Wo in Baden-Württemberg kommt welche Krankheit wie häufig vor? Und welche Personengruppe ist besonders betroffen? Die Antworten auf diese Fragen liefert der Morbiditäts- und Sozialatlas, den das Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) entwickelt hat.
"Der Morbiditäts- und Sozialatlas bietet in Form eines Dashboards erstmals die Möglichkeit, die Verbreitung von Krankheitsbildern mittels interaktiver Grafiken zu analysieren. Und zwar sowohl unter der Einbeziehung von soziodemografischen Faktoren als auch unter regionalen Gesichtspunkten", erklärt Klaus Stein, Forschungsbereichsleiter für strategische Analysen des bifg. Grundlage für den Morbiditäts- und Sozialatlas sind die ambulanten und stationären Diagnosen sowie die Arzneimittelverordnungen, die Barmer-Versicherte in den Jahren 2018 bis 2020 erhalten hatten. Diese Routinedaten wurden auf die Gesamtbevölkerung Deutschlands hochgerechnet. Der Atlas bezieht mehrere soziodemografische Merkmale wie das Bildungsniveau oder das Einkommen ein und stellt dar, wie sich Krankheiten regional verteilen. "Daten helfen heilen. Wenn wir das Gesundheitswesen im Sinne der Patientinnen und Patienten sinnvoll weiterentwickeln möchten, dann sollten wir das anhand von Fakten tun. Der Morbiditäts- und Sozialatlas schafft Transparenz und kann dafür die Diskussionsgrundlage sein", sagt Barmer-Landesgeschäftsführer Winfried Plötze.
Geringste Krankheitslast in Tübingen
Laut des Morbiditäts- und Sozialatlas hat Baden-Württemberg eine vergleichsweise geringe Krankheitslast. Diese liegt zwölf Prozent unter dem Bundesdurchschnitt. Lediglich in Hamburg sind die Menschen gesünder. In Baden-Württemberg sind die Tübinger am seltensten von Krankheiten betroffen. Sie tragen im Vergleich zum Bundesgebiet nur 70 Prozent der durchschnittlichen Krankheitslast. In ganz Deutschland gibt es keinen Stadt- oder Landkreis mit einem niedrigeren Wert. Einzig der Landkreis Freising in Bayern weist dieselbe Krankheitslast aus wie Tübingen. Am kränksten ist im Südwesten der Hohenlohekreis mit einer Gesamtbelastung von 106 Prozent. "Nur neun der 44 baden-württembergischen Stadt- und Landkreise weisen eine Krankheitslast aus, die über dem Bundesdurchschnitt liegt. In meinen Augen ist das eine gute Nachricht", sagt Plötze.
Nord-Süd-Gefälle bei Hautkrankheiten
Dem Morbiditäts- und Sozialatlas zufolge sind die Menschen im Landkreis Tübingen auch am geringsten von Herzerkrankungen betroffen. Hier liegt der Anteil bei 176 Fällen je 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner, fast ein Drittel weniger als im Bundesdurchschnitt. Freiburg und der Landkreis Lörrach haben mit 189 bzw. 190 Fällen eine um etwa ein Viertel geringere Betroffenheit bei Herzerkrankungen als im Bundesschnitt. Bei Hauterkrankungen gibt es in Baden-Württemberg ein deutliches Nord-Süd-Gefälle. Der Kreis mit den wenigsten Hauterkrankungen ist Tuttlingen mit 105 Fällen je 1.000 Einwohner. Am stärksten betroffen sind in dieser Krankheitsgruppe die Menschen im Main-Tauber-Kreis, für den 177 Fälle je 1.000 Einwohner hochgerechnet wurden. Während Baden-Württemberg bei Gicht und Arthritis, Adipositas sowie HIV und Aidserkrankungen Fallzahlen unterhalb des Bundesdurchschnitts aufweist, liegt das Ländle bei Depressionen, chronischer Hepatitis und Multipler Sklerose darüber.
Unterschiedlich hohe Krankheitslast je nach Berufsgruppe
Der Morbiditäts- und Sozialatlas verschafft auch einen Überblick über die Krankheitslast in Baden-Württemberg nach Branchen. Demnach gibt es in keiner anderen Branche einen größeren Anteil an Menschen mit Kopfschmerzen oder Migräne als im Gesundheits- und Sozialwesen. Im Jahr 2020 waren deswegen 60 von 1.000 Einwohnern in ärztlicher Behandlung. Plötze: "Der Morbiditäts- und Sozialatlas verdeutlicht, wie stark die Krankheitslast in einzelnen Berufsgruppen ist. Auf Basis dieser Daten kann zum Beispiel der Bereich Prävention weiter gestärkt werden. Das gilt insbesondere für das Betriebliche Gesundheitsmanagement. Hier sind passgenaue Angebote für Unternehmen unerlässlich, damit deren Belegschaft möglichst gesund bleibt."