Die Coronapandemie hat die Stärken des Gesundheitssystems offenbart und uns gleichzeitig dessen Defizite vor Augen geführt. Deshalb haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Auftrag von Barmer, Robert Bosch Stiftung und Bertelsmann Stiftung einen Blick auf die erste Welle der Pandemie geworfen. Da Ziel war ein Erkenntnisgewinn: Was hat sich in der ersten Welle bewährt und wo hat das System Schwächen offenbart? Herausgekommen sind die folgenden Handlungsempfehlungen, die das Gesundheitswesen verbessern könnten.
1. Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes
Kontaktnachverfolgung, Anordnung und Kontrolle von Quarantänen, Durchführung von Tests - der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) wurde während der Pandemie einem Stresstest unterzogen. Dabei machten sich die seit Jahren dünne Personaldecke und die mangelhafte Digitalisierung der Gesundheitsämter bemerkbar. Der ÖGD muss als eigenständige Säule der Gesundheitsversorgung gestärkt und besser mit der Wissenschaft verknüpft werden.
2. Ambulant vor stationär
In der ersten Welle fungierte der ambulante Sektor als Schutzschild. Denn auf das Coronavirus wurde vor allem in den Fieberambulanzen und Arztpraxen getestet. Und auch die meisten Infizierten wurden ambulant versorgt. So wurde verhindert, dass das Virus in die Kliniken getragen wurde. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte haben ihre zentrale Rolle als Primärversorger unter Beweis gestellt. Sie müssen aber stärker mit dem ÖGD und den Kliniken vernetzt werden.
3. Mehr Spezialisierung, mehr Kooperation, mehr Konzentration
Kleine Kliniken spielten bei der Intensivbehandlung von Coronapatienten eine untergeordnete Rolle. Die Erkrankten wurden vor allem in großen Häusern versorgt. Die Pandemie zeigt einmal mehr, dass wir aus Gründen der Versorgungsqualität und Patientensicherheit mehr Konzentration, Zentralisierung und Spezialisierung in den Kliniken brauchen. Kleinere Krankenhäuser sollten die Grundversorgung abdecken und sich kurz- bis mittelfristig zu integrierten Versorgungszentren weiterentwickeln. In enger Kooperation mit den Gesundheitseinrichtungen vor Ort blieben sie damit eine unverzichtbare Anlaufstelle in der Region.
4. Durch Delegieren optimieren
Die Pflegefachkräfte haben während der Pandemie gezeigt, dass sie mehr können, als das System ihnen zutraut. Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass mehr Tätigkeiten an Pflegefachkräfte delegiert werden können. Und wir müssen den Pflegeberuf aufwerten, um neues Personal zu rekrutieren und diejenigen zurückzugewinnen, die der Pflege den Rücken zugekehrt haben.
5. Digitalisierung vorantreiben und Daten teilen
Seit dem Ausbruch der Pandemie boomt die Videosprechstunde. Die Telemedizin ist eine zukunftsweisende Möglichkeit, um sowohl dem Therapie- und Behandlungsbedarf in der Pandemie als auch der ärztlichen Versorgung im ländlichen Raum gerecht zu werden. Zudem sollten digitale Gesundheitsdaten genutzt werden können, um aus ihnen zu lernen und die Behandlung zu verbessern. Daten helfen heilen. Ein falsch verstandener Datenschutz darf kein Tatenschutz sein.
Das Richtungspapier zu den mittel- und langfristigen Lehren aus der Pandemie können Sie auf der Internetseite des bifg einsehen oder herunterladen.