Boris Velter
Interview mit Bors Velter

"Erst auf Basis des konkreten, geeinten Entwurfs wird man seriös die Folgen der Reform abschätzen können."

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Kaum einer kennt die Krankenhauslandschaften in Berlin und Brandenburg so gut wie er: Boris Velter war Referatsleiter für Arbeit, Gesundheit, Familie und Gesellschaft der Landesvertretung Brandenburgs beim Bund und Staatssekretär in der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung in Berlin. Als Chef des Leitungsstabs im Bundesministerium für Gesundheit setzt er nun die Krankenhausstrukturreform um. 
 

Herr Velter, noch bevor die Eckpunkte vorliegen, ist der Deutungskampf über Krankenhausstrukturreform entbrannt. Hat Sie die Heftigkeit der Debatte überrascht?

Velter: Nein, schließlich reden wir bei den Krankenhäusern über einen elementaren Teil der Daseinsvorsorge.

Schauen wir uns die Situation für Brandenburg an. Sie waren einige Jahre Referatsleiter bei der Landesvertretung Brandenburgs beim Bund und kennen die dortige Krankenhauslandschaft noch sehr gut. Die Brandenburger Krankenhausgesellschaft warnt vor einem „Kahlschlag“ in Brandenburg, wenn die Krankenhausstrukturreform so umgesetzt wird, wie sie im Dezember vorgestellt wurde. Ist diese Sorge berechtigt? Welche Schritte empfehlen Sie?

Velter: Ich empfehle, zunächst den konkreten Gesetzesentwurf abzuwarten, bevor man sich mit Prognosen überschlägt. Erst auf Basis des konkreten, geeinten Entwurfs wird man seriös die Folgen der Reform abschätzen können.

Auch aus Berlin kommt Gegenwind. Gesundheitssenatorin Gote sagte Anfang Februar in einem Tagesspiegel-Interview, Lauterbachs Pläne würden Berlins Gesundheitsversorgung gefährden. Inzwischen gab es erste Gespräche mit den Ländern. Auf den anderen Seite ist allen Beteiligten klar, dass ein Festhalten an den jetzigen Strukturen auch in Berlin Illusion ist. Ist es Ihnen mit Blick auf die bislang verankerte Trägerpluralität gelungen, die Kritiker der Reform einzubinden? 

Velter: Das Bundesministerium für Gesundheit trifft sich seit Juni 2022 mit den Ländern in der Bund-Länder-Gruppe für die Krankenhausreform, um dort die krankenhausrelevante Gesetzgebung zu beraten – zum Beispiel die Verbesserungen in der Kinder- und Jugendmedizin oder die Einführung der Krankenhaustagesbehandlung. Dieser Dialog wurde seit Januar 2023 noch einmal intensiviert. In dem zwischen Bund, Regierungsfraktionen und Ländern aufgesetzten Prozess hatten und haben auch die KritikerInnen Gelegenheit, ihre Perspektive einzubringen. Geeint werden muss der Entwurf aber letzten Endes zwischen den demokratisch legitimierten Akteuren in Exekutive und Legislative.

Aus Sicht der BARMER sollte die Krankenhausstrukturreform mit einer Notfallreform und sektorenübergreifenden Versorgungslösungen einhergehen. Können Sie schon einen Ausblick geben, inwieweit die geplanten Versorgungsstärkungsgesetzte hier Impulse für konkrete Umsetzungsschritte geben werden?

Velter: Die Versorgungsgesetze werden auch einen Beitrag dazu leisten, die sektorenübergreifende Versorgung zu verbessern. Zur Stärkung einer regional vernetzten, kooperativen Gesundheitsversorgung eröffnen wir zum Beispiel neue Möglichkeiten für Kommunen und Krankenkassen, Gesundheitsregionen zu bilden. Darüber soll es gelingen, regionale Defizite der Gesundheitsförderung und Prävention sowie der Versorgung zu beheben, Schnittstellen zu überwinden oder den Zugang zur regionalen Versorgung zu verbessern.

Sowohl in der ambulanten als auch in der stationären Versorgung müssen wir analog zu anderen Branchen mit einem Fachkräftemangel rechnen. Welche Potenziale sehen Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch in den verpflichtenden Modellvorhaben zur Heilkundeübertragung?

Velter: Die Übertragung ärztlicher Tätigkeiten an ausgebildete Pflegekräfte halte ich unbedingt für weiterverfolgenswert. Sie ist auch bei der Krankenhausreform angelegt – siehe zum Beispiel die Level Ii-Kliniken, die unter pflegerische Leitung gestellt werden können. Das Potential dieser Initiativen halte ich auch deswegen für sehr hoch, weil es Menschen für den Beruf (zurück)gewinnen kann, da dieser attraktiver wird.
 
Wenn Sie einen weiteren Blick in die Zukunft wagen: auf welchem Stand sehen Sie die Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen in fünf Jahren?

Velter: Verlässliche Prognosen im Gesundheitswesen sind immer schwierig. Ich würde mich aber freuen, wenn wir in fünf Jahren sehen, dass Digitalisierung sehr viel konkreter und erlebbarer im Alltag der PatientInnen, BehandlerInnen und ForscherInnen angekommen ist. Unser Digitalgesetz und unser Gesundheitsdatennutzungsgesetz werden hier einen Beitrag leisten.