Zahnräder
10-Punkte-Papier 2.0

BARMER fordert schnell wirksame Instrumente für sektorenübergreifende Versorgung

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Es ist höchste Zeit für grundliegende Veränderungen im Gesundheitssystem. In manchen Regionen Deutschlands herrscht bereits eine Unterversorgung ambulanter Leistungserbringer. Gleichzeitig wachsen die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung, die rasche Fortschritte bei der Qualität und der Effizienz im Gesundheitswesen erfordern. Die Schwachstellen der sektoralen Gliederung der medizinischen Versorgung sind in diesem Zusammenhang hingänglich bekannt und der Handlungsdruck steigt. Schon vor drei Jahren hat die Barmer mit ihrem 10-Punkte-Papier Impulse zur Umsetzung einer sektorenübergreifenden Versorgung gesetzt. Mit dem 10-Punkte-Papier 2.0 legt die BARMER nun nach. „In die erweiterte Neuauflage unseres Thesenpapiers sind praktische Erfahrungen eingeflossen, welche die Barmer im Rahmen von Pitlotprojekten, wie zum Beispiel dem Brandenburger Projekt IGiB-StimMT, gesammelt hat. Mit den 10-Punkten möchten wir neben langfristigen auch kurzfristige Maßnahmen aufzeigen, wie wir zu einer sektorenübergreifenden Versorgung kommen können“, sagt Gabriela Leyh, Landesgeschäftsführerin der Barmer Berlin/Brandenburg und Mitautorin des 10-Punkte-Papiers 2.0. Es richtet sich sowohl an die Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene als auch an die regionalen Vertragspartner. 

Schnell wirksame Lösungsansätze für unterversorgte Gebiete

Unbesetzte Hausarztsitze, defizäre Krankenhäuser und die nächste Facharztpraxis weit entfernt – schon heute gibt es in einzelnen Regionen Deutschlands dringenden Handlungsbedarf, um die gesundheitliche Versorgung sicherzustellen. Die Leistungserbringer vor Ort müssen sich deshalb besser vernetzen, enger miteinander kooperieren und bestehende Ressourcen bündeln. Doch bestehende Regelungen zum Beispiel bei der Bedarfsplanung, der Zulassung oder Vergütung stehen solchen Vorhaben im Weg. Die Barmer fordert den Gesetzgeber deshalb auf, für einen begrenzten Zeitraum Pilotprojekte zu ermöglichen, in deren Rahmen solche gesetzlichen Regelungen gelockert werden. Finanziert werden sollten diese Vorhaben über den Innovationsfonds. Aber auch die Leistungserbringer müssen sich bewegen. „Wir benötigen ein neues Rollenverständnis und eine neue Arbeitsteilung zwischen ärztlichen und nichtärztlichen Berufen,“ sagt Leyh.

Kleine Krankenhäuer umwandeln statt schließen

Der Aufbau sektorenübergreifender Versorgungsstrukturen sollte einhergehen mit einer längst überfälligen Krankenhausstrukturreform. Oberstes Ziel sollte dabei sein, die Versorgungsqualität für Patientinnen und Patienten zu verbessern. Schwere Erkrankungen sollten nur in Krankenhäusern behandlet werden, die über die entsprechende technische und personelle Ausstattung verfügen. Dies bedeute aber nicht automatisch das Aus für kleine Krankenhäuser. „Es geht nicht darum, kleine Krankenhäuer zu schließen, sondern sie für die Patientinnen und Patienten zu erhalten, aber eben in anderer Form“, sagt Leyh. Nicht bedarfsnotwendige Krankenhäuser müssten deshalb wirtschaftliche Anreize für den Umbau zu regionalen Versorgungszentren erhalten. Die BARMER orientiert sich in ihrem 10-Punkte-Papier 2.0 an den drei Versorgungsstufen in der stationären Versorgung: 

  1. Regionale Versorgungszentren für die Notfall- und Grundversorgung, hierzu zählen zum Beispiel Fachrichtungen wie Innere Medizin Chirurgie, Pädiatrie, Gynäkologie und Schwangerenvorsorge.
  2. Regelversorger für Indikationen mit hoher Prävalenz wie zum Beispiel Schlaganfälle, Herzinfarkte oder Onkologie.
  3. Maximal- und Spezialversorger für komplexe und seltene Erkrankungen.

Für Leistungen, die sowohl in Krankenhäusern als auch im niedergelassenen Bereich erbracht werden könnten, sollte es eine einheitliche, sektorenübergreifende Planung geben. Das aktuelle Gutachten des IGES Instituts bennent 2.500 Leistungen, die vom stationären in den ambulaten Bereich übergehen könnten. Diese Potenziale sollten genutzt werden. 

Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen

Vielfach und erfolgreich erprobt sind die Möglichkeiten, die Telemedizin und Digitalisierung zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung bieten Sie können integrierte Versorgungskonzepte befördern. Das von Barmer und Charité in Brandenburg durchgeführte Projekt Fontane hat zum Beispiel gezeigt, wie Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz dank mobiler Endgeräte und digitaler Vernetzung von Leistungserbringern vor Ort und dem Telemedizinzentrum der Charité besser zu Hause versorgt werden können. (Die telemedizinische Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Herzinsuffizienz ist per GBA-Richtlinie mittlerweile Regelleistung, mehr hierzu in der Standortinfo 1/2020). Damit Konzepte wie dieses umsetzbar sind, wird ein flächendeckender Breitbandausbau benötigt. Dreh- und Angelpunkt der Digitalisierung ist die Einführung der elektronischen Patientenakte. Wenn  alle Leistungserbringer darauf zugreifen können, wird durch die Vernetzung die Versorgung entscheidend verbessert. Die Barmer begrüßt die von der Ampel-Koalition geplante Umstellung der ePA auf ein Opt-out-Verfahren, da somit mehr Versicherte von den Vorteilen der ePA profitieren können. Auch die im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung einer sektorenübergreifenden Bedarfsplaung und einer einheitlichen Vergütung, seien wichtige Rahmenbedingungen. „Die Konzepte zum Aufbau einer sektorenübergreifenden Versorgung liegen auf dem Tisch. Nun sollte keine Zeit vergeudet werden, sie auch umzusetzten“, sagt Leyh. 

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