Eine Gruppe von Frauen und Männern steht auf einer Bühne.
STANDORTinfo - Der Newsletter der Barmer Landesvertretung Baden-Württemberg

Barmer-Gesundheitskonferenz am Bodensee: Krankenhausreform muss konsequent auf Qualität setzen

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Nach dem Bund-Länder-Kompromiss zur Krankenhausreform sieht die Barmer unverändert die Notwendigkeit einer konsequenten Strukturreform. Diese müsse klar auf mehr Qualität in den Kliniken ausgerichtet sein.

"Es ist gut, dass sich Bund und Länder auf Eckpunkte für die Krankenhausreform geeinigt haben. Bis zur Reform ist es jedoch noch ein weiter Weg, denn viele Fragen zu konkreten Regelungen und zur Finanzierung sind weiter ungeklärt", so Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer auf der Gesundheitskonferenz der Barmer Landesvertretungen Baden-Württemberg und Bayern in Lindau am Bodensee. 

Ein Mann steht an einem Rednerpult und hält einen Vortrag.

Prof. Dr. med. Christoph Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer

Der Erfolg der Reform entscheide sich daran, wie stark das Reformgesetz am Ende die Qualität der Krankenhausbehandlung faktisch fördere. Aus Sicht der Barmer müsse es weiter darum gehen, Krankenhausstrukturen in Deutschland qualitätsorientiert weiterzuentwickeln. Es sei ein Fehler, auf die Einteilung der Kliniken in sogenannte Versorgungslevel zu verzichten. Solche Level seien ursprünglich als verbindliches Instrument der Krankenhausplanung vorgesehen worden. Jetzt sollen sie lediglich dabei helfen, die Versorgungsstrukturen transparenter zu machen. Deutschland könne bei der Reform zudem von internationalen Erfahrungen lernen. Ein Blick über die Grenzen hinweg könne dafür Impulse liefern. Die Barmer-Landesvertretungen aus Bayern und Baden-Württemberg hatten deshalb in Kooperation mit der Internationalen Bodenseekonferenz zu einem länderübergreifenden Austausch in die Lindauer Inselhalle eingeladen. Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Gesundheitswesen und Wissenschaft diskutierten auf der Konferenz darüber, wie die Zukunft der Krankenhausversorgung zu sichern sei. Unter den Diskussionsteilnehmenden waren auch der bayerische Staatsminister für Gesundheit und Pflege, Klaus Holetschek, und die baden-württembergische Ministerialdirektorin für Soziales, Gesundheit und Integration, Leonie Dirks. 

Förderung im Vorarlberg, Kooperation in Liechtenstein

Im österreichischen Vorarlberg haben die Menschen im Schnitt 15 kranke Lebensjahre, berichtet Martina Rüscher, die dortige Landesrätin für Gesundheit. "Das müssen wir ändern, um unser Gesundheitssystem zu entlasten." Um das zu erreichen, setzt Rüscher unter anderem auf eine Bewegungs- und Gesundheitsförderung in Schulen und Kitas sowie auf die Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung. Damit ist die Fähigkeit gemeint, gesundheitsrelevante Informationen finden, verstehen, bewerten und für das eigene Wohlbefinden anwenden zu können. Das Fürstentum Liechtenstein setzt in Sachen Gesundheitsversorgung neben den ambulanten und stationären Grundversorgern im Land auf eine enge Kooperation mit Einrichtungen im grenznahen Ausland. So hat das Landesspital des Fürstentums derzeit beispielsweise keine Geburtsstation. "Liechtenstein ist auf eine gute Zusammenarbeit mit verschiedenen Einrichtungen in der Schweiz und in Vorarlberg angewiesen", so Manuel Frick, Liechtensteins Minister für Gesellschaft und Kultur. Natürlich sind Deutschland und das Fürstentum nicht miteinander vergleichbar. Aber das Beispiel Liechtenstein zeigt: Wo ein Wille zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist, da ist auch ein Weg.

Podiumsdiskussion, ein Mann hält ein Mikrofon in seiner Hand und redet, die anderen Teilnehmer hören zu.

