STANDORTinfo - Der Newsletter der Barmer Landesvertretung Baden-Württemberg

Studie zu Post-COVID bei Kindern und Erwachsenen

Lesedauer unter 3 Minuten

Das Zentrum für Evidenzbasierte Gesundheitsversorgung am Universitätsklinikum Dresden hat zusammen mit dem Institut für angewandte Gesundheitsforschung, dem Robert Koch-Institut, der Barmer, der DAK, der AOK Bayern und der AOK PLUS Sachsen und Thüringen eine der ersten großen kontrollierten Kohortenstudien zu Post-COVID durchgeführt. Demnach sind COVID-Patientinnen und -patienten drei Monate nach ihrer Infektion deutlich anfälliger für eine Vielzahl von Erkrankungen.

Die große kontrollierte Kohortenstudie hat auch gezeigt, dass nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder und Jugendliche potenziell von Post-COVID betroffen sind. Bei Erwachsenen werden mindestens drei Monate nach der COVID-Diagnose noch vermehrt Geschmacksstörungen, Fieber, Husten und Atembeschwerden dokumentiert. Unwohlsein und rasche Erschöpfung, Husten, Schmerzen im Hals- und Brustbereich sowie Angststörungen und Depressionen zählen hingegen bei den Kindern zu den am stärksten mit COVID-19 assoziierten und dokumentierten Symptomen und Erkrankungen. Die Studienergebnisse wurden in der Fachzeitschrift PLOS Medicine veröffentlicht.

Mehr als 150.000 Menschen mit COVID-19 wurden beobachtet

In der Studie wurden die Abrechnungsdaten von circa 38 Millionen gesetzlich Versicherten der Jahre 2019 und 2020 ausgewertet. Dabei konnten mehr als 150.000 Personen mit labormedizinisch nachgewiesener COVID-19-Erkrankung im ersten Halbjahr 2020 beobachtet werden, darunter fast 12.000 Kinder und Jugendliche. Für jede infizierte Person wurden fünf weitere nicht infizierte Versicherte in die Studie eingeschlossen, die hinsichtlich Alter, Geschlecht und Vorerkrankungen vergleichbar waren. Die Beobachtung der COVID-Patientinnen und -patienten und ihrer Kontrollpersonen erfolgte jeweils über den gleichen Zeitraum, sodass äußere Einflüsse wie ein Lockdown beide Gruppen gleichermaßen beeinflussten. Es wurde die Häufigkeit von 96 vorab festgelegten Symptomen und Erkrankungen verglichen, die mindestens drei Monate nach Infektions- beziehungsweise Einschlussdatum neu dokumentiert wurden.

Diagnoserate ist bei Infizierten um ein Drittel höher 

Die Studie zeigt deutlich, dass bei COVID-Patientinnen und -patienten die untersuchten gesundheitlichen Einschränkungen auch nach drei Monaten noch häufiger dokumentiert wurden. In der Literatur wird dieser Zustand als Post-COVID beschrieben, da auch noch lange nach der durchlebten SARS-CoV-2-Infektion Krankheitssymptome und gesundheitliche Einschränkungen fortbestehen oder sogar neu hinzukommen. Dies zeigte sich bei einer Vielzahl von dokumentierten Diagnosen, die sowohl physische als auch psychische Erkrankungen betrafen. Erwachsene Infizierte hatten eine um 33 Prozent erhöhte Diagnoserate im Vergleich zu Nicht-Infizierten. Eine Häufung wurde vor allem bei Geschmacks- und Geruchsverlust, Fieber und Atemnot festgestellt. 

Junge Menschen leiden fast genauso häufig unter Post-COVID wie Erwachsene

Eine neue Erkenntnis ist, dass auch Kinder und Jugendliche in einer ähnlichen Weise von Post-COVID betroffen sind. Die Häufigkeit der neu dokumentierten Diagnosen bei Kindern und Jugendlichen mit COVID-19 war um circa 30 Prozent höher als bei Kindern ohne COVID-19-Diagnose. Besonders psychische Probleme wie Angststörungen und Depressionen traten bei Kindern und Jugendlichen mindestens drei Monate nach einer SARS-CoV-2-Infektion häufiger auf als bei Gleichaltrigen im gleichen Beobachtungszeitraum. Hinzu kamen Unwohlsein und rasche Erschöpfung, Husten und Schmerzen im Hals- und Brustbereich. Gleichwohl zeigte sich, dass Kinder und Jugendliche insgesamt seltener an Post-COVID-Symptomen leiden. So war die Diagnoserate mit 464 je 1.000 Personen bei Kindern und Jugendlichen deutlich niedriger als die Rate von 616 je 1.000 Personen bei Erwachsenen.

Mögliche Einschränkung durch engmaschige Beobachtung

Trotz der deutlichen Hinweise, dass Post-COVID in allen Altersgruppen eine Rolle spielt, kann eine solche Studie keinen kausalen Zusammenhang zu Post-COVID herstellen. Da es sich bei einer SARS-CoV-2-Infektion nicht um eine zufällige und für die behandelnden Ärzte verblindete Information handelt, ist nicht auszuschließen, dass COVID-Patienten engmaschiger beobachtet werden. Möglicherweise werden dabei ähnliche Erkrankungsbilder häufiger erkannt. Dennoch sollte die Erkenntnis, dass Post-COVID bei Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle spielen kann, in der öffentlichen Diskussion berücksichtigt werden. Bei politischen Entscheidungen über Präventionsmaßnahmen darf Post-COVID deshalb nicht unbeachtet bleiben.