Barmer-Landesgeschäftsführer Winfried Plötze übergibt eine Urkunde und ein Bild an Köksal Çakır, der den Sonderpreis der Barmer erhalten hat.
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Trainerpreisverleihung: Köksal Çakir erhält den Sonderpreis der Barmer

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Bei der 26. Trainerpreisverleihung wurde der Ludwigsburger Karateka Köksal Çakir mit dem Sonderpreis der Barmer ausgezeichnet. "Bei der Auswahl unseres Preisträgers schauen wir im Wortsinn auf das Besondere, das diese Person auszeichnet", sagt Winfried Plötze. Und das habe man bei Köksal Çakir gefunden. Denn ihm gehe es bei seinem ganzheitlichen Trainingskonzept um viel mehr als um die reine sportliche Leistung. "Er vermittelt auch Werte, und seine Schützlinge sollen bei ihm einen starken Rückhalt erfahren." Hauptberuflich unterrichtet Köksal Çakir Mathematik, Technik und Sport an einer Stuttgarter Grundschule. Nebenberuflich ist er seit 1991 Karatetrainer. Beim MTV Ludwigsburg kümmert sich der 48-Jährige sowohl um die Spitzensportlerinnen und -sportler als auch um den Nachwuchs. Parallel betreut er an seiner eigenen Kampfsportschule 260 Kinder. Seit dem Kriegsbeginn in der Ukraine gibt er sein Können auch an geflüchtete Kinder weiter. Denn der Sport, das weiß er, kann Brücken bauen. 

Herr Çakir, das ist schon ihr zweiter Trainerpreis. Vor 19 Jahren wurden Sie als Nachwuchstrainer des Jahres ausgezeichnet. Über welchen der beiden Preise freuen Sie sich mehr? 

Köksal Çakir: Es war schon schön, als ich damals als Nachwuchstrainer des Jahres ausgezeichnet wurde. Aber über den diesjährigen Sonderpreis habe ich mich mehr gefreut. Denn den habe ich nicht nur bekommen, weil ich offenbar ein ganz passabler Karatetrainer bin. Bei dieser Auszeichnung wurde viel mehr der Mensch Köksal Çakir gesehen und das, was mir wichtig ist. Das freut mich, und es macht mich auch stolz.

Sie haben im Alter von 15 Jahren mit Karate angefangen. Was hat Ihnen der Sport damals gegeben?

Köksal Çakir: Zum Karate kam ich, weil mein Vater nicht wollte, dass ich auf der Straße herumlungere. Mir fehlte damals der Halt, ich war auch recht orientierungslos. Durch den Sport habe ich Freunde gefunden, ich war Teil einer Gemeinschaft. Das hat mir unglaublich gutgetan. Und ich habe zum ersten Mal Anerkennung für meine Leistung bekommen. Das hat mich motiviert, immer besser werden zu wollen.

Welche Rolle spielt der Vereinssport bei der Integration?

Köksal Çakir: Gegenfrage: Welche andere Integrationsmöglichkeit haben wir denn? Beim Sport lernen wir Menschen aus unterschiedlichen Kreisen und Kulturen kennen. Dadurch bauen wir Ängste und Vorurteile ab. Als Jugendlicher wurde mir während des Ramadan einmal schwarz vor Augen. Die anderen haben mich gefragt, was los sei. Sie wussten nicht, was der Ramadan ist. Also habe ich es ihnen erklärt. Damit war die Sache gegessen. Reden hilft! Wir alle haben Ängste und Vorbehalte. Aber wenn wir uns offen begegnen und miteinander sprechen, dann entdecken wir unsere Gemeinsamkeiten. Und das passiert im Sportverein tagtäglich. Hier lernen wir, offen und tolerant zu sein. Und was das Erlernen der Sprache angeht, da führt meiner Meinung nach kein Weg am Vereinssport vorbei.

Sie trainieren auch Kinder und Jugendliche, die mit ihren Müttern aus der Ukraine geflüchtet sind. Wie kam es dazu?

