STANDORTinfo - Der Newsletter der Barmer Landesvertretung Baden-Württemberg

Arzneimitteltherapie: Medikationsfehler durch Digitalisierung vermeiden

Lesedauer unter 2 Minuten

Welche Medikamente nimmt ein Patient oder eine Patientin ein? Diese Information liegt weder in den Arztpraxen noch in den Kliniken standardmäßig vor. "Ärztinnen und Ärzte müssen aber grundsätzlich die gesamte Arzneimitteltherapie der Patienten kennen, um die richtige medizinische Entscheidung treffen zu können", sagt der Landesgeschäftsführer der Barmer in Baden-Württemberg, Winfried Plötze. Deshalb fordert die Barmer eine digitale Unterstützung der Arzneimitteltherapie. "Die Arzneimitteltherapie wird immer komplexer. Ohne elektronische Hilfe ist es schier unmöglich, den Überblick zu behalten. Wir brauchen eine digitale Dokumentation über alle Verordnungen, die jederzeit vorliegt. Denn diese Informationen können überlebenswichtig sein." Etwa in einem Notfall. Bei rund 80 Prozent der Patientinnen und Patienten, die als Notfall in eine Klinik eingeliefert werden, fehlen behandlungsrelevante Informationen. Diese zu recherchieren, dauert durchschnittlich 22 Minuten pro Patient. Die Krankenkassen könnten Informationen zu verschreibungspflichtigen Medikamenten aus ihren Routinedaten ziehen und sozusagen per Knopfdruck liefern. Diese Daten sollten genutzt werden.

Das Balkendiagramm zeigt: In 80 Prozent der Fälle fehlen bei Notfallpatienten Unterlagen zur Vorgeschichte, der aktuelle Medikationsplan und Informationen zu Arzneimittelallergien.

80-Jährige erhalten 24 Arzneimittel pro Jahr

Laut Barmer-Arzneimittelreport haben die 40- bis 44-Jährigen in Baden-Württemberg innerhalb eines Jahres vier Medikamente erhalten. Bei den 60- bis 64-Jährigen waren es schon zehn. Die 70- bis 74-Jährigen erhielten 16 und in der Altersgruppe ab 80 steigt die Zahl der verordneten Arzneimittel auf 24 pro Jahr. "Die Menge der verordneten Arzneimittel und die der zu beherrschenden Informationen steigt mit dem Alter. Die Fähigkeit zum Selbstmanagement nimmt aber eher ab. Nicht alle Patientinnen und Patienten dürften in der Lage sein, Auskunft über ihre Arzneimitteltherapie zu geben", so Plötze. Deshalb würden vor allem Ältere und Polypharmaziepatienten, die mindestens fünf Medikamente gleichzeitig einnehmen, von einer digital unterstützten Arzneimitteltherapie profitieren. Ebenso Patientinnen und Patienten, die das Gesundheitswesen überdurchschnittlich beanspruchen und denen entsprechend mehr Arzneimittel von verschiedenen Ärzten verordnet werden.

Die 10 Prozent der Patienten mit der höchsten Inanspruchnahme erhalten innerhalb von 10 Jahren unter anderem 160 Rezepte und 253 Arzneimittelpackungen.

Bis zu 70.000 Todesfälle könnten vermieden werden

In einem Innovationsfondsprojekt hat die Barmer nachgewiesen, dass die Sterblichkeit von Polypharmaziepatienten durch eine digital unterstütze Arzneimitteltherapie verringert werden könnte. In dem Projekt namens 'AdAM' hatten Hausarztpraxen digital vollständige Informationen zur Vorgeschichte von Polypharmaziepatienten erhalten. Zusätzlich bekamen die Ärztinnen und Ärzte automatisch Hinweise auf vermeidbare Risiken, wie zum Beispiel gefährliche Wechselwirkungen. Die Evaluation hatte gezeigt, dass bei einer bundesweiten Anwendung von AdAM jährlich bis zu 70.000 Todesfälle vermieden werden könnten.

Grafik AdAM