen sind auf eine frühe Diagnosestellung, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Ärzte sowie eine durchgängige Versorgungskette angewiesen", sagt Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der Barmer GEK Berlin/Brandenburg.
Gute Versorgungsstrukturen in der Region
Die hohe Anzahl an Schmerzdiagnosen in Berlin und Brandenburg führt die Barmer GEK mit auf die Tatsache zurück, dass es in der Hauptstadtregion mehr Schmerztherapeuten gibt als in anderen Bundesländern. Im Jahr 2014 kamen in Berlin 1,9 Schmerztherapeuten auf 100.000 Einwohner und in Brandenburg 2,6. Im Bundesdurchschnitt waren es 1,4 Schmerztherapeuten pro 100.000 Einwohner. So sind Berlin und Brandenburg auch bei den Behandlungszahlen die bundesweiten Spitzenreiter. Ambulant wurden in Berlin im Jahr 2014 rund 46.000 Patienten wegen chronischer Schmerzen behandelt und in Brandenburg rund 31.000. Das sind auf 100.000 Einwohner 1.319 Patienten in Berlin und 1.278 Patienten in Brandenburg. Der Bundesdurchschnitt lag im gleichen Zeitraum bei 809. Im Jahr 2014 haben sich 1.500 Schmerzpatienten in Berlin und 2.600 in Brandenburg einer multimodalen Schmerztherapie unterzogen. Dabei handelt es sich um eine interdisziplinäre und individuell angepasste Therapie im Krankenhaus, die mindestens 14 Tage dauert. Auf 100.000 Einwohner sind das 43,1 stationäre Behandlungen in Berlin und 109,2 in Brandenburg. Der Bundesdurchschnitt beträgt hier 74,9 stationäre Behandlungen.
Begleiterkrankungen und hoher Medikamentenkonsum
Der Barmer GEK Arztreport zeigt weiter, dass Patienten mit chronischen Schmerzen häufig an Begleiterkrankungen leiden. Sie sind von Erkrankungen der Wirbelsäule drei Mal so häufig betroffen, wie Menschen ohne chronische Schmerzen. Auch kardiovaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes mellitus Typ 2 liegen bei Patienten mit chronischen Schmerzen wesentlich häufiger vor. Dies hat zur Folge, dass sie rund 70 Prozent mehr Arzneimittel verordnet bekommen. Über die Hälfte der Schmerzpatienten nehmen Antiphlogistika (entzündungshemmende Arzneimittel) und drei Mal so häufig Analgetika (schmerzlindernde Arzneimittel) ein wie Menschen ohne chronische Schmerzen. Je nach Diagnose bekommen 30 bis 40 Prozent der Schmerzpatienten außerdem Antidepressiva verschrieben.
Schmerzbekämpfung als Nationales Gesundheitsziel
"Vor dem Hintergrund, dass Millionen Menschen in Deutschland an chronischen Schmerzen und zusätzlich an Begleiterkrankungen leiden und den Risiken einer Multimedikation ausgesetzt sind, müssen verbindliche Qualitätsstandards in der Schmerztherapie her", sagt Leyh. "Wir unterstützen intensiv die Bemühungen seitens der Fachgesellschaften, verbindliche Qualitätskriterien für die multimodale Schmerztherapie im Krankenhaus zu entwickeln." Außerdem fordert Leyh, die Bekämpfung der chronischen Schmerzen zu einem Nationalen Gesundheitsziel zu erklären, damit ein gemeinsames Vorgehen von Leistungserbringern, Kostenträgern, Selbstverwaltung und Politik auf den Weg gebracht wird.