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Großbaustelle Pflege in Bayern – Pflegereport prognostiziert alarmierenden Zukunftstrend

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München, 16. Februar 2022 – Der Pflegenotstand in Bayern wird nach neuesten Hochrechnungen der Barmer brisanter als bisher angenommen. Bis zum Jahr 2030 werden 4.000 Pflegekräfte mehr benötigt, als bisher berechnet wurden. Mit rund 751.000 Pflegebedürftigen wird es im Freistaat insgesamt bis zu 135.000 Betroffene mehr geben, als bisherige Hochrechnungsmethoden ermittelt haben. Das geht aus dem aktuellen Pflegereport der Barmer hervor. Die Analysen zeigen einen alarmierenden Zukunftstrend und die Zeit drängt. Bereits heute fehlen Pflegekräfte. "Wir müssen die Herausforderungen in der Pflege rasch angehen und dabei den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Denn eine hohe pflegerische Qualität ist für Pflegebedürftige elementar. Für eine patientenorientierte, hochwertige Versorgung muss die Pflege qualitativ und digital weiterentwickelt und der Fachkräftemangel entschlossen bekämpft werden", fordert Professorin Dr.Claudia Wöhler, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Bayern.

Pflegeberufe attraktiver machen

Neben Herausforderungen bei der Finanzierung müsse der Blick auch auf die Frage gerichtet werden, wer künftig die Pflegebedürftigen betreuen soll. "Wir müssen die Weichen für eine verlässliche und qualitativ hochwertige Pflege stellen. Außerdem muss es gelingen, mehr Menschen für eine pflegende Tätigkeit zu begeistern", so Wöhler. Den aktuellen Reportergebnissen zufolge würden in Bayern im Jahr 2030 etwa 146.000 Pflegekräfte gebraucht, darunter 67.000 Pflegefachkräfte, 27.000 Pflegehilfskräfte und 52.000 Pflegehilfskräfte ohne Ausbildung. Dabei sei im stationären Bereich die vollständige Umsetzung des Personalbemessungsverfahrens noch gar nicht berücksichtigt. Der Pflegeberuf müsse vor diesem Hintergrund deutlich attraktiver werden. Daher sei es richtig, geteilte Dienste abzuschaffen und den Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten einzuführen. Außerdem müsse mehr getan werden, um die physischen und psychischen Belastungen dieses enorm anspruchsvollen Berufes abzufedern.

Mehr Nachwuchs für die Pflege gewinnen

Aus Sicht der Barmer muss der bereits bestehende Arbeitskräftemangel in der Pflege weiter entschlossen bekämpft werden. Im Fokus müsse dabei auch die Ausbildung stehen. Mit der seit 2020 bundesweit einheitlichen Pflegeausbildung und dem Wegfall des Schulgeldes für Auszubildende in der Altenpflege seien bereits wichtige erste Schritte getan. "Es muss allerdings weiter gezielt für die Ausbildung in der Pflege geworben werden", sagt Wöhler. Eine angemessene Bezahlung sei hier nur ein Schritt. Ebenso wichtig seien flexiblere Arbeitszeitmodelle, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern und die Zielsetzung, dass Pflegeeinrichtungen zu attraktiven Arbeitgebern werden. 

Auf dem Weg in eine humanitäre Katastrophe

"Der Pflegereport verdeutlicht einmal mehr, dass wir uns auf dem Weg in eine humanitäre Katastrophe befinden. Die jetzt schon eklatante Versorgungslücke klafft weiter auf und dem können wir nur gegensteuern, wenn dem Applaus der letzten Monate mehr folgt als warme Worte und polternden Bonusforderungen," sagt Andreas Krahl, MdL Sprecher für Pflegepolitik und Senior*innenpolik Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag. "Pflegeberufe müssen wieder attraktiver werden, Pflegende müssen in allen Berufsbildern von ihrer Arbeit gut leben können und brauchen Arbeitsbedingungen, die eine gute Work-Life-Balance und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erlauben", fordert auch Krahl. Mit einem Personalbemessungsinstrument könne hier ein dringend erforderlicher Schritt gegangen werden. Der hohen Quoten der Abbrecherinnen und Abbrecher in der Pflegeausbildung müsse mit Qualität und vor allem Zeit begegnet werden.   

Pflegende Angehörige und deren Belange mitdenken

Entsprechend der laut Barmer Pflegereport steigenden Zahl an Pflegebedürftigen wird auch der Bedarf an pflegenden Angehörigen anwachsen. Schätzungen zufolge werden rund drei Viertel der pflegebedürftigen Menschen von ihren Angehörigen versorgt. Deren Zahl liegt in Bayern bei aktuell über 186.000. "Mehr als 40 Prozent der pflegenden Angehörigen sind im erwerbsfähigen Alter. Diese Menschen sind ein unverzichtbarer Pfeiler des Pflegesystems. Sie müssen frühzeitig unterstützt, umfassend beraten und von überflüssiger Bürokratie entlastet werden. Unter dem Aspekt des allgemeinen Fachkräftemangels ist die Gesundheit pflegender Angehöriger auch in der Arbeitswelt ein wichtiges Thema", so Wöhler. 

Finanzielle Überforderung Pflegebedürftiger vermeiden

"Entscheidend ist, dass Pflege qualitativ hochwertig und gleichzeitig bezahlbar bleibt", so Wöhler weiter. Ein wichtiger Baustein dabei sei, dass der Freistaat Bayern seiner gesetzlichen Pflicht nachkommt, die Investitionskosten zu übernehmen. Bereits dadurch könne eine Entlastung bei den Eigenanteilen der Pflegebedürftigen erreicht werden. Denn bisher stellen die Pflegeheime die Investitionskosten in der Regel den Bewohnerinnen und Bewohnern in Rechnung.

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Bisherige Vorausberechnungen der Zahl der Pflegebedürftigen und des benötigten Pflegepersonals haben ausschließlich Demografie abhängige Effekte berücksichtigt. Für die Analysen der Barmer wurden, neben Lebenserwartung, Geburtenzahlen und Wanderungssalden, auch Einführungseffekte der Gesetzgebung hinzugezogen. Durch diese steigt die Zahl der Anspruchsberechtigten und des benötigten Pflegepersonals zusätzlich.

 Genaueres dazu im Barmer Pflegereport unter www.bifg.de.

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Stefani Meyer-Maricevic
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