Knapp zwei Monate nach der Bundestagswahl haben SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP ihre Verhandlungen zur Bildung einer neuen Bundesregierung abgeschlossen. Im Koalitionsvertrag findet man auf acht Seiten das, was die Ampel im Bereich Pflege und Gesundheit verändern möchte. Demnach planen die künftigen Regierungsparteien eine Reform der Krankenhausplanung, die sich an der Erreichbarkeit und der demografischen Entwicklung orientieren soll. Die elektronische Patientenakte soll schneller eingeführt und die sektorenübergreifende Versorgung durch ein neues Vergütungsmodell gestärkt werden. Und um die Versorgung mit innovativen Arzneimitteln und Impfstoffen sicherzustellen, wollen die Koalitionspartner, dass deren Entwicklung und Herstellung wieder in Deutschland oder zumindest in der Europäischen Union erfolgt.
Der Koalitionsvertrag greift wichtige Themen auf. Es stellt sich aber die Frage, wie das alles gegenfinanziert werden soll. Wir haben die Corona-Pandemie noch nicht überstanden. Und auch die sehr kostenintensiven Gesetze, die der letzte Gesundheitsminister Jens Spahn auf den Weg gebracht hat, werden im Jahr 2022 deutlich sichtbar und setzen die Finanzen der gesetzlichen Krankenkassen unter Druck. Das wird dazu führen, dass die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung eine echte Herausforderung wird. Nicht zuletzt, weil auch die konjunkturelle Entwicklung betrachtet werden muss. "Wir sehen im Koalitionsvertrag durchaus die Zielsetzungen, dass hier eine stabile bzw. verlässliche Finanzierung der GKV gestrebt wird", erläutert Professorin Dr. Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Bayern. Das Papier enthalte Maßnahmen zur finanziellen Konsolidierung der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Bundeszuschuss zur GKV soll dauerhaft dynamisiert und höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II sollen aus Steuermitteln finanziert werden. "Die vorgesehenen Maßnahmen werden zur Konsolidierung der GKV-Finanzen nicht ausreichen", stellt Wöhler fest. Eine frühere Version des Koalitionsvertrags enthielt eine Absenkung der Umsatzsteuer für Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent und eine Erhöhung des Herstellerrabattes auf patentgeschützte Arzneimittel von sieben auf 16 Prozent. Das hätte eine finanzielle Entlastung bringen können. Doch beide Vorschläge wurden nicht weiter verfolgt.
Das Gesundheitswesen braucht eine echte Strukturreform. Elementar wäre ein weiterentwickeltes stationäres System, in dem Krankenhäuser nach Versorgungsstufen geplant und qualitätsorientiert vergütet werden. "Wir schlagen ein dreistufiges System der klinischen Versorgung vor: die Grundversorgung mit der Notfallversorgung, die Regelversorgung und dann die Maximal- bzw. Spezialversorgung, bei der auch Vorhaltungen zum Beispiel für Pandemiezeiten erforderlich sind", so Wöhler weiter. Der Bund und die Krankenkassen sollten regelhaft an der Investitionskostenfinanzierung der Kliniken beteiligt werden. Im Gegenzug erhalten sie dafür ein verbindliches Mitwirkungsrecht bei der Krankenhausplanung. Und auch die Notfallversorgung muss dringend weiterentwickelt werden. Hin zu einem integrierten, sektorenübergreifenden Versorgungsbereich, in dem vorhandene Behandlungskapazitäten optimal genutzt und die Patientinnen und Patienten im Notfall schnell und optimal versorgt werden.