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Ärztliche Versorgung: Gemeinsam an einem Strang ziehen

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Gastkommentar von Dr. med. Johannes Fechner, stellvertretender Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) zur ärztlichen Versorgung in Baden-Württemberg.

Wenn wir die Bedarfsplanung für Niederlassungsmöglichkeiten aktualisieren, wie Ende Juni geschehen, dann ist das für mich selten ein Grund zur Freude. Denn jedes Mal wird offensichtlich, wie sich der Ärztemangel verstärkt. Um dies zu erkennen, braucht man keine Zahlentabellen zu studieren - die Farben auf der Landkarte von Baden-Württemberg auf unserer Homepage machen es für jeden mehr als deutlich. Die grünen Flächen breiten sich aus, die roten werden weniger. 

Alarmstufe Grün

Grün – die Farbe der Hoffnung – steht eigentlich für eine positive Botschaft, nämlich die Perspektive auf eine Niederlassung für den medizinischen Nachwuchs. Rote Gebiete sind dagegen für Neuniederlassungen gesperrt. Doch uns, der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg, deren oberste Aufgabe die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung ist, bereitet das viele Grün zunehmend Sorge. Freiwerdende Kassensitze zu besetzen, wird für uns immer schwieriger. Vor allem Haus- und Kinderärzte fehlen allerorten.  

Steigender Bedarf an Medizinern in den Kliniken

Die Gründe für den Ärztemangel sind vielfältig: Immer mehr Junge bevorzugen ein Angestelltenverhältnis statt eines Unternehmerdaseins mit eigener Praxis. Auch der Wunsch nach Teilzeit, vor allem bei Frauen, steht einer Niederlassung meist im Wege. Die Kliniken haben einen wachsenden Bedarf an medizinischen Talenten, weil neue Tarifregelungen mehr ärztliches Personal erfordern, damit alle Dienste und Urlaubstage abgedeckt werden können. Und die Politik hat viel zu spät und keineswegs in ausreichendem Maß reagiert, als es um neue Medizinstudienplätze ging. Auf all diese Faktoren hat die KVBW keinen Einfluss. Wir allein können den Ärztemangel nicht beheben.  

Unterstützung bei der Niederlassung

Wir haben aber vor einigen Jahren begonnen, Maßnahmen zu entwickeln, um die ärztliche Versorgung im Land trotzdem sicherzustellen. Mit der Reform der Notfalldienste haben wir die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte spürbar entlastet, weil sie weniger Wochenenddienste übernehmen müssen. Wir haben das Beratungs- und Dienstleistungsangebot für unsere Mitglieder kontinuierlich ausgebaut und unterstützen bei der Niederlassung und im täglichen Praxisalltag. Die Eröffnung einer Praxis fördern wir finanziell. In unserem Kommunalservice arbeiten wir eng mit Städten und Gemeinden zusammen, um Anreize und gute Bedingungen für eine Niederlassung zu schaffen. Auch um die Patientinnen und Patienten kümmern wir uns: Mit docdirekt gibt es ein telemedizinisches Angebot, dass alle Menschen in Baden-Württemberg nutzen können.  

Call-Center für Videosprechstunden 

In der Gesundheitsversorgung wird in den kommenden Jahren ein weitreichender Strukturwandel stattfinden. Immer weniger Ärztinnen und Ärzte werden einen wachsenden Patientenstrom versorgen müssen – mit allen Folgen, die daraus für die Beteiligten im Gesundheitswesen entstehen. Die Herausforderung wird sein, neue Formen der Gesundheitsversorgung zu entwickeln. Zum Beispiel mit der Einrichtung von Call-Centern, die reine Videosprechstunden anbieten. Das ist nur eines von mehreren Zukunftsmodellen, an denen wir gerade arbeiten. Keines davon werden wir allein umsetzen können. Wir brauchen dazu auch die Krankenkassen als verlässlichen Partner in der Gesundheitsversorgung. Ich bin sehr froh, dass wir in Baden-Württemberg in den vergangenen Jahren ein gutes und vertrauensvolles Verhältnis zu den Kostenträgern aufgebaut haben. Bei allen Interessensunterschieden arbeiten wir gut zusammen. Wenn wir das auch weiterhin tun und gemeinsam an einem Strang ziehen, bin ich sicher, dass wir auch die künftigen Herausforderungen erfolgreich meistern werden. 

Zur Person:
Dr. med. Johannes Fechner, Jahrgang 1951, was bis zum Jahr 2011 niedergelassener Facharzt für Allgemeinmedizin in Emmendingen. Seit 1989 ist er Mitglied der Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung Südbaden und der KV Baden-Württemberg. Seit dem Jahr 2011 ist er stellvertretender Vorstandsvorsitzender der KVBW. Seine Amtszeit endet mit Ablauf dieses Jahres.