Kleinteilige Krankenhausstrukturen in Bayern mutig verändern 

Die Krankenhausstruktur in Bayern ist in ihrer Kleinteiligkeit ein gutes Beispiel für den Reformbedarf der Krankenhausversorgung in Deutschland. Es gibt mehr als 400 Krankenhäuser, darunter sechs Universitätskliniken, mit insgesamt 73.000 Betten. Darüber hinaus hat Bayern im Vergleich zu den anderen Bundesländern die meisten Krankenhäuser mit weniger als 150 Betten. "Wir müssen die Krankenhausstrukturen mutig verändern. Eine flächendeckende, wohnortnahe Versorgung muss sich dabei vor allem an Qualitätsaspekten orientieren und zukünftig auch über Landesgrenzen hinweg gedacht werden", unterstrich Alfred Kindshofer, Landesgeschäftsführer der Barmer in Bayern. Im Sinne der Patientinnen und Patienten sollten die Versorgungsstrukturen im Rahmen regionaler, sektorenübergreifender und qualitätsorientierter Versorgungskonzepte gestaltet werden.

Baden-Württembergisches Schlaganfallkonzept als Blaupause nutzen

Baden-Württemberg ist bei der Krankenhausplanung schon einen Schritt weiter. Die mehr als elf Millionen Einwohnerinnen und Einwohner werden in 209 Kliniken versorgt. Schon seit Jahren schließen sich in Baden-Württemberg kleinere Kliniken zugunsten eines Maximalversorgers zusammen. Etwa im Schwarzwald-Baar-Kreis, im Landkreis Lörrach oder Offenburg. Bei der Versorgung von Schlaganfallpatienten habe Baden-Württemberg Vorbildcharakter, meinte Barmer-Landesgeschäftsführer Winfried Plötze. "Baden-Württemberg ist das einzige Bundesland, das mit Schlaganfallzentren, regionalen Schlaganfallschwerpunkten und lokalen Schlaganfallstationen eine dreistufige Versorgungsstruktur für die Behandlung von Schlaganfallpatienten vorhält." Je nach Schwere des Hirninfarkts würden die Patientinnen und Patienten in das dafür vorgesehene Krankenhaus eingeliefert. "Schlaganfälle sind immer ein medizinischer Notfall. Deshalb ist eine schnelle Versorgung in einer geeigneten Klinik ein ganz entscheidender Faktor für den Behandlungserfolg", so Plötze. Dass Patientinnen und Patienten mit einer schweren Erkrankung wie Schlaganfall, Krebs oder Herzinfarkt im richtigen Krankenhaus und nicht in einem strukturell nicht angemessenen behandelt werden, müsse bundesweit praktiziert werden. Um das zu erreichen, könne das baden-württembergische Schlaganfallkonzept als Blaupause dienen.

Reduzierung auf die Kernbestandteile der Reform reicht nicht aus

Kein Gesetz verlässt den Deutschen Bundestag so, wie es hineingekommen ist. Das sogenannte 'Strucksche Gesetz' hat sich bei der Krankenhausreform sogar noch früher bewahrheitet. So ist der von der Regierungskommission empfohlene Dreiklang aus Leveln, Leistungsgruppen und Transparenz bereits jetzt vom Tisch. Obwohl dieser nach Ansicht der Barmer die beste Lösung für eine konsequente Strukturreform gewesen wäre. Und auf die Frage, wie der Umbau der Krankenhauslandschaft finanziert werden soll, bleiben Bund und Länder eine Antwort schuldig. Nur an den Kernbestandteilen festzuhalten, ist zu wenig für eine wirkliche Krankenhausreform. Aus Sicht der Barmer sind die folgenden Kriterien wichtig:

  • Die Vorhaltefinanzierung sollte über einen Fonds auf Bundesebene erfolgen, um die Fallzahlunabhängigkeit, Budgetneutralität und weniger Bürokratie zu gewährleisten.
  • Die Krankenhausplanung muss sich an einem bundeseinheitlich definierten Bevölkerungsbezug orientieren, um eine bedarfs- und zukunftsorientierte Versorgungsstruktur aufzubauen, die über die Sektorengrenzen hinausgeht.
  • Die Versorgungsaufträge je Krankenhausstandort müssen anhand von Leistungsgruppen unter Berücksichtigung von Qualitätskriterien, Mindestleistungszahlen und verwandter Leistungsgruppen konkretisiert werden, um die knappen personellen und finanziellen Ressourcen optimal zu nutzen.
  • Die Erfüllung der Qualitätskriterien ist die Voraussetzung für die Leistungsgruppenzuordnung.
  • Eine Levelzuordnung der Krankenhausstandorte bietet den Patientinnen und Patienten eine Entscheidungsgrundlage für ihre Krankenhauswahl und sollte zumindest auf der Bundesebene veröffentlicht werden.
  • Die Notfallversorgung wird so aufgebaut und organisiert, dass alle Hilfesuchenden innerhalb eines bundesweit einheitlich definierten Zeitfensters die optimale Versorgung erhalten.