Köksal Çakir: Es gab einen Aufruf im Internet. Es wurden Vereine gesucht, die bereit waren, Geflüchtete aufzunehmen. Seitdem trainieren beim MTV Ludwigsburg immer um die 20 Kinder und Jugendliche aus der Ukraine.

Wie geht es den Geflüchteten?

Köksal Çakir: Ganz unterschiedlich. Einige haben in der kurzen Zeit tolle Fortschritte gemacht. Zwei Ukrainer sind sogar deutsche Vizemeister im Karate geworden. Der Sport tut ihnen gut. Weil sie während des Trainings einfach Spaß haben und den Krieg ausblenden können. Die Kinder aus der Ukraine lernen sehr schnell, auch die Sprache. Nach einem Jahr sprechen viele richtig gut Deutsch.

Sie sind seit 1991 Karatetrainer. Stellen Sie eine Veränderung bei den Kindern fest? 

Köksal Çakir: Ja, definitiv. Das größte Problem ist die mangelnde Konzentrationsfähigkeit. Und die niedrige Toleranzschwelle. Da wird gleich geschubst, wenn etwas nicht passt. Und es gibt immer mehr Kinder mit Übergewicht. Viele möchten gerne abnehmen. Aber es fehlt ihnen an Zielstrebigkeit und an Eltern, die wissen, wie man sich gesund ernährt. Das merke ich auch in der Schule. Neulich habe ich im Unterricht das gesunde Frühstück besprochen. Diejenigen, die regelmäßig Sport machen, wussten darüber ganz gut Bescheid. Aber von den anderen Kindern wussten viele nicht, wie ein gesundes Frühstück aussieht.

Was tun Sie in solchen Fällen?

Köksal Çakir: Über das Übergewicht spreche ich mit den Eltern. Aber leider sind viele uneinsichtig. Über das aggressive Verhalten rede ich direkt mit den Kindern und Jugendlichen. Ich erkläre ihnen, dass wir so nicht miteinander umgehen. Und ich vermittle ihnen die Werte des Karate: Respekt, Fairness und das Einhalten von Regeln.

Sie sind Lehrer und trainieren in Ihrer Freizeit mehrere hundert Kinder und Jugendliche. Wie schaffen Sie das?

Köksal Çakir: Mit Leidenschaft. Weil mir beides unglaublich wichtig ist. Karate trainiert den Körper und den Geist. Die Jungen und Mädchen fördern im Training ihre Beweglichkeit, ihre Schnelligkeit und ihre Koordination. Und sie lernen, Ziele zu erreichen. Ich erlebe viele der Kinder sowohl im Training als auch in der Klasse. Die guten Sportler sind auch die guten Schüler. Da schließt sich für mich der Kreis.

Sind Sie mehr Trainer oder mehr Pädagoge?

Köksal Çakir: Es ist eine Mischung aus beiden. Nur Lehrer zu sein, wäre mir zu wenig. Nur Trainer zu sein, aber auch.

Ein Mann hält ein Mikrofon in der Hand und redet, zwei andere Männer hören ihm zu

Im Interview mit SWR-Moderator Michael Antwerpes erzählt Köksal Çakır, was ihm der Sport gegeben hat. Und was er den Kindern und Jugendlichen über Karate vermittelt.

Über den Trainerpreis
Seit dem Jahr 1996 zeichnen der Landessportverband Baden-Württemberg und die Barmer Trainerinnen und Trainer aus Baden-Württemberg aus. Die Idee, die Übungsleiter ins Rampenlicht zu rücken, hatte Mitte der 1990er Jahre der damalige Vorstandsvorsitzende der Gmünder Ersatzkasse (GEK) Dieter Hebel. Mit der Fusion von Barmer und GEK hat die Barmer das Engagement übernommen. Einen eigenen Preis verleiht sie seit zwölf Jahren. Der Sonderpreis der Barmer ist mit 3.000 Euro dotiert.

Fotos: LSV BW/Martin Stollberg