Schätzungsweise 312.000 Pflegebedürftige leben in Baden-Württemberg. Die Barmer GEK kommt in ihrem aktuellen Pflegereport zu dem Ergebnis, dass diese Zahl in den nächsten 14 Jahren auf über 400.000 anwachsen wird. Die Frage, wie das Land auf diese Entwicklung vorbereitet ist, war Ausgangspunkt für eine Diskussion mit Vertretern der Enquête-Kommission Pflege, des baden-württembergischen Landtags und Cornelia Kricheldorff von der Katholischen Hochschule Freiburg.
Kein Mehr vom immer Gleichen
Die Professorin für soziale Gerontologie hatte ein Gutachten zur Situation der Pflege in Baden-Württemberg verfasst, basierend auf den Ergebnissen der Enquête-Komission Pflege. "Die Politik entscheidet maßgeblich, wie sich die Pflegelandschaft entwickeln wird, die Weichen dafür müssen jetzt gestellt werden", so Kricheldorff. Die Frage ist nur, in welche Richtung man sie stellt. Etwa 70 Prozent der Pflegebedürftigen werden im Südwesten von Angehörigen versorgt. Noch gewährleisten die geburtenstarken Jahrgänge die informelle Pflege, spätestens ab 2025 sind hier aber spürbare Veränderungen zu erwarten. Setzt man vor diesem Hintergrund auf einen Ausbau der formellen Pflege oder muss man den häuslichen Settings mehr Beachtung schenken? Kricheldorff: "Ich denke, wir brauchen einen gesunden Mix, mit einem Schwerpunkt auf der Förderung der informellen Pflege." Klar sei, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. „Ein Mehr vom immer Gleichen wird nicht funktionieren."
Pflegende Angehörige stärken
Diese Prognose bestärkt die Barmer GEK darin, ihr Engagement für pflegende Angehörige zu stärken. "Pflegende Angehörige müssen bei der Diskussion über die Zukunft der Pflege mehr in den Fokus gerückt werden. Sie sind die tragende Säule des Systems, die nicht wegbrechen darf", so Landesgeschäftsführer Plötze. Pflegende Angehörige beschreiben ihren Gesundheitszustand im Vergleich zur Gesamtbevölkerung häufiger als "nicht gut" und sie sind auch objektiv betrachtet kränker. Thaddäus Kunzmann, Obmann der CDU-Landtagsfraktion in der Enquête-Kommission Pflege und Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Bündnis 90/Die Grünen) forderten in diesem Zusammenhang ein besseres Beratungsangebot durch die Pflegestützpunkte. Deren Zahl wird von derzeit 48 auf landesweit 72 aufgestockt. Plötze hält eine bessere Vernetzung bestehender Beratungsstrukturen für sinnvoller. Wenn darüber hinaus Bedarf bestünde, dann sollten klare Leitlinien erarbeitet werden.
Arbeitsbedingungen verbessern, Finanzierung sichern
Konsens herrschte über die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Altenpflege. Kunzmann: "Das ist wichtiger als die Bezahlung", zumal diese "auch gar nicht so schlecht ist", ergänzte Florian Wahl (SPD). Ein wichtiger Aspekt ist die Qualifikation der Pflegefachkräfte, denn Kricheldorffs Gutachten zeigt, dass qualifizierte Pflegekräfte zufriedener sind und länger im Beruf verweilen. Für Jochen Haußmann (FDP) ist Pflege "das Megathema". Klare Worte fand er bei der Frage nach der zukünftigen Finanzierung der Pflege in Baden-Württemberg. "Über Umlagen alleine wird das nicht möglich sein." In der Podiumsdiskussion wurden einige, aber nicht alle Aspekte zur Zukunft der Pflege in Baden-Württemberg beleuchtet. Plötze: "Dieser Abend war nur der kleine Anfang einer großen Diskussion, die auf uns zukommt."